Eine EU-weite Statistik über die Insolvenzen und Neugründungen von Firmen in den einzelnen EU-Ländern existiert erst seit acht Jahren. Aber die Zahlen für 2022 sollten EU-Chefin Ursula von der Leyen lassen aufhorchen, denn die Bankrotte haben den höchsten Stand seit 2015 erreicht.

Ein wesentlicher Grund dafür ist das Auslaufen von staatlichen Corona-Hilfen an Zombie-Firmen, an Unternehmen, die ohne staatliche Beihilfen schon längst hätten geschlossen werden müssen, aber aus beschäftigungspolitischen Gründen am Leben erhalten werden.

Die Kumulation, höhere Energiepreise, steigende Personal- und Finanzierungs-Kosten haben viele Unternehmen ins Elend gedrückt. Diese Faktoren werden 2023 noch ausgeprägter wirksam werden. Deshalb erwarten Experten eine weitere Zunahme der Insolvenzen um 20 Prozent. Noch haben sich diese erhöhten Kreditrisiken kaum in den Bankbilanzen niedergeschlagen, wie die jüngsten Geschäftsabschlüsse zeigen. Die Risikovorsorge in Form von zusätzlichen Rückstellungen für faule Kredite hat erst bescheiden zugelegt.

Ländermässig betrachtet fällt vor allem der starke Anstieg der Insolvenzen in Spanien auf, die sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt haben. Mit ein Grund dafür ist aber auch eine Gesetzesänderung im September 2022, die den Unternehmen die Umschuldung erleichtern soll. Dies wird nun auch rege genutzt. Aber auch in der Slowakei, in Dänemark und Kroatien wurden mehr als doppelt so viele Pleiten registriert wie 2015.

Ebenso wichtig wie die Indexzahlen ist jedoch die absolute Zahl von Insolvenzen. In dieser Statistik führt 2022 Frankreich mit 39.000 Konkursen klar vor Deutschland (2021: 14.000), Spanien (9600) und Italien (7200). Der Verdacht liegt nahe, dass in Südeuropa diesbezüglich noch ein Nachholbedarf besteht, denn im Vergleich zu den Nordländern Belgien (9100), Dänemark (7700), Schweden (6700) oder Österreich (4800) erscheinen die Zahlen für Südeuropa doch sehr tief. Gerade im Süden werden viele Zombie-Unternehmen mit vielen Beschäftigten von regionalen Banken auf politischen Druck hin gestützt.

Fragt sich nur, wie lange noch?

In der Schweiz wurde 2022 gemäss dem Gläubigerverband Creditreform mit 10.126 Firmenkonkursen ebenfalls ein Rekord aufgestellt. Im EU-Vergleich zu 2015 entspräche dies einer Zunahme um 34 Prozent. In diesen Zahlen sind allerdings auch 3330 Konkurse enthalten, die aufgrund organisatorischer Mängel erfolgten. Auch in der Schweiz wurden 2022 und 2021 viele Zombie-Unternehmen staatlich gestützt, weshalb auch bei uns ein Nachholeffekt wirksam wurde.

Dun & Bradstreet geht für 2022 von einer etwas anders definierten Zunahme der Konkurse um 27 Prozent auf 7751 Fälle aus. Besonders stark waren die Zunahmen im Kanton Zürich (plus 37 Prozent), gefolgt vom Tessin (26), von der Zentralschweiz (25) und vom Espace Mittelland (24).

Branchenmässig sind in der EU die meisten Pleiten im Transport- und Lagerhausgeschäft festzustellen (plus 72 Prozent), aber auch das Hotel- und Gastgewerbe verzeichnete einen Anstieg der Insolvenzen um 39 Prozent. Bis anhin überraschend gering blieb die Zunahme der Zahlungsunfähigkeit im Baugewerbe, aber bekanntlich folgt diese Branche mit einiger Verzögerung der allgemeinen Konjunktur, dann aber jeweils heftig.

In der Schweiz stechen gemäss Dun & Bradstreet vor allem Handwerksbetriebe (876 Fälle) und wie in der EU das Gastgewerbe (533), aber auch der Gross- (363) und Detailhandel (288) durch hohe Konkurszahlen hervor. Im Vergleich innerhalb der Branchen kämpften aber die Holz- und Möbelindustrie, die Handwerker, das Gastgewerbe, der Bau, die Telekommunikation und der Transport mit den grössten Finanzproblemen.