Als dauerlächelnde Frohnatur, als fröhliche Bauerntochter mit Schwarznasenschafen, als heitere Ständerätin aus den grünen jurassischen Hügeln – so haben die Medien Elisabeth Baume-Schneider anlässlich ihrer überraschenden Wahl in den Bundesrat beschrieben. Es gibt aber durchaus auch Zeitgenossen, die Baume-Schneider in ihrer früheren Amtstätigkeit ganz anders erlebt haben. Sie erinnern sich an eine Chefin, die man niemandem wünscht.

 

Sie verachtete schwache Menschen

Daniel Raeber* wurde nach der Jahrtausendwende Verwaltungsdirektor bei der Haute Ecole Pédagogique (HEP) der Kantone Bern, Jura und Neuenburg (Bejune) und damit zuständig für die Finanzen und die Administration. Die Gründung der Pädagogischen Hochschule HEP-Bejune im Jahr 2001 setzte den Schlussstrich unter elf zuvor unabhängige Lehrerbildungsinstitutionen der drei Kantone am Jurabogen. Wie wenn nicht schon die Zusammenführung dieser verschiedenen kantonalen Organisationen zu einer einzigen Struktur eine gewaltige finanzielle, rechtliche und organisatorische Herausforderung dargestellt hätte, kamen menschliche und charakterliche Schwächen des verantwortlichen politischen Personals hinzu.

Dann liess Regierungsrätin Baume-Schneider die Gruppe gedemütigt zurück.Über zehn Jahre lang hatte Daniel Raeber das Glück, dass die Hochschule jemand präsidierte, der ihn unterstützte und ihm den Rücken freihielt. Turnusgemäss wechselte dann das Präsidium des Lenkungsausschusses (Copil) an den Kanton Jura, nämlich an die dortige Bildungsdirektorin Elisabeth Baume-Schneider (SP). Damals leitete die Pädagogische Hochschule ein intellektuell brillanter, in der Fachwelt hochangesehener und anspruchsvoller Rektor. Als dessen Vertrag auslief, verhinderte Baume-Schneider eine Erneuerung und installierte an dessen Stelle einen biegsamen, wissenschaftlich weit unbedeutenderen Rektor, der aber ihre politischen Ansichten teilte.

 

Shopping statt Sitzung

Fortan sollte Verwaltungsdirektor Daniel Raeber erfahren, wie rabiat Regierungsrätin Elisabeth Baume-Schneider beim Verfolgen ihrer Ziele vorging. Sie verachtete schwache Menschen, konnte aber jene erst recht nicht ausstehen, die sich ihr widersetzten. Raeber erlebte sie anlässlich eines Auslandbesuchs der Geschäftsleitung der HEP-Bejune zwecks Austauschs mit einer anderen Hochschule, wobei die Präsidentin zufällig dieser Stadt ebenfalls einen offiziellen Besuch abstattete. Man verabredete sich zu einem gemeinsamen Abendessen, nach dem Baume-Schneider mitteilte, sie wolle die nur aus Männern bestehende Schulleitung – die einzige Frau hatte sich entschuldigen müssen – unbedingt am nächsten Morgen pünktlich um neun Uhr für wichtige Mitteilungen treffen. Geplant waren eigentlich etliche Besichtigungen vor der Rückreise, aber Chefin ist Chefin, und die Angesprochenen wagten als gebildete, disziplinierte Schweizer nicht zu widersprechen.

Pünktlich um 8.55 Uhr sassen alle wie vereinbart in der Lobby des Hotels bereit. Doch es wurde halb zehn, und noch immer war keine Präsidentin in Sicht. Daniel Raeber schlug vor, das vorgesehene Programm zu beginnen, da er die Verspätung als einen offensichtlichen Mangel an Respekt empfand. Doch seine vorsichtigeren Kollegen wollten lieber weiter warten, aufgereiht wie Pinguine auf einer Eisscholle, eigentlich abmarschbereit mit den Mänteln unter dem Arm. Plötzlich tauchte Elisabeth Baume-Schneider auf, alles stand auf, doch sie wünschte ohne innezuhalten einen guten Morgen. Sie wolle nur noch rasch ein paar Einkäufe für ihre Kinder im Souvenirladen des Hotels erledigen und habe dann Zeit.

