Pamina: Bei Männern, welche Liebe fühlen,
Fehlt auch ein gutes Herze nicht.
Papageno: Die süssen Triebe mitzufühlen,
Ist dann der Weiber erste Pflicht.
«Die Zauberflöte»
Wo gibt es noch Männer, die vor Frauen niederknien? Ein Gang hinter die Bühne des Zürcher Opernhauses gibt darauf Antwort, wenn auch nur in erlesenen Augenblicken. Es sind die Momente, in denen Direktor Alexander Pereira von seiner eigenen Begeisterung übermannt wird. Wenn er einer Cecilia Bartoli für ihren Auftritt nicht anders zu huldigen weiss, als sich vor ihr in den Staub zu werfen, auf dem sie steht. Hier ist ein Frauenversteher am Werk.
Zu grösster Form läuft Alexander Pereira auf, wenn es gilt, die Damen der Zürcher Gesellschaft (die im Moment leicht irritiert sind, wenn er in seiner Loge turtelt) in das Netzwerk seiner Intendantentätigkeit einzubinden. Gäbe es jährlich einen Opernball als Grossereignis, wenn Alexander Pereira den Sponsorengattinnen nicht die Hand küsste?
Alexander Pereira macht nie ein grosses Geheimnis daraus, welche Frau in seinem Leben gerade die Hauptrolle spielt. Der Opernbesucher braucht nur in die Direktionsloge zu spähen, von der aus der Intendant wie ein Adler das Geschehen überblickt. Dort sitzt er jeweils mit seiner Herzdame. Bis vor zwei Jahren war es Irena Bozic, eine hübsche Kroatin, die Pereira kennenlernte, als sie Frühstückskellnerin im Hotel «Les Ambassadeurs» war und er dort wohnte. Da war Pereira 43, neu in Zürich und einsam. Die Beziehung hielt fünfzehn Jahre. Flatterhaftigkeit kann man dem Intendanten nicht vorwerfen. Irena Bozic stieg in die besseren Kreise auf. Sie sass mit Bundesrat Moritz Leuenberger in der Loge, war dabei, als Leuenberger und Pereira zusammen nach Kaschmir reisten, und gehörte bald zum innersten Kern des Opern-Establishments.
Pereira war loyal bis zur Selbstaufgabe: Als man Bozic die Aufenthaltsbewilligung nicht verlängern wollte, drohte er, wenn sie aus Zürich weggehen müsse, gehe er auch. Zürich wollte diesen brillanten Mann nicht verlieren, Bozic konnte bleiben. Vor zwei Jahren trennte sie sich von Pereira, er litt sehr. In der Sängeragentur von Rita Schütz, wo sie arbeitet, hatte sie José van Dam, 67, den berühmten Bassbariton aus Belgien, kennengelernt. Sobald er geschieden ist, will sie ihn heiraten. Bozic ist gerade dabei, ihre Sachen zu packen und nach Belgien zu ziehen.
Alexander Pereira ist immer noch verheiratet mit seiner Jugendliebe Estelle, die er als 23-Jähriger heiratete. Die beiden sind seit ewigen Zeiten getrennt, Pereira wohnt seither allein. Er hatte weder Zeit noch Lust noch Grund, die Scheidung voranzutreiben. Die Pereiras haben einen Sohn und eine Tochter. Tochter Stefanie geleitete er als Brautvater im Sommer 2005 im Wiener Stephansdom vor den Traualtar. Sie heiratete in eine der feinen Wiener Familien ein. Ihr Mann Alexander Meraviglia-Crivelli ist Intendant des Gustav-Mahler-Jugendorchesters. Die Pereiras sind eine alte Wiener Patrizierfamilie. Eine Vorfahrin war Henriette Pereira, die, wie man im Buch von Hilde Spiel, «Die Dämonie der Gemütlichkeit», nachlesen kann, eine der Damen war, die zur Zeit des Wiener Kongresses einen schöngeistigen Salon führten, wo die Grossen aus Politik und Kultur ein und aus gingen. Die Pereiras waren die Bankiers der Kaiserin Maria Theresia, und in ihrem Wohnzimmer soll Mozart einen Teil seiner Oper «Die Entführung aus dem Serail» komponiert haben. Alexander Pereira – ein verhinderter Bariton – leitete in Wien das Konzerthaus mit grossem Erfolg. Der damalige Zürcher Stadtpräsident Thomas Wagner darf sich zugute halten, Pereira 1990 für Zürich gewonnen zu haben.
Hoffnungsloser Romantiker
Und jetzt die ultimative Peinlichkeit! Alexander Pereira lässt sich mit einem vierzig Jahre jüngeren Erotikmodel auf der Blick-Titelseite abbilden, ein enthusiastisch Verliebter ohne jede Bange, was die Leute denken. Dieser Mann, der intellektuell und gesellschaftlich in der Liga von Bundesräten, CEOs und Künstlern von Weltrang spielt, gibt der Boulevardpresse Auskunft über sein Liebesleben, wie das sonst nur die Wetterfee, Mister Schweiz und andere Cervelatprominente tun. Das ganze Land schüttelte den Kopf! Was ist in Herrn Pereira gefahren? Nun, vermutlich Liebe und Triebe. Das Duett «Bei Männern, welche Liebe fühlen» aus Mozarts «Zauberflöte», die zur Zeit im Opernhaus aufgeführt wird, zählt möglicherweise nicht zufällig zu seinen Lieblingspartien.
Daniela Weisser ist zwanzig Jahre alt, sehr hübsch und hat meistens sehr wenig an. Wenn sie mit ihren waffenscheinpflichtigen High Heels vor Josef Estermann steht, bekommt sogar der sonst etwas spröde Verwaltungsratspräsident des Opernhauses strahlende Augen. Die Brasilianerin wurde Herrn Pereira von einer anderen Brasilianerin vorgestellt. Auch Olivia Suter, 28, zierte eine Zeitlang Pereiras Loge. Einmal nahm er sie mit zu einem Konzert in der Klosterkirche Einsiedeln, wo Philippe Jordan «Die Schöpfung» von Joseph Haydn dirigierte. Sie stand dort im Minirock zwischen dem Abt von Einsiedeln und Herrn Pereira. In dieser Zeit zeigte sich der Opernhausintendant während der Premierenfeiern sogar in der Raucherecke, wo sich seine Freundin eine Zigarette ansteckte.
Sie war laut Blick diejenige, die Daniela Weisser zu Alexander Pereira in seine Wohnung in Küsnacht mitnahm. Bald gab es Krach zwischen den jungen Brasilianerinnen, Daniela Weisser gefiel ihm besser. Sie weinte oft, sie hat ein schweres Leben hinter sich (heisst es im Blick). Das berührte die Seele des Intendanten. Opernliebhaber sind hoffnungslose Romantiker.
Was genau die Sinne des Intendanten verwirrt, kann man auf den Fotos sehen, die Otto Weisser, der 72-jährige Erotikfotograf, von seiner Frau gemacht hat. Jeder ehrliche Mann über fünfzig versteht Alexander Pereira. Nur werden die wenigsten von 20-jährigen Südamerikanerinnen umschwärmt.
Otto Weisser, von dem sich Daniela Weisser jetzt scheiden lassen will, um frei zu sein für Alexander Pereira, verkehrte vor vielen Jahren in Zürich in der «Kontiki-Bar». Ein lustiger Kerl, er kannte Künstler wie David Weiss (Fischli/Weiss) und Starfotograf Willy Spiller, haute Frauen um Fotoshootings an, und seine Visitenkarten waren begehrt, weil erotische Fotos drauf waren.
Alexander Pereira ist nicht nur ein erstklassiger Opernintendant, er ist auch berühmt für seinen Charme. Wer ihn nun als haltlosen, dekadenten Schürzenjäger und Lustmolch sieht, tut, als sei die Attraktion junger Nymphen auf reifere Männer nicht so alt wie die Menschheitsgeschichte, als habe sich der Dezember noch nie in den Mai verliebt. Aussergewöhnlich an Pereira ist, dass er so offen und freimütig zu seinem Erotikmodel steht. Das hat vermutlich mit seiner Herkunft zu tun. Die Wiener geben zwar viel auf Etikette, scheren sich aber einen Deut darum, was die anderen von ihnen denken. Nicht nur dem Intendanten scheint die junge Liebe gutzutun. Eine Sängerin im Opernhaus sagt: «Wir profitieren alle davon. Er ist immer guter Laune.»
Hildegard Schwaninger ist Autorin und Beraterin. Sie schrieb eine der ersten Gesellschaftskolumnen der Schweiz.
Zürcher Opernball, Samstag, 10. März (ausverkauft)
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