Der eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger plant, unbescholtene Schweizer Geschäftspartner russischer Staatsangehöriger an den medialen Pranger zu stellen. Ende Dezember hat er entschieden, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Kontaktdaten von Banken, Treuhändern, Anwälten oder Notaren veröffentlichen soll, die Dienstleistungen für Russen erbracht haben, die mutmasslich den EU-Sanktionen unterliegen. Lobsiger pervertiert damit das Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ). Das Gesetz will «die Transparenz über den Auftrag, die Organisation und die Tätigkeit der Verwaltung fördern» und den «Zugang zu amtlichen Dokumenten» gewährleisten. Nach der Neuinterpretation durch den Datenschützer dient der Erlass nicht mehr der Kontrolle des Staatsapparates. Sondern er darf von den Medien (und andern Interessierten) dazu benutzt werden, selbst privateste Daten zu streuen, die von der Verwaltung gesammelt wurden. Lobsiger öffnet Missbräuchen weite Türen und hohe Tore.

Am Anfang dieser Umdeutung stand das Gesuch eines Journalisten, dessen Name ironischerweise laut Öffentlichkeitsverordnung geheim gehalten wird. Er hat am 2. Mai 2022 vom Seco die Herausgabe sämtlicher Meldungen verlangt, die Geschäftspartner von sogenannten russischen Oligarchen auf den Sanktionsaufruf des Bundes hin, ordnungsgemäss und vertrauensselig, dem Staatssekretariat abgeliefert hatten.

Das Seco beschied dem Medienmann umgehend am 3. Mai, dass eine Publikation dieser Meldungen gemäss den geltenden Gesetzen gar nicht möglich sei: Diese Dokumente enthielten «besonders schützenswerte Daten, wie Namen, Kontonummern und Kontostände der einzelnen Individuen oder Unternehmen oder Organisationen». Die detaillierten Informationen, so das Seco weiter, gäben überdies Geschäftsgeheimnisse nicht nur der Sanktionierten preis, sondern auch solche der Banken, die diese Konten halten. Ein öffentliches Interesse könne den Schutz der privaten Sphären der verschiedenen und absolut legal handelnden Beteiligten auch darum nicht überwiegen, weil das Seco regelmässig und umfassend über den Stand der Sanktionen und den Umfang der eingefrorenen Vermögen informiere.

Bankgeheimnis umgangen

Alle Daten, die der arglose Mensch preisgibt, können ihm, nun auch von Staates wegen, zum Verhängnis werden.

Als Jäger von konkreten Firmennamen und Bankenadressen nicht an einer Gesamtschau interessiert, wandte der Journalist sich noch gleichentags an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB). Über ein «Schlichtungsverfahren» versuchte er, gleichwohl an die gesetzlich geschützten Individualdaten zu gelangen. Konkret nahm eine Alessandra Prinz vom «Bereich Öffentlichkeitsprinzip» sich seiner Sache an, zunächst mit wenig Erfolg: In einer ersten Reaktion auf deren drängende Anfragen hielt das Seco an seiner Rechtsauffassung fest und verweigerte weiterhin den Zugriff auf die sensiblen Privatinformationen, auch mit den Zusatzargumenten, es würden damit sogar Leasing-, Versicherungs- und Mietverträge, Grundbuchauszüge oder gar Wohnadressen öffentlich gemacht. Und überhaupt: Die Bankkontakte unterstünden dem Bankkundengeheimnis: «Die in den Meldungen enthaltenen Informationen unterliegen demnach dem Bankgeheimnis. Eine Herausgabe solcher Informationen durch die Banken könnte damit strafrechtlich verfolgt werden. Es kann nicht im Sinne dieser Bestimmung sein, dass das Bankgeheimnis über Umwege umgangen wird.»

So weit korrekt und konsequent. EDÖB-Chef Lobsiger und seine ausführende Kraft Alessandra Prinz liessen indes nicht locker und veranstalteten «Schlichtungsverhandlungen», in denen der Umfang der publik zu machenden Meldungen etwas reduziert wurde.

