Kaum meldete das Demoskopie-Institut Allensbach, 31 Prozent der Deutschen meinten, in einer «Scheindemokratie» zu leben, da begann auch schon die mediale Aufregung. Deutschlandweit stimmte fast jeder Dritte dem Satz zu: «Wir leben nur scheinbar in einer Demokratie. Tatsächlich haben die Bürger nichts zu sagen.»
Im Westen sehen das 28 Prozent so, im Osten sogar 45 Prozent.
Der Spiegel brachte diese Zahlen mit «Querdenkern» in Verbindung, eine andere grosse deutsche Nachrichtenplattform floskelte, die 31 Prozent stellten «die demokratische Grundordnung in Frage».
Tun sie das?
Wenn Bürger meinen, sie besässen zu wenig Einfluss auf politische Entscheidungen, dann wünschen sie sich offenkundig keine Diktatur. Sondern mehr Respekt.
Hätte ihre Skepsis keinen realen Kern, kämen diese Umfragezahlen kaum zustande. Zu diesem Kern trug auch die autoritäre Corona-Politik ihren Teil bei.
Unter Angela Merkel regierte zeitweise eine verfassungswidrige Kanzlerin-Ministerpräsidenten-Konferenz. Abgeordnete durften nur noch abnicken. Grundrechte wurden auf einmal zur grosszügigen Gabe des Staates. Von einer «schleichenden Erosion» der Verfassung sprach damals der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier.
Politiker und Medien hätten guten Grund, sich selbst zu kritisieren und nicht die Bürger. Anderenfalls treiben sie deren Entfremdung nur noch weiter voran.
Alexander Wendt
31 Prozent sind eine Minderheit, 69 Prozent sind aber die Mehrheit und bestimmen daher die Zusammensetzung von Parlament und Regierung. Aber anscheinend ist selbst einfachste Arithmetik eine Verschwörung der herrschenden Klasse, wenn man einigen Kommentaren hier Glauben schenken soll. Immerhin eine der amüsanteren Verschwörungstheorien.
In Kriegsuniform um auf friedliche Buerger rein zu pruegeln, die ihr verfasslichen rechte wahrnehmen. Abartig, der "Spaziergaenger" der neue Feind. In Deutschland ist Hopfen und Malz verloren. Die glauben wahrlich, das sie in einer Demokratie leben. Die Ostdeutschen koennen zwischen den Zeilen lesen. Die verstehen es aus Erfahrung.
Der Berufsstand der Politiker genießt in entsprechenden Umfragen das geringste Ansehen. Das hat nachvollziehbare Gründe. Warum werden nun aber diese Verachteten immer wieder gewählt ? Warum kann der Wahlsieger ein Regierungspersonal zusammenstellen, das jeglichen Vertrauens unwürdig ist ? Warum können Parteien Abgeordnete zur Wahl stellen, deren Bedeutungslosigkeit Beklemmung auslöst ? Weil das Wahlvolk ( Demos ) resigniert hat. Weil Geschlechterproporz wichtiger geworden ist, als Anstand.