Wenn Deutschlands Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang (CDU) einen guten Tag hat, dann kann er ganz grosszügig sein. «Das Kalifat», führte er dieser Tage bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts aus, «ist eine denkbare Staatsform von ganz vielen, die es weltweit gibt. Es gibt Kommunismus, Sozialismus, es gibt religiös geführte Systeme, es gibt Monarchien … – all das gibt es. All das kann man auch in Deutschland sagen.»

Die Diskussion über solche Themen sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, sagte er, und hat damit völlig recht.

Wollen, mögen, gut finden kann man vieles. Erst, so hat es das Bundesverfassungsgericht einmal in seinem berühmten «Wunsiedel-Urteil» trefflich formuliert, erst wenn solche Bestrebungen den «gedanklichen Raum des Dafürhaltens» verlassen und jemand daranginge, die deutsche Staatsform in eine der genannten Richtungen tatsächlich ändern und die freiheitliche Demokratie abschaffen zu wollen, dann müsste der Staat einschreiten.

Bizarr werden solche generösen Rechtsbelehrungen allerdings in einer Situation, in der bereits mehrfach entsprechende Demonstrationen mit Kalifats-Forderungen angemeldet und abgehalten wurden, während gleichzeitig Dossiers von mehr als tausend Seiten über Haldenwangs Vorgänger als Verfassungsschutzchef, Hans-Georg Maassen, erstellt werden, der weder eine andere Staatsform wünscht noch gar jemals versucht hätte, die bestehende gewaltsam überwinden oder niederreissen zu wollen.

Derselbe Haldenwang, der die verfassungsschutzrelevante «Delegitimierung staatlicher Strukturen» in den Blick seines Inlandsgeheimdienstes genommen hat, schwurbelt etwas von Meinungsfreiheit, als wären die öffentlichen Forderungen nach einem Kalifat nicht geradezu die Inkarnation von «Delegitimierung» der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Ein Gottesstaat ist keine reformierte Variante des demokratischen Rechtsstaats, sondern sein Gegenteil. Derselbe Mann, in dessen Verfassungsschutzbericht die Rede von «einer angeblichen Islamisierung der Gesellschaft» bereits als «fremdenfeindliches Argumentationsmuster» von Rechtsextremisten bezeichnet wird, fabuliert über freizügige Denkräume für Staatsformen und beobachtet gleichzeitig Menschen, die «eine vermeintlich zunehmende öffentliche Dominanz von Musliminnen und Muslimen» zu erkennen glauben, als rechtsextrem.

Als wäre es nicht der schlichten Logik geschuldet, wenn mehrheitlich Muslime zuwandern, dass diese dann auch sichtbar sind.

Die Auftritte Haldenwangs sind mittlerweile zu einem bizarren Schauspiel der polit-karrieristischen Jonglage aus drakonischer Härte gegen missliebige nichtlinke Meinungen, «gesicherten» Einschätzungen auf der Grundlage einzelner Zitate und luftigen Freibriefen für Klimakleber, Öko-Aktivisten und migrantische Hetzfolklore geworden.

Die deutsche Verfassung hat es nicht verdient, von solchen Bückling-Beamten und juristisch-willfährigen Luftikussen «geschützt» zu werden.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.

Die 3 Top-Kommentare zu "Unglaublich: Verfassungsschützer Thomas Haldenwang sieht im Demokratie-feindlichen Kalifat «eine denkbare Staatsform»"
  • frado

    Damit kann Haldenwang, wie auch Faeser, als "gesichert verfassungsfeindlich" bezeichnet werden.

  • Castus

    Wenn das nicht der ultimative Beweis ist, dass die grösste Gefahr für einen demokratischen Staat in erster Linie aus dem Inneren ebendieses Staates kommt!

  • aliasmailster

    Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz?