Für den grünen Politiker Bruno Vanoni war es letzte Woche ein Heimspiel. Im Berner Grossen Rat kritisierte er ausgiebig das Medienhaus Tamedia.

Vanoni wusste, wovon er redete. Vor seinem Einstieg in die Politik war er fünfzehn Jahre lang Bundeshausjournalist bei Tamedias ­Tages-Anzeiger. Der Grosse Rat folgte Vanonis Kritik und beauftragte dann die Berner ­Regierung, Massnahmen zur Förderung der Medienvielfalt auszuarbeiten.

Es war die jüngste Folge eines romantischen Rituals. Wann immer ein grösseres Medienhaus das eigene Unternehmen umstrukturiert, versammeln sich die Parlamente zu Dringlichkeitsdebatten. Hektisch verabschieden sie dann Postulate, um die Medienvielfalt, die Meinungsvielfalt und auch gleich die ­Demokratie zu retten.

Und dann hört man nichts mehr davon.

In Bern war der Auslöser der Parlaments­debatte der Entscheid von Tamedia, nur noch den Regionalteil ihrer Berner Zeitung und ihres Bunds in Bern zu produzieren und den Rest, den sogenannten Mantel, aus Zürich anzu­liefern.

Der Grosse Rat überwies sofort ein dringliches Postulat – und nun wird man nichts mehr davon hören.

Die gleiche Heissluft-Politik zeigte sich hübsch auch in der zweitjüngsten Folge des Rituals. Anfang Jahr stellte der Ringier-Verlag sein defizitäres News-Magazin L’Hebdo ein. ­Sofort kündigten Waadtländer Regierung und Waadtländer Parlamentarier sofortige Sofortmassnahmen zur sofortigen Rettung von ­Medienvielfalt und Meinungsvielfalt an – und seitdem hat man nichts mehr davon gehört.

Zahllose Resolu­tionen

Bis vor zehn, zwölf Jahren war es der Politik egal, was Medienfirmen so trieben. Wenn mal ein Titel einging oder fusionierte, war das normales Wirtschaftsleben. Die grosse Ausnahme war die Fusion von National-Zeitung und Basler Nachrichten, die 1977 im Basler Grossen Rat zu heftigsten Debatten führte.

Dann, ums Jahr 2005, entstand plötzlich das Wort «Medienkrise». Es setzte sich blitzschnell in den Gehirnen der Politiker fest. Beim Wort «Krise» sind Politiker jeweils wie elektrisiert, weil sie die Chance wittern, sich als furchtlose Krisenbekämpfer zu profilieren.

Nun gibt es bis heute aber keine richtige ­Medienkrise. Die Gewinnsituation der gros­sen Verlage war in den letzten Jahren besser denn je. Das hindert die Politiker nicht daran, die sogenannte Medienkrise mit äusserstem Wagemut zu bekämpfen.

Den Anfang nahm der Trend im Jahre 2007. Tamedia verkaufte damals ihre Thurgauer ­Zeitung an das St. Galler Tagblatt aus dem Hause NZZ: Die Thurgauer Regierung und der Thurgauer Grosse Rat beriefen sofortige Sitzungen ein und verabschiedeten zahllose Resolu­tionen zwecks Erhaltung von Medienvielfalt und Meinungsvielfalt. Seitdem hat man nichts mehr davon gehört.

Die Kunst der Schaumschlägerei zeigte sich besonders bei den grossen Deals. Als die Berner Zeitung nach Zürich verkauft wurde, hagelte es im Parlament Resolutionen zwecks Rettung der Medienvielfalt – man hat seitdem nichts mehr davon gehört. Als Tamedia die Westschweizer Edipresse übernahm, standen die Westschweizer Regierungen und Parlamente kopf zwecks Förderung der Medienvielfalt – man hat seitdem nichts mehr davon gehört.

Das Problem der Medienförderung besteht darin, dass sie nur auf eine Weise funktioniert. Sie funktioniert nicht rhetorisch, sondern nur finanziell. Es braucht staatliche Gelder und Leistungen, die an private Medienhäuser fliessen. Das heisst, es braucht einen Aus­gabeposten im öffentlichen Finanzhaushalt.

Wenn Politiker das jeweils realisieren, dann sind sie ganz schnell wieder still.