Warum machen Mütter keine Karriere? Diese Frage stellen sich zwei Journalistinnen in ­ihrem Buch «Macho-Mamas». Nicole Althaus und Michèle Binswanger haben zusammen den vielgelesenen «Mamablog» betrieben auf dem Internetportal Newsnet.

Das Buch beginnt so: Den «modernen ­Frauen stehen nicht mehr die Männer im Weg, ­sondern der gefühlte oder eingelöste Kind­er­wunsch. [. . .] Während kinderlose Frauen ­heute genauso Karriere machen können wie kinderlose Männer, gelingt das den Müttern praktisch nicht. Es ist eine ernüchternde ­Erkenntnis: Wir Frauen der Generation Golf studierten und arbeiteten, wir verdienten Geld und Titel, wir schliefen, wo und mit wem wir wollten, wir verhüteten und trieben ab. [. . .] Dann wurden wir Mütter. Und mit einem Schlag glich unser Alltag demjenigen unserer Grossmütter.»

Zuerst erzählen sie «die Geschichte zweier Frauen, die einen Traum hatten, aber sonst wenig gemein». Die eine wuchs in einem Einfamilienhaus auf, die andere in einer Vorstadtsiedlung. Beide wollten selbständig und frei sein. An beiden Orten «brachte Papa die Kohle nach Hause und Mama die Einkaufstaschen». Dreissig Jahre später hatten beide Frauen selber Kinder und interessante Jobs. «Sie arbeiteten viel und ernteten dafür Anerkennung.» Sie wurden Journalistinnen des Jahres 2010 und gerieten sich in die Haare darüber, wessen Verdienst das war. «Der Zwist, den sie ausfochten, steht am Anfang, weil er den Macho in den ­Mamas geweckt hat und gleich das erste der Märchen entsorgt, mit denen dieses Buch aufräumen will: das Märchen von der Frau, der Harmonie über alles geht, vor allem über ihre Karriere.»

Die «Karrieremütter» porträtieren sich im Buch so: «Sie – Michèle Binswanger – hatte bis zu den ersten Wehen gearbeitet und hatte kurz nach der Geburt wieder am Schreibtisch gesessen. [. . .] Sie wollte ein Leben, wie ein Mann es hat, oder zumindest, dass sich ihr Leben wie das eines Manns anfühlt.» Wie ein Mann nahm sie Arbeit aus dem Büro nach Hause. Dort «herzte sie ihre schreienden Kinder» und muss sich zusammennehmen, «um den simultan erzählten Geschichten zu lauschen. Und die Fragen zu beantworten, die sich im Laufe des Tages an die Adresse der abwesenden Mutter ergeben hatten.» Es wurde das Abendessen «durchgezogen», die Kinder wurden ge­waschen und «besungen», um dann, sobald das Licht im Kinderzimmer gelöscht war, die Schreibtischlampe anzuknipsen. Dort erreicht sie ­eines Abends ein Anruf aus dem Fernsehen, ob sie an einer Diskussionssendung zum ­Thema Elternsein teilnehmen wolle. Und ob!

Die andere (Nicole Althaus) beschreibt, wie sie an diesem Freitagabend – «die Kollegen hatten sich ins Wochenende verabschiedet» –, allein im Grossraumbüro sitzt und im Internet auf der Suche ist nach Themen. «Die Macho-Mama schlüpfte aus ihren Schuhen, streckte die Zehen und legte ihre Beine auf den Schreibtisch. Vielleicht konnte sie ihre Themen ja erst am Sonntagabend aufbereiten? Endlich das Wochenende mit Mann und Kindern verbringen, die sie ohnehin viel zu selten sah?» Sie checkte auf Facebook ihre Statusmeldungen und war fassungslos: Die andere war vom Fernsehen eingeladen! «So lange hatte sie für ihren Erfolg gearbeitet, und jetzt rannte die andere los, diese Schlampe.»

«Zur Arbeitslosigkeit verdammt»

Leider ist es nach diesem Einstieg fertig mit der spannenden Lektüre. Es geht in vielen Worten und immer neuen Formulierungen um den Schock, Mutter geworden zu sein. Wie man eben noch als «Alpha-Mädchen» mit ­allen Optionen ausgestattet war, gearbeitet ­habe wie Männer und «auf Manolo-Blahnik-Stilettos» dahergestöckelt sei. Mal ehrlich, wie viele Journalistinnen stöckeln auf Manolos durch die Gegend?

Und jetzt das: «Niemand hatte ihr erzählt, wie es sich anfühlt, am Montag im Büro mitzumischen, am Dienstag in den Wehen zu liegen, am Mittwoch zu gebären und am Freitag ­allein zu Hause zu sitzen. In der Babypause hatte sie plötzlich Pause von allem.

»Es ist eine Zäsur, keine Frage. Aber hat man nicht auch etwas Wunderbares gewonnen? Offenbar nicht. «Macho-Mama ist am Ende. Sie sitzt auf dem Boden, ihre Binde ist voller Wochenfluss, im Bettchen vor ihr ­wimmert das Baby und verlangt nach ihren wunden Brüsten.» In der Woche sieben post partum ist nichts, wie es war. Das Hirn ist «zur Arbeits­losigkeit verdammt, reduziert auf den Instinkt, das Baby achtmal täglich anzusetzen».

