Auf Einladung der Weltwoche hat Alexandar Vucic, seit 2017 Staatspräsident der Republik Serbien, am Mittwoch, 4. Dezember, Zürich besucht. Dabei hielt er an einem ausverkauften Anlass im Hotel «The Dolder Grand» zunächst eine «Zürcher Rede» und stellte sich anschliessend den Fragen von Chefredaktor Roger Köppel, der ihn als «Mann des Friedens» bezeichnete. Dabei machte Alexandar Vucic in seiner ihm eigenen bescheidenen und selbstkritischen Art eine Tour d’Horizon durch die weltpolitische Lage und die Situation in seinem Land. Der 54-Jährige bedauerte, «dass wir in einer Zeit leben, in der sich die Menschen nicht mehr zuhören und in der Propaganda wieder einen grossen Stellenwert hat».

Hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine zeichnete Alexandar Vucic ein sehr düsteres Bild: «Wir sind sehr weit weg von einer Lösung des Problems.» Das habe auch damit zu tun, dass niemand kompromiss- und gesprächsbereit sei. Es sei nicht einfach, Frieden oder nur schon einen Waffenstillstand zu erreichen, was eigentlich im Interesse aller sein sollte. Alexander Vucic schlug vor, so rasch wie möglich einen Waffenstillstand anzustreben, wofür sich alle zusammenraufen müssten. Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident, dem er diesen Vorschlag auch unterbreitet habe, sei davon nicht begeistert gewesen. «Aus meiner Sicht zielt er nicht auf diese Zwischenlösung ab.»

Alle warten laut Alexandar Vucic auf eine wundersame Lösung. «Doch die werde nicht eintreffen.» Was sich gegenwärtig in der Ukraine zutrage, sei aber viel mehr ein Machtspiel um die Zukunft. «Der Westen will in der Welt dominant bleiben, doch seine 300-jährige Dominanz und seine Zeit in der Rolle des Lehrmeisters ist vorbei. Und Russland sowie China, die beide die erste industrielle Revolution verpasst haben, wollen zu alter Macht zurück.» Wer meine, Wladimir Putin, der russische Präsident, sei bereit, eroberte Gebiete wieder abzugeben, hänge einer Illusion nach.

Alexander Vucic ging in seiner Prognose sogar so weit, dass er in der Ukraine binnen der nächsten 6 Wochen eine Eskalation und als Worst Case eine nukleare Kriegsführung erwartet. Die Situation gerate immer mehr ausser Kontrolle, da keine Seite verlieren dürfe. «Natürlich hoffe ich, dass ich mich irre. Denn dann ist etwas Gutes passiert.» Eine gewisse Hoffnung setzt er in Donald Trump, den neu gewählten US-Präsidenten. «Er wird sich darum bemühen, näher zu einer Lösung zu kommen.» Ob er das allerdings schaffe, sei offen. Grundsätzlich brauche es mehr Prinzipien und weniger Heuchelei in der Welt. Er selbst habe Wladimir Putin nicht besuchen und sprechen können, wie das Ungarns Präsident Viktor Orbán getan habe, sonst wären er und Serbien bezüglich des EU-Beitritts unter Druck geraten.

Zu Serbien sagte Alexandar Vucic: «Wir wollen alle Bedingungen der EU erfüllen, um den Kandidatenstatus zu erhalten.» Eine Vollmitgliedschaft sei aber ungewiss und hänge von vielen Faktoren ab. Wichtigste Kriterien seien die Marktwirtschaft und die Demokratie. Aber auch China habe sich angepasst, verändert und die westlichen Spielregeln akzeptiert. «Jetzt, da China erfolgreich ist, geht es plötzlich nicht mehr um Wachstum, sondern um Protektionismus und um Zölle.» Interessant zu beobachten sei auch, wie Donald Trump mit dem Handelsdefizit der USA mit Europa umgehen werde. «Ich erwarte, dass er mit China bald einen Deal abschliessen und dann gegen Europa vorgehen wird.»