Nach vorne auf den Tisch gelehnt, die Ellbogen breit aufgelegt, Finger verschränkt. So spricht Wladimir Putin die Worte aus, die nahezu niemand hören will: «… weise ich an, die Abschreckungskräfte der russischen Armee in besondere Kampfbereitschaft zu versetzen.» Das schliesst auch die Atomwaffen mit ein. Er spricht frei. Immer wieder schaut er nach links und rechts und hält dabei den Kopf in seiner typischen «Putin-Haltung». Stirn vorgebeugt, Augen tief unter der Stirnwulst nach vorne blickend. Dieser Blick und diese Kopfhaltung sind ein uraltes Signal für Kampfbereitschaft. Wenn zwei Steinböcke aufeinanderprallen, halten sie ihre Schädel ähnlich gebeugt. Unnahbar, dominant.

Andererseits wirkt dieses Lehnen am Tisch nicht besonders staatstragend, während er diese weltbewegenden Worte sagt. Jeder andere Staatschef würde ein vorgeschriebenes Statement verlesen. Jedes Wort x-mal geprüft, um nur ja keinen Raum für Fehlinterpretationen zu lassen. Putin hingegen sucht die Worte während des Sprechens im Kopf zusammen. Sein häufiges Blinzeln ist ein Hinweis darauf. Ja, er spannt bei manchen Worten den Körper ruckartig an, so dass seine Schultern ein wenig nach oben hüpfen, aber viel mehr ist da an Spannung nicht zu beobachten. Insgesamt wirkt er eher wie ein gealterter Vereinsobmann, der sich seiner Obmannschaft ein wenig zu sicher ist.

Das macht die Sache noch gefährlicher. Denn für uns Beobachter entsteht eine Asymmetrie zwischen der schwerwiegenden Aussage und seiner Körperhaltung. Ein drohender Atomkrieg auf der einen Seite. Auf der anderen Seite dieses Flackern mit den Augenlidern, sein vielleicht aufgeschwemmtes Gesicht, seine formlose Körperhaltung. Haben wir es hier mit einem Mann zu tun, der überhaupt weiss, was er tut? Küchenpsychologen und Teilzeitgedankenleser fühlen sich zu Ferndiagnosen aus tausend Kilometer Entfernung berufen.

Faktum ist: Aus körpersprachlicher Sicht ist weder Krankheit noch Unzurechnungsfähigkeit erkennbar. Vielleicht ist er einfach zu lange an der Macht und mittlerweile ausschliesslich mit willfährigen Gefolgsleuten umgeben. Folglich hat er es, nach seinem Empfinden, nicht mehr nötig, Haltung einzunehmen. Selbst wenn er die grösstmögliche Drohung verkündet.