«Gratuliere, du bist jetzt im ADC!», schreit mein Freund Peter Höltschi in den Telefonhörer.

Das muss 1980 gewesen sein, als Telefone noch mit einem Kabel in der Wand endeten und man einen Hörer in der Hand halten musste.

«Was!? Ich bin doch kein Autonarr!», schreie ich zurück.

«Nein, du Arschloch, nicht vom ADAC, du bist jetzt ein Neumitglied im elitären Art Director’s Club der Schweiz. Das war mein Übergang vom Fotojournalisten, der authentische Bilder fotografiert, zum «Verräter», der von den «wahren» Bildern zu den gestellten Fotos desertierte. Fotos, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hatten.

Ich lernte schnell. Die Werbung war am Ende, das Misstrauen wuchs. Die Bilder auf den Plakaten und im TV waren fake. Hochglanz war vorbei, man suchte eine neue Authentizität. Und da kam ich gerade recht.

«Deine Bilder sehen so echt aus!», sagten sie mir.

«Ja klar», antwortete ich, «sie sind auch echt. Ich kann doch kein Kriegsbild nachstellen, den Schmerz der Betroffenen, die kaputte Seele eines Kindes, das mit zehn Jahren einem Freier verkauft wird. Das ist alles echt. Und die Wirkung dieser Bilder geht direkt in die Seele.»

 

Gut fürs Bankkonto

Auf einmal sah die Werbefotografie anders aus. Farbe wurde durch Schwarzweiss abgelöst, die Bilder waren schmutzig, die Menschen wurden authentisch. Auch die Werbebotschaft wurde dem neuen Inhalt angepasst.

Das Ganze habe ich einige Jahre mitgemacht. Es war Fun, ich konnte reisen, und auf einmal sah ich mich in der Business-Class und im Fünfsternehotel. Ich reiste mit Assistenten und schwerem Geschütz. Mein Bankkonto erlebte einen Sprung nach oben.

Doch irgendwann in Rio, im Bett mit einer Assistentin des Tabakkunden, überfiel mich die Einsicht: «What the fuck am I doing here?»

Ich missbrauche die Kraft der Bilder. Bin ich jetzt käuflich? Eine Luxushure?

Das war das Ende des kommerziellen Fotografen Venzago. Ich habe gerade noch die Kurve gekriegt.

2018 in Miami Beach: Ich stelle an der Art Basel Miami als Künstler aus. Am Strand kreist eine Cessna mit einem Werbebanner im Schlepptau. Ich reibe mir die Augen. Die Kunst hat über den Kommerz gesiegt.