Ab 2030 wurde die «Klimakrise» allgemein als Klimapolitikkrise gesehen. Die Anpassung an den Klimawandel erwies sich als viel einfacher als die Anpassung an andere gesellschaftliche Entwicklungen wie künstliche Intelligenz, Alterung, Zuwanderung, Schrumpfung der Weltbevölkerung et cetera. Die Substitution von fossilen Energien ging dank neuen Technologien zur Herstellung von E-Fuels, CO2-Entnahme aus der Luft, Stromspeicherung und -fernübertragung und anderem ganz locker. Aber die Produktion von E-Fuels und Strom fand vor allem in äquatornahen Ländern mit viel Sonne und Platz statt, während in Europa die Solar- und Windkraftwerke trotz enormen Subventionen Konkurs gingen.

In der Schweiz wurde 2027 – da glaubten noch viele, die Schweiz hätte einen zu grossen CO2-Fussabdruck auf Kosten der Armen – die «Welt- und Menschengerechtigkeitsinitiative» vom Volk angenommen. Sie verlangte, die Schweiz müsse endlich ihren fairen Anteil am Klimaschutz tragen. Die Zahlungen müssten mit der viel zu tiefen und ineffizienten Entwicklungshilfe verrechnet werden und der resultierende grosse Transfer statt an die oft problematischen Regierungen armer Länder direkt an deren Bürger gehen. Konkret sollten dazu die weltweiten CO2-Emissionen in Emissionsrechte umgewandelt und diese gleichmässig auf alle Menschen dieser Welt verteilt werden. Sodann müssten die Länder wie die Schweiz, die mehr emittierten, als es ihnen ihre eigenen Emissionsrechte erlaubten, zusätzliche Emissionsrechte von den armen Ländern kaufen. So würde dann niemand mehr auf Kosten anderer leben.

Die Schweiz führte das System im Alleingang ein. Für die ersten jährlichen Ausgleichszahlungen diente das Schweizer Sündenregister, Stand 2025: der Schweizer Ausstoss von 42 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, erfasst gemäss Uno-Konvention; die Schweizer Entwicklungshilfe von 4,6 Milliarden Franken – und das bei einem weltweiten CO2-Ausstoss von 38 Milliarden Tonnen. Da es noch keinen weltweiten CO2-Handel gab, wurden die CO2-Preise vom Handelssystem der EU mit den damals weltweit höchsten CO2-Preisen von rund 70 Franken pro Tonne CO2 übernommen.

 

Zu kleiner Fussabdruck

Die Berechnung schockierte: Die Schweiz mit neun Millionen Menschen hatte bei einer Weltbevölkerung von 8,2 Milliarden einen überschüssigen CO2-Ausstoss von 0,3 Millionen Tonnen CO2. Damit musste sie den Einwohnern der armen Länder eine CO2-Abgeltung von nur 21 Millionen Franken bezahlen. Verrechnet mit der bisherigen Entwicklungshilfe, ergaben sich so jährliche Einsparungen von 4,58 Milliarden Franken.

Die Grünen forderten, der Schweizer CO2-Ausstoss müsse nicht nach Uno-Definition mit den Emissionen innerhalb der Schweiz, sondern inklusive der ausländischen Emissionen bei der Produktion Schweizer Güterimporte gerechnet werden; nach ihrer Rechnung etwa 108 Millionen Tonnen CO2. Aber auch damit ergab sich bloss eine CO2-Abgeltung von 4,64 Milliarden Franken für die Einwohner aller anderen Länder und damit nach Verrechnung mit der Entwicklungshilfe eine Mehrzahlung von bloss sechzig Millionen Franken. Aber weil dank dem CO2-Preis die Emissionen der Schweiz durch mehr E-Fuels und Äquatorstrom schneller als anderenorts sanken, wären auch so für die Schweiz massive Einsparungen angefallen.

Der laute Streit endete mit einem klugen Kompromiss: Die Entwicklungshilfe wurde statt ganz abgeschafft nur halbiert, dafür sagten die Linken fortan, der CO2-Fussabdruck der Schweiz sei zu klein und müsse erhöht werden, so dass wieder mehr Geld in die Entwicklungsländer fliessen könne.

 

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von CREMA – Center for Research in Economics, Management and the Arts.