Tatsächlich: Am 12. Juli 2022 vollzog das Seco eine regelrechte Spitzkehre. Plötzlich zeigte das Staatssekretariat sich bereit, das Bankgeheimnis zu opfern und die, gemäss eigener Einschätzung, «besonders schützenswerten» Daten Dritter, die es gesammelt hatte, zu veröffentlichen. Über die Gründe des Meinungsumschwungs gibt das Seco (noch) keine Auskunft. Das Gesuch um Einsicht in den Schriftenwechsel werde in den nächsten Wochen geprüft. Auf den Vorhalt der Weltwoche, dass allenfalls internationaler Druck (der EU oder der USA) die Abkehr von den eigenen Prinzipien bewirkt haben könnte, erklärt das Staatssekretariat vielsagend unkonkret: «Das Seco steht im Zusammenhang mit den Sanktionen gegenüber Russland in stetem Austausch mit den Partnerbehörden im Ausland. Zu den Inhalten dieser Gespräche können wir aber keine Stellung nehmen.» Die Vermutung, dass auch die Spitze des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), dem Bundesrat Guy Parmelin (SVP) vorsteht, Einfluss genommen haben könnte, kommentierte das Amt nicht.

Freipass für Erpressungen

Lobsiger hat den Schlüssel gefertigt, mit dem nicht nur das Bank-, sondern auch das Amtsgeheimnis zu knacken ist.

Irritierend ist zudem, dass das Seco, obwohl im Verlaufe des «Schlichtungsverfahrens» jeweils angefragt, sich mit keinem Wörtchen zu den zahlreichen, teils empörten Einwänden Betroffener geäussert hat, die unangenehme rechtliche, internationale, innenpolitische und wirtschaftliche Folgen geltend machten und langfristige Schäden nicht für die einzelnen Institute, sondern für den Schweizer Rechts- und Finanzplatz insgesamt aufzeigten. Also fanden die Datenschützer freie Bahn vor, die «besonders schützenswerten» Daten nicht mehr zu schützen.

In einem zum Teil liederlich redigierten Entscheid (Kommafehler, unvollständige Sätze) erlaubte das Duo Lobsiger/Prinz dem willigen Staatssekretariat am 23. Dezember, den weltweiten Zugang zu folgenden Privatdaten zu öffnen: «meldendes Institut, Meldedatum, Vermögensart, Höhe des Vermögenswerts und Art des Sanktionsadressaten». Banken, Treuhänder oder Anwaltskanzleien, die sich gegen diese gezielte Brandmarkung zur Wehr setzen, werden auf den unsicheren Rechtsweg verwiesen. Eine «höhere Medienpräsenz» und «andere nachteilige Folgen», die sich aus den Geschäftsbeziehungen mit den Russen ergeben, müssten eben in Kauf genommen werden, so der zynische Kommentar.

Wenn Datenschützer und das Seco das «öffentliche Interesse» an privaten Daten ganz legal Handelnder zu rechtfertigen versuchen, dann wird es abstrus bis unheimlich. Durch diese gezielte Preisgabe von einzelnen Namen, so legitimieren sie sich selbst, erhalte die Allgemeinheit einen «Überblick» über die getroffenen Sanktionsmassnahmen. Allerdings beteuerte das Seco am 3. Mai selbst, diese zusammenfassenden Informationen regelmässig selbst zu veröffentlichen. Nach dieser Logik könnten die Bürger durch die Publikation privater Steuerdaten bestimmter Personen auch einen «Überblick» über die Durchführung der Fiskalgesetze einfordern oder durch Einblicke in Krankendossiers sich einen «Überblick» über die Amtsfähigkeit einzelner Magistraten verschaffen. Die politischen Möglichkeiten sind fast unbeschränkt.

