Simon Stocker ist ab sofort nicht mehr Schaffhauser Ständerat. Der SP-Mann hat sich nicht an das Wahlgesetz seines Kantons gehalten. Dieses sieht vor, dass man im Kanton wohnhaft sein muss, wenn man Ständerat werden will. Diese «strikte kantonalrechtliche Voraussetzung» erfülle Stocker aber nicht, sagt das Bundesgericht.

Gleichzeitig hält das Bundesgericht fest, dass Stockers Stimme von der Wintersession 2023 bis in die jüngste Frühjahrssession nicht beanstandet werden kann. Das heisst, dass die Entscheide des Ständerats und der Kommissionen, wo Stocker Einsitz hatte, gültig bleiben.

Gleichwohl bleiben vor allem die Entscheide des Schaffhauser Regierungsrats sowie des Schaffhauser Obergerichts ein Skandal, wie ihn die Schweiz wohl noch nie erlebt hat. Beide Instanzen verteidigten nach einer Beschwerde die Wahl Stockers – obwohl die Rechtslage im Kanton und die Rechtspraxis darüber, was ein Wohnsitz ist, klar sind. Bananenrepublik am Rhein.

Für das Vertrauen in die Politik (und die Justiz) ist der Fall Stocker verheerend. Dass ein SP-Mann statt Thomas Minder, der als Parteiloser bei der SVP-Fraktion mitmachte, gewählt wurde, hat natürlich Konsequenzen. In mehreren Geschäften war Stockers fragwürdige Stimme ausschlaggebend. Besonders viel Gewicht hatte sie bei einem Asylentscheid im März 2024.

Die FDP-Fraktion wollte mittels Motion SP-Bundesrat Beat Jans dazu zu bringen, die illegale Sekundärmigration zu stoppen. Demnach hätten die Schweizer Behörden nicht mehr auf Asylgesuche eingehen müssen, wenn der Gesuchsteller aus einem sicheren Drittstaat (alle EU-Staaten) einwandert.

Im Nationalrat wurde die Motion bereits angenommen. Im Ständerat wurde der klare Auftrag an die Regierung indes abgelehnt, mit 22 zu 21 Stimmen (bei zwei Enthaltungen). Es gab zwei Abweichler bei der FDP, und es bleibt eine hypothetische Frage, wie Minder abgestimmt hätte. Fakt ist: SP-Ständerat Simon Stocker lehnte die Verschärfung ab, seine vom Bundesgericht kassierte Stimme war ausschlaggebend.

Zu einer ähnlichen Situation kam es in der abgelaufenen Frühjahrssession. Eine Motion des Thurgauer SVP-Ständerats Jakob Stark verlangte von Beat Jans, es den Regierungen in Dänemark und Schweden gleichzumachen und den Familiennachzug von Flüchtlingen zu beschränken. Die Motion wurde abgelehnt mit 21 zu 20 Stimmen (bei einer Enthaltung). SP-Ständerat Simon Stocker lehnte die Verschärfung ab, seine vom Bundesgericht kassierte Stimme war ausschlaggebend.

Stocker und mit ihm die vereinigte Linke versuchen nun, das Bundesgerichtsurteil als gesellschaftspolitischen Rückschritt darzustellen. Grundtenor: Diesen Ständeratsjob muss man doch heutzutage machen dürfen, egal, wo man gerade seinen Lebensmittelpunkt hat. Es ist die Argumentation einer Kaderpartei, die vornehmlich aus Berufspolitikern besteht, denen es egal ist, wo sie gerade sind: in Wipkingen, in Schaffhausen, in Bern oder in Brüssel. Dabei ist es in der Schweiz so einfach: Wenn sich die Schaffhauser an ihrem Wahlgesetz stören, könnten sie es einfach ändern.