Die Rettung der CS wird als weiterer Beleg für das Versagen des Kapitalismus herangezogen. Blöd nur, dass es diesen beim Geld- und Finanzsystem längst nicht mehr gibt.

Das Credit-Suisse-Debakel dient vielen Anti-Kapitalisten dazu, die Schuld auf die liberale Marktwirtschaft zu schieben. So schrieb etwa SP-Präsident Cédric Wermuth auf Twitter an die Adresse von Bankern, Managern und Reichen: «Egal wie unfähig du bist, welche Krisen du verursachst, wie skrupellos du bist, die Gesellschaft zahlts am Ende. Ist schon lange so. Nennt sich Kapitalismus.»

Damit blamiert er sich ohne Ende.

Wie kann ein Parteipräsident nur nicht wissen, dass wir es beim heutigen Finanz- und Geldsystem mitnichten mit einem kapitalistisch organisierten System zu tun haben – und dass dieses folglich auch nicht die Ursache für das grandiose Scheitern der Credit Suisse sein kann?!

Der Kapitalismus ist ein System, in welchem Privateigentumsrechte geschützt sind. Es zeichnet sich durch freiwillige Vertragsvereinbarungen zwischen Markt-Akteuren aus. Der Staat mischt sich nicht in diese privaten Beziehungen ein. Diese Definitionskriterien sind bei der CS-Krise alles andere als erfüllt.

Die Eigentumsrechte der CS- und UBS-Aktionäre wurden bei der Übernahme einfach per Notrecht des Staates ausser Kraft gesetzt. Die Eigentümer durften nicht mitentscheiden, was mit ihrem Eigentum geschehen soll, durften der Fusion weder zustimmen noch sie ablehnen. Das mag man nennen, wie man will – Staatsinterventionismus, Finanzmarkt-Sozialismus, staatliche Bevormundung et cetera. Mit «Kapitalismus» hat eine solche Eigentumsverletzung jedenfalls nichts zu tun.

Doch die Aushebelung kapitalistischer Prinzipien hat schon viel früher begonnen. Die Behauptung, der Kapitalismus habe versagt, weshalb der Staat jetzt eingreifen musste, läuft ins Leere. Einer der Gründe dafür, dass die Gewinne von Banken in den letzten Jahren zurückgegangen sind und viele Finanzinstitute mit Existenzproblemen zu kämpfen haben, war die ultra-expansive Geldpolitik der letzten Jahre. Mit ihrer Tiefst- und Negativzinspolitik haben die Zentralbanken die Zinsen unter das Marktniveau heruntermanipuliert und damit auch die Margen der Banken verringert.

Was haben Zentralbanken mit Kapitalismus zu tun? Nix, nada, niente – im Gegenteil: Sie wurden von Karl Marx und Friedrich Engels sogar explizit in ihrem «Kommunistischen Manifest» gefordert und wurden unterdessen politisch eingeführt! Zentralbanken sind planwirtschaftliche Monopol-Anstalten und als solche besonders fehleranfällig. Sie verpflichten alle Landesbewohner zur Verwendung ihrer mittlerweile von realen Werten entkoppelten Papierwährungen – etwa durch einen gesetzlich verordneten Annahmezwang. Die für die Marktwirtschaft so zentrale Vertrags- und Wahlfreiheit der Menschen wird hier bei einem der wichtigsten Güter überhaupt – beim Tauschmittel – ausser Kraft gesetzt.

Das Angebot dieses «gesetzlichen Zahlungsmittels» – die Geldmenge – wird zudem von der Zentralbank selbst festgelegt. Ebenso folgt der Preis des Geldverleihs – die Zinsen – zentralplanerischen Vorgaben. Von einer freien Preisbildung auf freien Märkten kann also keine Rede sein. Der vom Ökonomen Roland Baader geprägte Begriff des «Geldsozialismus» trifft den Nagel auf den Kopf.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stellt der neuen Monopol-Grossbank ausserdem 100 Milliarden Schweizer Franken in Form eines Liquiditätshilfe-Darlehens zur Verfügung. Dieses Geld schafft die SNB aus dem Nichts per Knopfdruck. Dadurch verringert sie den Wert der sich im Umlauf befindenden Geldeinheiten. Verlierer sind also alle, die Schweizer Franken besitzen. Ihre Vermögen werden dezimiert. Sie werden kalt enteignet. Doch Enteignungen widersprechen dem kapitalistischen Grundsatz des Eigentumsschutzes diametral, können also nicht dem «Kapitalismus» zugeordnet werden.

Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass die Finanzmärkte längst zu den am meisten über- und fehlregulierten Märkten gehören, was der Grund für das heutige «too big to fail»-Problem ist. Jeder, der in den letzten Jahren nur schon ein Konto eröffnen wollte, weiss, was für eine absurde Kontroll-Bürokratie hier im Namen von Geldwäschereibekämpfung, Kundenschutz et cetera entstanden ist. Dies wurde den Finanzdienstleistern von der Politik aufgezwungen und war nicht Resultat von freiwilligen Vereinbarungen zwischen Banken und Kunden. Alles andere als kapitalistisch also.

Zweifelsohne war diese Überregulierung von einigen Grossbanken gewissermassen gewollt, weil sie hofften, dass sie damit ihre kleineren Konkurrenten sukzessive ausschalten können, weil diese punkto Compliance-Ausgaben nicht mehr mit den Grossen mithalten konnten.

Dieses Unterfangen ist gelungen: Unter den Finanzdienstleistern der Schweiz ist es zu einer enormen Konsolidierung und Oligopolisierung gekommen. Das «too big to fail»-Problem ist Folge einer fehlerhaften, anti-kapitalistischen Politik.

Wer verhindern will, dass die Bürger künftig immer und immer wieder unfreiwillig Grossbanken retten müssen, der muss sich für mehr Kapitalismus einsetzen: Abschaffung der krisenschaffenden Regulierungen, Schluss mit staatlicher Konkursverhinderung auf Kosten der Bürger, Abschaffung der sozialistischen Zentralbank, zurück zu Marktwirtschaft, Wettbewerb und Verantwortung: Wer in einer freien Marktwirtschaft schlecht wirtschaftet und Verluste schreibt, soll untergehen, damit Neues, Besseres, Robusteres entstehen kann. Denn wer Verluste macht, zeigt damit, dass er wertvolle Ressourcen verschwendet.

Wird die schumpeter’sche kreative Zerstörung bei jeder Gelegenheit verhindert, werden damit auch die langfristige Stabilität, die Sicherheit und der Fortschritt zerstört.

Olivier Kessler ist Direktor des Liberalen Instituts.