Das ganze Buch dreht sich um den einen Gedanken: Mütter können nicht weitermachen wie Väter. Sie müssen gebären, sie müssen bei den Kindern sein, sie können nicht auf Geschäftsreise oder zum Feierabendbier. «Kinderchen», möchte man den beiden sagen, «es ist banal: Man kann nicht alles haben im Leben.» Verzicht, so altmodisch es klingt, gehört dazu. Was wäre das für eine Mutter, die tagsüber ins Büro geht und am Abend lieber mit Freunden eins trinkt, als dem Kind Geschichten zu erzählen?

Der Untertitel zum Buch lautet: «Warum Mütter im Job mehr wollen sollen.» Doch warum sollen sie müssen? Es gibt Mütter, die gerne bei den Kindern sind, die gerne zuhören, wenn die Kleinen aufgeregt berichten, was sie im Kindergarten erlebt haben. Die gerne am Mittag kochen. Und dies nicht, weil sie einem herbeifabulierten «Mutterkult» aufgehockt sind, sondern weil sie ihre Kinder lieben und wissen, was sie brauchen. Genauso falsch ist die Behauptung, die Frau müsse wählen zwischen Uterus und Hirn. Wer sagt denn so was? Es steht einer Mutter frei, während das Baby schläft, den Spiegel oder den New Yorker zu lesen oder abends ein intelligentes Buch. Wer aber ganz und gar das Leben eines Mannes führen will, der sollte besser keine Kinder haben.

Wo ist also das Problem? Frauen müssen eben gerade nicht wählen zwischen Mutterschaft und Arbeit. Zum Glück nicht mehr, das ist ein Verdienst der Emanzipation. Der grösste Teil der Mütter in der Schweiz arbeitet, wie die Autorinnen selber schreiben. Nur handelt es sich um Teilzeitstellen, und die mögen die beiden nicht so. Weil man mit einem Vierzig-Prozent-Pensum kaum Karriere machen kann. Doch: Können die Mütter nicht Karriere machen, oder wollen sie nicht? Karriere bedeutet lange Arbeitstage, Reisen, Wochenendarbeit. Gute Gründe, davon abzusehen. Eine «Macho-Mama» (besser: «Ego-Mama») stellt selber fest, sie sehe ihre Kinder viel zu wenig.

«Das Problem liegt auch bei den Frauen», sagt Michèle Binswanger. «Das schlechte Gewissen, das Hadern mit sich selber. Das war bei mir genauso. Frauen lassen sich leicht fertigmachen durch den Druck von aussen.»

Mutterschaft als Behinderung

Das schlechte Gewissen ist also das Problem. Und woher kommt es? Die Autorinnen behaupten, es werde den Frauen eingeredet. Ist das möglich? Handelt es sich beim Gewissen nicht um eine unabhän­gige innere Instanz, die einem zuverlässig ­anzeigt, wenn man etwas tut, was anderen schadet? Umgekehrt gilt: Wer sicher ist, dass er nichts Schlechtes tut, der hat kein schlechtes Gewissen.

Absurd wird es, wenn die beiden klagen, in unserer Gesellschaft werde Mutterschaft immer weniger als Bereicherung und immer mehr als Behinderung wahrgenommen. Sie nehmen Mutterschaft als Behinderung wahr. Um nichts anderes geht es im Buch. Tausend Klagen darüber, was eine Mutter alles nicht mehr kann. Kaum ein Wort zum Glück, das Kinder bedeuten. Womit nicht gemeint ist, der Alltag mit Kindern sei ein einziges Fest der Glückseligkeit; zwischendurch ist dieses Leben langweilig und mühsam – wie im Büro.

Eines fehlt in dem Buch völlig: die Kinder. Frauen können nicht dranbleiben, weil sie Kinder haben. Klar, Männer haben auch Kinder. Es gibt Männer, die gerne zu Hause sind und das hervorragend machen. Es gibt Frauen, die sind bessere Chefinnen als Mütter. Aber es sind Ausnahmen. Kein Wort darüber, wie Kinder es finden, drei oder vier Tage in der Krippe oder im Hort zu sein. Ob ihnen das Mami fehlt. Werden ­diese Kinder wohl auch so selbstbewusst werden wie die Autorinnen? Diese hatten gute Startbedingungen: Mütter, die da waren. Ob ihre Kinder auch mal glauben, ihnen gehöre die Welt, wenn ihnen nicht mal die Mutter richtig gehörte?

Die Schlussszene zeigt diese Zweifel. Die Journalistinnen sind in einer Talkshow im Fernsehen. Dort sieht man sie sitzen, beide blond, beide ähnlich hübsch, die Konkurrenz war sicht- und fühlbar. Jetzt sitzen sie an der Bar. Fragen steigen auf. Sind sie gute Mütter? Kommen die Kinder zu kurz? «Wenn ich die Kinder fragen würde, würden sie wollen, dass ich weniger arbeite», sagt die eine. «Wenn ich als Kind gefragt worden wäre, hätte ich auch gesagt, meine Mutter solle ihren Halbtagsjob aufgeben und zu Hause bleiben», erwidert die andere, um anzufügen, heute sei sie stolz auf sie und dankbar.

Michèle Binswanger und der Vater ihrer Kinder leben unterdessen getrennt. Das Buch sei nicht der Grund.