Mein Freund Bruno las mir einen höchst interessanten Zeitungsartikel vor. Man erfuhr darin, dass laut einer Studie 58 Prozent aller Männer kurze Boxershorts tragen. (Ich nicht, denn ich wusste nicht einmal genau, was kurze Boxershorts sind.) Des Weiteren erfuhr man, dass 3 Prozent aller Männer nie eine Unterhose tragen. Diese Information elektrisierte mich. 3 Prozent von zirka vier Millionen Männern in der Schweiz sind 120 000 Männer. So viele laufen in unserem kleinen Land ohne Unterhose herum! Eine S-Bahn des Zürcher Verkehrsverbundes mit sechs Wagen hat 415 Sitzplätze. Wenn man durch einen vollbesetzten Zug geht, wird man also sechs Männern begegnen, die keine Unterhose tragen. Einer davon könnte der Lokomotivführer sein. Ich weiss nicht genau warum, aber ich würde mich nicht wohlfühlen in einer S-Bahn, die von einem Lokomotivführer ohne Unterhose gefahren wird. Bei einem Piloten hört der Spass dann ganz auf. Und jetzt Achtung: 3 Prozent klingt nach einer niedlichen kleinen Zahl. Aber nur solange man nicht nachrechnet. Ein Airbus der Swiss hat 236 Sitzplätze plus mindestens zwei Leute im Cockpit, macht 238. Die Hälfte sind Männer, macht 119. Folglich sitzen in einem vollbesetzten Airbus drei Männer ohne Unterhose. Es kann der sein, der neben dir sitzt und sich unter der Zeitung auf seinem Schoss dauernd da unten kratzt. Es kann aber eben auch der Pilot sein, und auch er muss dauernd in seine Hose greifen, um den verrutschten Penis zurechtzurücken oder um ihn aus einer Nahtfalte zu befreien.

Im Krieg und in der Liebe kann man die Unterhose weglassen.Herrgott nochmals, es gibt doch einen Grund, warum man Unterhosen trägt! Es ist kein Modediktat, kein willkürlicher Dresscode, ganz im Gegenteil, es soll Dresskot eben gerade verhindern. Eine Unterhose ist ein willkommener Puffer zwischen Unterleib und Hose, eine Art Filter, der Urintröpfchen und auch festere Verunreinigungen im Gewebe der Unterhose bindet wie der Zigarettenfilter die Teerstoffe. Beim Mann dient die Unterhose aber auch als Korsett, das die von Natur aus recht mobilen, ja unruhigen Geschlechtsorgane des Mannes in eine stabile Form bringt, das hat etwas Meditatives, es hat viel mit «zur Ruhe kommen» zu tun.

So, und jetzt stellen wir uns mal vor, neben mir im Flugzeug sitzt eine Mutter mit ihrem Baby, und während einer heftigen Turbulenz sage ich zu ihr: «Übrigens, der Pilot trägt keine Unterhose.» Glaubt etwa jemand, dass diese Mutter sich dann sicherer fühlt? Wenn ich hingegen weiss, dass von den 3300 überwiegend männlichen Berufsoffizieren der Schweizer Armee 3 Prozent, also 99 Offiziere, keine Unterhose tragen, stört mich das weniger. Im Krieg und in der Liebe kann man die Unterhose weglassen, das ist meine Meinung. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich sagen: Bis zum Rang des Divisionärs sollen sie ruhig ohne herumlaufen, nur die Korpskommandanten und vor allem der Verteidigungsminister sollten in der Öffentlichkeit eine Unterhose tragen. Bei einer Verteidigungsministerin sollte es sogar obligatorisch sein. «Übrigens», sagte ich zu Bruno, «wie ist die Prozentzahl der Frauen, die keine Unterhose tragen?» Das wusste er nicht, stand nicht im Artikel. Ich recherchierte es selbst: Laut der Zeitschrift Vanity Fair tragen 25 Prozent, ich wiederhole: 25 Prozent aller Frauen gelegentlich keine Unterwäsche. 7 Prozent tragen nie welche. Das sind in der Schweiz 280 000 Frauen. Weltweit sind es 560 Millionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Pilotin eines Airbus A320 keine Unterhose trägt, ist also gigantisch hoch. Fast kann man von Gewissheit sprechen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Nur vielleicht noch, dass man nun wohl keinem Mann mehr einen Vorwurf machen kann, wenn er sich vor der Buchung des Flugs bei der Airline nach dem Geschlecht des Piloten erkundigt.