Nach Verlauf einer guten Viertelstunde erschien sie wieder grinsend, alles erhob sich erneut wie auf Kommando, worauf sie allen kurz die Hand schüttelte und mit der Bemerkung «Tschüss, und bis bald!» entschwand. Nicht ohne noch einmal kurz zurückzublicken, um befriedigt festzustellen, dass alle Herren noch immer strammstanden.

Dann liess Elisabeth Baume-Schneider die Gruppe gedemütigt zurück. Nach der Rückkehr sprach nie jemand mehr ein Wort über den belastenden Vorfall. Hätte man nicht schamvoll geschwiegen, wäre man wohl zum Gespött der übrigen Mitarbeiter geworden. Alles ging nach dem Motto: Nur keine Unruhe, nur keine Wellen schlagen. Zumal eine Reorganisation der Pädagogischen Hochschule HEP anstand. Die symbolisch schönen, aber kostspieligen räumlich getrennten Standorte der beteiligten Kantone in Biel, Pruntrut und La Chaux-de-Fonds sollten in einer Studie überprüft und die Vor- und Nachteile einer Neugruppierung an einem einzigen Standort abgewogen werden.

 

Abkanzelung im Lenkungsausschuss

Der vom Management einstimmig und ohne Vorbehalt genehmigte Bericht betonte die Vorteile einer Zentralisierung, die eine bessere Effizienz und Ausbildungsqualität nebst einer deutlichen Kostenreduktion versprach. Der Bericht ging auch an den Berner und den Neuenburger Bildungsdirektor. An einer Sitzung mit Elisabeth Baume-Schneider als Präsidentin des Lenkungsausschusses (Copil) rief diese dem Rektor zu, ob er mit dem Inhalt des Berichts einverstanden sei. Als dieser bejahte, warf sie die Blätter über den Tisch und schrie ihn in beängstigender Wut an: «Nein, damit sind Sie nicht einverstanden! Hören Sie mich? Sie sind nicht einverstanden damit, und Sie werden diesen Mist umschreiben! Und zwar subito!» Baume-Schneider brüllte diesen letzten Satz in einer Lautstärke, die das Trommelfell der Sitzungsteilnehmer gefährdete. Der Rektor verliess die Sitzung mit verlegener Miene, um gehorsamst im Sinn der Chefin einen neuen Bericht zu verfassen.

«Ihre Einstellung ist unerträglich. Ich ersuche Sie, Ihren Mund nie wieder ohne meine Erlaubnis zu öffnen.»Bei der nächsten Sitzung von Lenkungsausschuss und Vorstand sollte die Möglichkeit einer Neugruppierung an einem einzigen Standort besprochen werden. Ein überraschter Regierungsrat fragte, ob der Bericht geändert worden sei. In ohrenbetäubender Stille senkten alle verlegen den Blick. Verblüfft wiederholte der Politiker die Frage. Nur Daniel Raeber erteilte jetzt kurze, präzise Auskunft: «Ja, Herr Regierungsrat, er wurde geändert.» Danach erfolgte eine Zitierung ins Büro der Präsidentin Elisabeth Baume-Schneider. Sie eröffnete Raeber: «Ihre Einstellung ist unerträglich. Ich ersuche Sie, Ihren Mund nie wieder ohne meine Erlaubnis zu öffnen. Es sind die Politiker, die entscheiden, ich kenne eure Meinung, und die interessiert niemanden.»

 

Wer bezahlt die Parkbusse?

