Die Schweizerinnen bringen immer weniger Kinder zur Welt. Nach einem rekordverdächtigen 2021 wollten 2022 so wenig Frauen gebären wie kaum je zuvor. Minus 7600 Geburten, das entspricht einem Rückgang von 8,5 Prozent.

Eine gute Begründung dafür hat niemand. Das auffällige zeitliche Zusammentreffen mit der fortschreitenden Impfkampagne wurde von Experten und Medien als Ursache von Anfang an ausgeschlossen und nicht näher untersucht.

Stattdessen wurde die Allgemeinheit beruhigt. So hiess es im August 2022 im Tages-Anzeiger, dass wohl viele Frauen einfach gewartet hätten, bis die Impfphase vorbei sei. Andere würden sich vor einer Erkrankung an Corona in der Schwangerschaft fürchten. Die Geburtenzahlen würden sich laut den Daten des Bundesamts für Statistik bald «wieder normalisieren».

Ein Jahr später zeigt sich aber: Dem ist nicht so. Auch 2023 kamen bisher deutlich weniger Kinder als in Normaljahren zur Welt, allein in den ersten zwei Monaten 500.

Wie erklärt das der Tages-Anzeiger, laut dem das Ganze ja nur ein temporärer Ausreisser war? Ganz einfach: Die Behauptung von damals gilt nun nicht mehr.

Jeannine Hess, die an der ZHAW zu Familienthemen forscht, sagt, die Entwicklung erstaune sie nicht. Es finde eben ein historischer Wandel statt. Kinderlosigkeit sei heute kein Stigma mehr.

Noch vor einem Jahr wurde der Geburtenrückgang als demografisches Problem erachtet, aber als vorübergehend eingestuft. Nun hält er an – und ist mit einem Mal die «neue Normalität».

Das ist eine abenteuerliche Erklärung. 2021 war ein Leben ohne Kinder also gesellschaftlich noch verpönt, so dass es zu einer hohen Geburtenrate kam? Und zwei Jahre später haben sich die Frauen von diesem Joch befreit und verzichten nun in Scharen freiwillig auf Nachwuchs?

Dass die Gebärfreudigkeit innerhalb weniger Monate in sich zusammengesackt ist, kann nicht das Ergebnis gesellschaftlicher Entwicklungen sein. Diese beanspruchen sehr viel mehr Zeit.

Ein so rasanter Absturz deutet vielmehr auf eine plötzliche Ursache hin. Statt diese zu finden, wird die drohende Altersschere nun einfach als normale Entwicklung hingestellt.