In Börsenkreisen gilt es derzeit als Geheimtipp: Unternehmen, die das Home-Office beenden, verdienen Vertrauen im Aktienmarkt. Weil die Bundesverwaltung mit dem Aktienmarkt aber so wenig zu tun hat wie ein Nilpferd mit Hürdenlaufen, verhält sie sich antizyklisch: Wie die Sonntagszeitung berichtete, setzt man in Bern voll aufs Zu-Hause-Bleiben. In Stelleninseraten steht bezüglich Arbeitsort regelmässig: «Bern und Home-Office». 83 Prozent der Bundesangestellten dürfen ihre Arbeit auch ausserhalb der Büros erledigen. Vertraulichkeit oder Geheimhaltung scheint kein Thema, auch nicht bei Kaderpositionen der Armee oder bei Asylentscheidungen.

Der Bundesrat sollte in einer Klausur beraten, ob es klug war, den EU-Anbindungsvertrag abzusegnen.

Personalumfragen in der Bundesverwaltung haben ergeben, dass das «mobile Arbeiten» und die «Vereinbarkeit von Beruf und Familie» geschätzt werden. Doch wer von «Work-Life-Balance» spricht, meint nie die Arbeit, sondern immer nur die Freizeit. Diese wurde von den Beamten über die Festtage denn auch ausgiebig genossen. Zwar gab es Ämter, die an den Werktagen Präsenz zeigten. Viele aber schlossen am 20. Dezember die Pforten, um sie erst sechzehn Tage später wieder zu öffnen. Manche Chefbeamte erscheinen sogar erst am 13. Januar wieder im Büro, offenbar in der Überzeugung, bis dahin nichts zu verpassen. Denn die erste Bundesratssitzung findet am 15. Januar statt, die nächstfolgende erst am 29. Januar. In der Zwischenzeitlich eilen sämtliche sieben Bundesräte zum Weltwirtschaftsforum in Davos.

 

Herausforderungen der realen Welt

Der Bundesrat behauptet, Angebote von Home-Office seien unabdingbar, um ein konkurrenzfähiger Arbeitgeber zu bleiben. Dabei hielt eine Studie des Luzerner Instituts für Wirtschaftspolitik fest, dass der Bund 13 Prozent höhere Löhne bezahlt als die Privatwirtschaft. Dazu kommen die Arbeitsplatzsicherheit, eine klar definierte Arbeitsbelastung sowie komfortable Renten. Alle diese Privilegien bezahlen die Steuerzahler doppelt: Einerseits fliesst ein stattlicher Anteil ihrer Gelder in die Verwaltung. Anderseits gibt der Staat den Takt vor und setzt die Akteure in der Privatwirtschaft immer noch mehr unter Druck, was ihre Produkte für die Konsumenten verteuert.

Der faktische Lockdown der Bundesverwaltung ist auch darum befremdlich, weil in der realen Welt ernste Herausforderungen lauern. Die Verantwortlichen in den zuständigen Departementen müssten eigentlich Tag und Nacht durcharbeiten, um sich auf den 20. Januar vorzubereiten. Die Zollpolitik des amerikanischen Präsidenten könnte unsere Konzerne und KMU empfindlich treffen. Zudem wird sich die schwache europäische Wirtschaft in Kürze auf unser Land auswirken: Deutschland befindet sich bereits im vierten Quartal im Rückwärtsgang. Bei Frankreich stellt sich die Frage, wie lange die Grande Nation ihre Zinsen noch bezahlen kann. Hier wäre eine sorgfältige Planung von Sofortmassnahmen, Varianten und vorbehaltenen Entschlüssen zwingend nötig.

Donald Trump wird die Grenze zu Mexiko möglichst hermetisch abschliessen. Denn er mag weder die illegale Migration noch die Drogenkartelle – und die linke mexikanische Staatschefin Claudia Sheinbaum schon gar nicht. Umso mehr dürften Millionen Migrationswilliger aus Südamerika nach Europa und in die Schweiz ausweichen. Grund genug für die Flüchtlingsverantwortlichen in Bern, sich rechtzeitig Gedanken zu machen.

 

Wappnen gegen Sammelklagen

Aber auch das Finanzdepartement und das Bundesamt für Justiz hätten eigentlich über die Festtage alle Hände voll zu tun gehabt. Spätestens seit dem Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) ist bekannt, dass die Politik und die Finanzmarktaufsicht der untergegangenen Credit Suisse Bilanzmanipulationen erlaubt haben. Damit wurden mutmasslich amerikanische Börsengesetze verletzt; Sammelklagen in Milliardenhöhe institutioneller und privater Anleger aus den USA gegen die UBS und gegen den Bund sind so wahrscheinlich wie das Amen in der Kirche. Ganz abgesehen von den Sammelklagen wegen der sechzehn Milliarden Franken Pflichtwandelanleihen, welche bei der Zwangsübernahme der CS durch die UBS auf null abgeschrieben wurden.

Es gäbe also in der Bundesverwaltung mehr als genug Arbeit, um sich gegen verschiedene Eventualitäten zu wappnen. Obendrein sollte der Bundesrat in einer Klausur beraten, ob es klug war, den EU-Anbindungsvertrag ohne Kenntnis des verhandelten Textes abzusegnen – einzig aufgrund einer Zusammenfassung der Unterhändler, die ihm erst am Nachmittag vor der ominösen Acht-Uhr-Sitzung vom 20. Dezember vorlag. Die Tatsache, dass das Schweizer Mittelland über die Festtage unter einer dicken Nebeldecke lag, berechtigt unsere Landesregierung noch lange nicht, unter benebelten Umständen neblige Verträge durchzuwinken.