Vor der folgenden Sitzung parkte Baume-Schneider ihren Wagen auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz, vergass aber, eine Münze in die Parkuhr zu werfen. Da es sich um ihr Privatfahrzeug handelte, wurde ihr kurz darauf eine Busse von fünfzig Franken auferlegt. Sie übergab den entsprechenden Bussenzettel an ihren Stabschef, der Daniel Raeber aufforderte, den Betrag auf Rechnung der Pädagogischen Hochschule HEP zu bezahlen. Dabei galt für diese Institution der Grundsatz, persönliche Geldstrafen ihrer Mitarbeiter keinesfalls zu zahlen. Hier lag der Fall erst recht klar, da Baume-Schneider als Präsidentin keine Angestellte der Institution war, sondern eine Politikerin, die nur an wenigen Sitzungen mit der Geschäftsleitung teilnahm. Nun befand sich Daniel Raeber in einem Dilemma: Würde er Baume-Schneiders Parkbusse nicht zur Zahlung anweisen, bekäme er ihren Zorn zu spüren. Wenn er aber die Rechnung beglich, riskierte er bei der nächsten Prüfung Konsequenzen der Kantone, weil er die Vorschriften umgangen hatte.

Daniel Raeber entschloss sich, Baume-Schneiders fünfzig Franken zu bezahlen, aber davon ihren Stabschef, der die Zahlung verlangt hatte, ausdrücklich in Kenntnis zu setzen. Dieser roch nun die Gefahr für seine Chefin und forderte Raeber auf, die Rechnung doch nicht zu begleichen. Was folgte, war ein wütender Anruf von Regierungsrätin Baume-Schneider beim Rektor. Dieser schob alles auf Raeber, der sich geweigert habe, die winzige Geldstrafe zu zahlen. Zwanzig Minuten lang musste er sich überaus lautstarke Vorwürfe und Beleidigungen anhören. Die Geldstrafe wurde schliesslich nicht staatlich beglichen – doch Raeber hatte fortan in Baume-Schneider eine gefährliche Feindin.

Sie ordnete nämlich eine Umfrage für eine Effizienzverbesserung an, deren Ziel darin bestand, das Management der Pädagogischen Hochschule neu zu organisieren und so einen Vorwand für die Entlassung von Daniel Raeber zu erhalten. Im Rahmen einer allgemeinen Neuordnung der Hochschule wurde seine Stelle einfach gelöscht. Die Sozialdemokratin sorgte so für die Entlassung eines Mannes, der auf die sechzig zuging und über tadellose frühere Mitarbeiterbeurteilungen verfügte. In der Haute Ecole Pédagogique (HEP) wurde sein Ausscheiden den Mitarbeitern per E-Mail mitgeteilt. Sogar der übliche Abschiedsapéro wurde Raeber verwehrt.

Ähnlich unerfreuliche Erfahrungen musste Yvette Chapuis* machen, frühere Direktorin der Haute Ecole de travail social et de la santé (HETSL) in Lausanne. Diese Schule hatte ehedem die heutige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider geleitet, und sie stand ihr seit 2021 als Präsidentin vor. Yvette Chapuis fand sich und ihre Arbeit von der Chefin ständig in Frage gestellt. Kaum je war sie zufrieden mit den Entscheidungen der Direktorin, ja, Baume-Schneider habe ein eigentliches Mobbing gegen sie betrieben.

Mittlerweile pensioniert, denkt Yvette Chapuis mit grösstem Unbehagen an diese Zeit zurück. An unterschiedlichen politischen Auffassungen kann die Unverträglichkeit nicht gelegen haben. Denn Yvette Chapuis denkt und wählt nicht anders als die heutige Bundesrätin aus dem Jura, ehemals Mitglied der linksextremen Sozialistischen Arbeiterpartei.

Die Weltwoche hat Bundesrätin Baume-Schneider mit jedem einzelnen Vorwurf konfrontiert. Ihr Departement teilt mit, dass es auf eine Stellungnahme verzichte.

 

*Namen von der Redaktion geändert.