The Daily Show: Mit Jon Stewart.

Jon Stewart ist wieder da: Wie eh und je leckt er am Kugelschreiber, kritzelt manisch im Notizblock, streut gebeepte «Fuck»-Bomben, um das johlende Publikum ins gutmenschliche Gebet zu nehmen. Sein Debüt gab der 61-jährige Late-Night-Komiker, eine Legende dieses uramerikanischen Genres, im New York der neunziger Jahre. Nun sitzt er jeweils am Montagabend bis zu den Präsidentschaftswahlen im November wieder am Pult der «Daily Show», die er bereits von 1998 bis 2015 moderierte.

 

Aufs satirische Glatteis

In den nuller Jahren mischte die «Daily Show» rotzfrech die Medienwelt auf. Im Wahnsinn von war on terror und Patriot Act zog man sie sich jeden Morgen via Internet mit Kaffee und Zigarette rein. Stewart entlarvte Fehler und Heuchelei der Mainstream-Medien und führte verlogene Politiker aufs satirische Glatteis. Seine medienpolitische Satire galt in Stil und Ton als Blaupause einer neuen Talkshow-Generation – selbst für Tucker Carlson, den er 2004 als Gast bei CNNs «Crossfire» zerlegte. Wohlgesinnten (von Hillary Clinton bis John McCain) gewährte Stewart Interviews, Barack Obama besuchte er klammheimlich im Weissen Haus. Auf Washingtons Strassen hielt er Polit-Rallyes ab, im Kongress weibelte er für Unterstützungsleistungen an kranke Veteranen und 9/11-Einsatzkräfte.

Nebenbei lancierte die «Daily Show» Dutzende Comedy-Karrieren (Superstars wie Steve Carell und Stephen Colbert fingen als «Korrespondenten» bei Stewart an). Stewart erhielt Preise und wurde 120-facher Millionär. 2015 trat er als verdiente Legende ab. Warum kommt so jemand zurück? In Interviews antwortet Stewart mit Plattitüden, er wolle «Integrität und Korruption aufzeigen» und so «Luftunterstützung» ans politische Bodenpersonal im Wahlkampfjahr leisten. Im Comeback machte ein ergrauter Stewart dazu Witze über das Alter der Herren Biden und Trump – und sein eigenes –, zog Russlandreise und Putin-Interview seiner alten Nemesis Tucker Carlson durch den Kakao, gefolgt von einer Montagspredigt zu amerikanischen Werten von bürgerlicher Eigenverantwortung und Freiheit. Klassischer Stewart, nichts Neues im Westen.

Neben seiner Rückkehr um des Comebacks willen mag die Krise im Late-Night-Segment ein Grund für Stewarts erneutes Auftauchen sein. Die Werbeeinnahmen von Late-Night-Shows brachen gemäss Marktforscher Nielsen dank Streaming-Konkurrenz seit 2016 um 60 Prozent ein. Seit dem Rücktritt von Stewarts Nachfolger Trevor Noah 2022 war der Headliner-Stuhl der «Daily Show» verwaist. Die Einschaltquote ging laut AP von 1,3 Millionen in Stewarts letzter Saison auf unlängst 385.000 zurück. Also springt Zugpferd Stewart in die Bresche und lässt die Kasse wieder klingeln: Seine Comeback-Show wollten laut Nielsen insgesamt 1,9 Millionen Zuschauer sehen.

Ob das so bleibt, ist fraglich. Zwar ist Stewart ganz der Alte, das heutige Umfeld aber ein neues. Mittlerweile sieht manch kritische Stimme Stewart und seine Epigonen als küstenliberalen Elitenkult, der selbstgefällig und verächtlich auf dumme «deplorables» aus dem Hinterland und ihre Lieblingsmedien eindrischt. Anstatt Neugier oder Verständnis für Trump-Fans zu zeigen, gruben sich die «Daily Show» und Stewart in identitätspolitische Gräben ein: Bipoc-Komiker wie Hasan Minhaj oder Jessica Williams erzielten ihre Lacher immer mehr auf Kosten von mutmasslichen Rassisten, Islamophoben und anderen Feindbildern einer progressiven, demokratischen Linken. Die «Daily Show» ging mit der Zeit und wurde woke.

Damit aber widerfuhr dem System Jon Stewart genau das, was er einst den Fox-News-Machern und -Fans vorwarf: Er begann, an die eigene identitäre Propaganda zu glauben, und fiel in die dogmatische Starre des woken weissen Mannes. Das schliesst ab und zu eine gelungene Pointe der neuen Staffel nicht aus, reduziert sie allerdings auch auf nur ein weiteres politisches Rädchen in der gigantischen Wahlkampfwalze, die bis am 5. November über uns rollt. Eigentlich schade.