Lima - Die Gerüchte eines Militärputsches gegen die Maduro-Diktatur in Venezuela überschlugen sich in den letzten Tagen. Umso grösser die Ernüchterung, als sich der seit 2013 herrschende Nicolás Maduro in Caracas am Freitag für weitere 6 Jahre im Amt vereidigen liess.

Ein Gefühl von Déjà-vu macht sich breit. Edmundo González Urrutia, der die Wahlen vom letzten Juli mit gegen 70 Prozent der Stimmen gewonnen haben dürfte und von den meisten amerikanischen Staaten (USA inklusive) offiziell als Präsident Venezuelas anerkannt wurde, rief die Armee zum Widerstand gegen das Maduro-Regime auf. Doch das hatten wir bereits vor sechs Jahren, als nach einer plumpen Wahlfarce viele westliche Demokratien Parlamentspräsident Juan Guaidó als Präsidenten anerkannten. An den realen Machtverhältnissen änderte sich rein gar nichts.

Geändert hat sich hingegen, dass selbst stramm linke Regierungschefs wie Gabriel Boric (Chile) oder Dina Boluarte (Peru) das Regime in Caracas scharf verurteilen. Lula (Brasilien), Sheinbaum (Mexiko) und Petro (Kolumbien) lavieren, doch sie blieben Maduros Amtseinführung fern. Angereist waren lediglich zwei regionale Diktatoren, Miguel Díaz-Canel (Kuba) und Daniel Ortega (Nicaragua). Der wegen Pädophilie angeklagte und flüchtige Evo Morales, ein alter Verbündeter Maduros, konnte seine Glückwünsche nur via X aus dem bolivianischen Dschungel übermitteln.

Nurmehr grotesk mutet die Grussbotschaft der «Madres de la Plaza de Mayo» aus Buenos Aires an, die einst gegen die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur antraten, sich an den nicht minder brutalen Verhaftungen, Folterungen und Morden der Maduro-Diktatur aber nicht zu stören scheinen. Doch sie sind Ausnahmen. Die meisten Linken Lateinamerikas hüllen sich in betretenes Schweigen. Sie verdammen zwar jeden, der ihre Weltsicht nicht teilt, wahlweise als Rechtsextremen, Nazi oder Faschisten, fordern eine Zensur von sozialen Medien und hassen Elon Musk. Doch das Offensichtliche lässt sich nicht mehr verdecken: Seit dem friedlichen Abgang von Pinochet in Chile, der 1990 eine prosperierende Demokratie hinterliess, sind alle Diktaturen Lateinamerikas sozialistisch.

Gemäss den zuverlässigen Umfragen von Latinobarómetro ist Maduro der mit grossem Abstand am meisten verhasste Regent auf dem ganzen Subkontinent, Venezuela inklusive. Der Wind hat definitiv gedreht. Die Mär von den US-Sanktionen, die Kuba und Venezuela ins Elend gestürzt haben sollen, verfängt nicht mehr. Zu offensichtlich ist das Versagen der sozialistischen Modelle. Die Linken sind zwar in gewichtigen Ländern wie Mexiko, Brasilien und Kolumbien nach wie vor an der Macht. Doch sie befinden sich überall in der Defensive und brillieren durch Ideenlosigkeit. Die Musik spielt in Argentinien und El Salvador, wo Javier Milei und Nayib Bukele dem Establishment erfolgreich auf die Pelle rücken. Gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange starren sie alle in Richtung Buenos Aires und El Salvador. Falls der Erfolg anhält, wird das auf die Nachbarschaft abfärben.
Die Aussicht auf Donald Trump und dessen Aussenmister Marco Rubio, ein Sohn von kubanischen Flüchtlingen, hat das Panorama radikal verändert. Und die Diktatur in Caracas, ein veritables Mekka des organisierten Verbrechens, das sich längst über den ganzen Kontinent ausgebreitet hat, stellt nicht nur für die USA ein immanentes Sicherheitsrisiko dar. Trump schliesst einen gewaltsamen Sturz des Maduro-Regimes explizit nicht aus. Das muss nicht unbedingt eine Invasion bedeuten. Es können auch Attentate sein. Die USA haben das Kopfgeld auf den wegen Drogenschiebereien international zur Verhaftung ausgeschriebenen Nicolás Maduro und seinen Sekundanten Diosdado Cabello soeben von 15 auf 25 Millionen Dollar erhöht. Eine Summe, die auch für jeden venezolanischen Militär verlockend sein könnte, vor allem wenn ihm selber Straffreiheit zugesichert wird.

Trotzdem erscheint ein baldiges Ende der Diktatur zweifelhaft. Gerade das Beispiel von Kuba zeigt, wie lange sich Tyranneien in dieser Weltgegend halten können. Der brutale Repressionsapparat ist etwas vom wenigen, was in Venezuela perfekt funktioniert. Tausende von kubanischen Agenten, die noch vom KGB ausgebildet wurden, sorgen dafür, dass das so bleibt. Darüber hinaus verfügt das Regime in Caracas mit China, Russland und dem Iran über mächtige strategische Verbündete.

Nach dem völligen Zusammenbruch des sozialistischen Wirtschaftsregimes ging Maduro 2017 dazu über, verstaatlichte Firmen still und leise zu reprivatisieren. Die staatliche Erdölgesellschaft PDVSA, die für 90 Prozent der legalen Exporte zuständig ist, betreibt ein Joint-Venture mit der amerikanischen Chevron (obwohl die Verfassung das an sich verbietet), die indische Jindal kontrolliert die ebenfalls wichtige Stahlproduktion. Maduro schwebt angeblich ein Staatskapitalismus nach chinesischem Vorbild vor. In der Praxis handelt es sich eher um das russische Modell, in dem regierungsnahe Oligarchen und Clans alles kontrollieren. Die Grenzen zum organisierten Verbrechen sind fliessend.

Die westlichen Demokratien befinden sich in einer Zwickmühle. Ihre Sanktionen zielen vor allem auf Exponenten des Regimes. Der für Venezuela lebenswichtige Erdölsektor ist davon nur indirekt betroffen. Trotzdem leben bereits heute gemäss UNHCR über 8 Millionen Regimeflüchtlinge aus Venezuela in den benachbarten Staaten und zunehmen auch in den USA. Eine Verschärfung der Sanktionen würde zu neuen Flüchtlingsströmen führen. Sicherheitshalber liess Maduro zudem kürzlich 125 Ausländer, darunter auch einen Schweizer, als angebliche Spione verhaften. Man könnte diese auch als Geiseln betrachten. Und es wäre auch nicht das erste Mal, dass das Regime in Caracas die USA durch die Freilassung solcher Geiseln zu Konzessionen bewegt.