Lobsiger hat den Schlüssel gefertigt, mit dem nicht nur das Bank-, sondern generell das Amtsgeheimnis zu knacken ist: Man skandalisiere einen durchaus legalen Vorgang, leite aus dieser Konstruktion ein «öffentliches Interesse» an Detailinformationen ab – und der Datenschützer erteilt den Beamten die Erlaubnis, in amtlichen Akten lagernde vertrauliche private Daten irgendwelchen Antragstellern auszuhändigen. Denn, ganz wichtig zu wissen, das Öffentlichkeitsgesetz kann nicht nur von Medienleuten angerufen werden, die dann für ihre Publikationen geradestehen müssen, sondern von jedermann, von jedem Einwohner der Schweiz und auch von Interessierten aus aller Herren Ländern. Und wie diese Informationen genutzt und verwertet werden, liegt dann allein im Ermessen der Empfänger.

Der Journalist beispielsweise muss die Liste der Geschäftspartner von mutmasslich sanktionierten Russen und russischen Firmen nicht unbedingt vollständig publizieren, sondern könnte sie selektiv zur Ächtung einzelner Banken oder Anwälte nutzen. Er könnte die Datenbank auch verkaufen, zum Beispiel den Konkurrenten, oder mit ihr etwas Druck ausüben. Das sind keine Unterstellungen, sondern nur rein theoretische, aber gar nicht weltfremde Überlegungen. Informationen sind Macht, oft auch Geld und immer eine schnittige politische Waffe.

Selbstherrliche Verwaltung

Einer freut sich ganz bestimmt, wenn er die Liste der Schweizer Finanzdienstleister liest oder sonst wie zugespielt bekommt: der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Er will alle eingefrorenen Vermögen sanktionierter Russen und von deren Firmen einziehen und in den Wiederaufbau der Ukraine umpolen. Datenschützer Lobsiger liefert ihm nun die Standorte der Geldlagerungen im Lande, die Höhe der in Aussicht stehenden Beute des Raubzugs sowie die Namen der Schweizer Vermögensverwalter, die er unter moralischen, unter konkreten EU-Druck und unter gewiss rasch aufkeimende innenpolitische Pressionen setzen kann.

Es scheint so, dass die selbstherrliche Verwaltung nicht mehr daran zu hindern ist, den Dammbruch zu vollziehen, den Schutz privater Daten weitgehend aufzugeben und so das Öffentlichkeitsgesetz zum Ausverkaufsportal zu erklären. Es wäre am Parlament, die Umkehrung des klar definierten Gesetzeszwecks, die Kontrolle ebendieser Verwaltung, zu stoppen. Für jeden Bürger und jede Firma gilt: Sie haben die generelle Regel noch verstärkt zu befolgen, dem Staat, auf dessen Diskretion kein Verlass mehr ist, keine Informationen zu liefern, die er nicht per Zwang einfordern kann! Alle Daten, die der brave und arglose Mensch preisgibt, können ihm, nun auch von Staates wegen, zum Verhängnis werden.

Die 3 Top-Kommentare zu "Beim Bund neu erhältlich: private Daten"
  • Donk

    Auf dem sozialistisch/grünen Götzenaltar der Wokness wird unser Rechtsstaat regelrecht geschlachtet. Wenn die Rechtssicherheit abhanden kommt, hat die Kulturgesellschaft verloren. Chaos, Unsicherheiten und Aggressionen werden sich etablieren. Ich hoffe, dass wir den Point of no Return noch nicht erreicht haben und unsere abtrünnigen, bürgerlichen Politiker der FDP und Mitte, sich zusammenraufen und sich wieder auf unsere Verfassung, Gesetze, Kultur,Herkunft und Neutralität besinnen!

  • Jürg Brechbühl, Diplombiologe, Eggiwil

    Und für die Zukunft lernen die Berufsleute daraus, dass man diesem Staat nicht trauen soll.

  • werner.widmer

    Warum gibt man wegen eigenem Unvermögen immer dir Grünen/Roten schuld? Man will keine Konfrontation mit jemandem, der einem selbst immer anmacht. Dir Bürgerlichen schaffen sich selbst ab und die Wassermelonen kommen ihrem Ziel opferlos näher.