Das Problem mit Gonzague de Reynold (1880–1970) beginnt bereits bei der Frage, wie man ihn bezeichnen sollte. War er Historiker, Literaturwissenschaftler, Schriftsteller, Dichter, politischer Essayist, Politiker? Er war all dies in einem. Denn er war eben auch ein intellektueller Zauberer sowie Verwandlungskünstler: Einmal inszenierte er sich als objektiv argumentierender Wissenschaftler und staatstragender Denker, ein andermal gefiel er sich als Provokateur, der gegen die moderne Demokratie, den liberalen Bundesstaat und die Neutralität stichelte und stachelte. Immer wieder erwischte er sein Publikum à contre-pied und sorgte für Verwirrung und Ärger.
Dennoch, oder gerade deshalb, war Gonzague de Reynold sein langes Leben lang für politikinteressierte Schweizer ein Begriff, positiv oder negativ. Die einen hielten ihn für einen der grössten Schriftsteller Europas, andere für einen geltungssüchtigen Landadligen, der in den Kategorien des Ancien Régime dachte und sich, einem tintenklecksenden Don Quichotte gleich, ins 20. Jahrhundert verirrt hatte. Wer hatte recht? Beide Seiten wohl ein Stück weit. Sicher ist aber dies: Gonzague war einer der verstörendsten, schillerndsten, widersprüchlichsten, irritierendsten Publizisten, die die Westschweiz im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat – das heisst aber auch: einer der interessantesten.
Grande Société
Dass Reynold nicht für ein gewöhnliches 08/15-Leben gemacht war, liess sich eigentlich schon am Anfang seines Lebens absehen. Er wurde am 15. Juli 1880 in Freiburg in eine der angesehensten Freiburger Patrizierfamilien hineingeboren, auch wenn sie nicht zu den wohlhabendsten gehörte. Sein Vorfahre Franz/François (1642–1722), Generalleutnant und zeitweise gar Kommandant des Garderegiments des französischen Königs, war vom Sonnenkönig Louis XIV in den Adelsstand erhoben worden und durfte sich fortan Comte (Graf) nennen. Die de Reynold waren seither in Versailles so heimisch wie am heimatlichen Saane-Ufer.
In der Familie de Reynold lebte man noch bis weit ins 19. Jahrhundert nach dem Vorbild des französischen Landadels. Gonzagues Vater Alphonse-Marie, Dragonerhauptmann, ging keinem bezahlten Beruf nach und verwaltete seine Güter («Il vivait de ses terres», hiess es). Die schöne Jahreszeit verbrachte die Familie im Schlösschen Cressier bei Murten, zu dem eine Kapelle für die spirituelle Nahrung und ein Bauerngut für das materielle Wohlergehen gehörten; im Winter blieb sie in der Stadt Freiburg, wo an der Rue de Romont ein repräsentatives Stadthaus zur Verfügung stand.
Man trauerte der alten Eidgenossenschaft nach – und der französischen Monarchie.Man verkehrte vor allem mit seinesgleichen, das heisst mit anderen Freiburger Familien, die ebenfalls ein Schlösschen, ein Adelsprädikat und einen ruhmreichen Stammbaum mit zahlreichen Offizieren im französischen Solddienst besassen. Die Männer trafen sich in der Grande Société, die Damen trafen sich beim Tee zu Hause und die Jungen trafen sich in speziellen Soirées, bei denen sie sich näherkommen durften, womit Mesalliancen vorgebeugt wurde: «soziale Reproduktion» in Reinnatur. Man trauerte der alten Eidgenossenschaft nach – und der französischen Monarchie. Und alle Jahre am 10. August traf man sich zu einer Gedenkmesse für die Schweizer Söldner, die beim Sturm auf den Tuilerien-Palast 1792 ihr Leben für den französischen König hingegeben hatten.
Katholische Hochburg
Die «Berühmte Catholische Statt Fryburg im Üchtland», wie es auf einem berühmten Stich aus der Barockzeit hiess, war an der Jahrhundertwende noch ein konservatives Bollwerk, das weitgehend in den spätmittelalterlichen Stadtmauern Platz fand. Der örtliche Bischof und der katholisch-konservative Staatsrat Georges Python waren die ungekrönten Doppelmonarchen. Die Katholisch-Konservativen (KK) hielten den Kanton fest in ihrer Hand: Freiburg als kleines Kakanien.
Dies bedeutete aber nicht, dass die Uhren stillstanden. Der visionäre Python, besorgt über die Rückständigkeit seiner Heimat, war gerade daran, den Kanton Freiburg mit einer staatlich gesteuerten Investitionspolitik wirtschaftlich auf Vordermann zu bringen, worauf die Kantonalbank, die Freiburger Elektrizitätswerke, die Eisenbahngesellschaft sowie Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie aus dem Boden schossen. Zudem hatte der fast diktatorisch amtierende Python 1889 zusammen mit dem Bündner KK-Nationalrat Caspar Decurtins die Universität Freiburg gegründet, um den Schweizer Katholizismus intellektuell aufzurüsten. Eine wirtschaftlich fortgeschrittene «christliche» (und das hiess: katholische) Republik wollte Python aus seinem Kanton machen.
Weisse Handschuhe
In diesem Umfeld wuchs also Gonzague auf, mit Vater, Mutter und Bediensteten, zu denen auch ein Hauslehrer gehörte, natürlich ein Priester. Bis zum Gymnasium bekam er Privatunterricht. Seine Mutter Nathalie-Victorine, eine geborene de Techtermann, stand in Sachen Standesbewusstsein dem Rest der Familie in nichts nach. Kontakte mit Bauernsöhnen waren geduldet, Umgang mit Bürgerssöhnen und mit Söhnen von Neureichen dagegen untersagt. «Lieber ein toter Adler als ein lebendiger Esel», war die mütterliche Devise. (Wir folgen hier der einschlägigen Gonzague-Biografie von Aram Mattioli.)
Besonderen Einfluss auf den begabten jungen Grafen übte sein Onkel Arthur de Techtermann aus, ein Korpskommandant, der ihn zu Besichtigungen der Schlachtfelder von Laupen und Murten mitnahm und für die grossen Taten der alten Eidgenossen begeisterte. Erst mit Eintritt ins Gymnasium kam Gonzague in Kontakt mit der plebejischen Aussenwelt. Er wurde ins Kollegium St. Michael geschickt, das frühere Jesuitenkolleg, das 1857 vom Kanton endgültig übernommen worden war. Dort musste der kleingewachsene Landadlige, der bisweilen keck mit «Graf von Cressier» signierte (ein Adelstitel, den es gar nie gegeben hatte), von seiner Umwelt einiges an Hänseleien einstecken. Als er an einem kalten Wintertag mit Handschuhen verspätet zur Messe erschien, wies ihn der Lehrer zurecht: «Reynold, ziehen Sie die Handschuhe aus, wir sind in einer Demokratie!»
Nach Paris
Kurz vor der Matura 1899 wurde der junge Gonzague gar um ein Haar von der Schule gejagt, weil er ein Lied des Minnesängers Walther von der Vogelweide auf Französisch übersetzt und publiziert hatte. Weil auf der Vogelweide mehr als nur geflirtet wurde, befand das Rektorat das Lied für sittenwidrig. Gonzagues Onkel musste bei der Schulleitung intervenieren, um der Familie Schimpf und Schande zu ersparen.
Nach der Matura ging der junge Graf nach Paris, wo er am Institut catholique und an der Sorbonne französische Literatur studierte. Hier stürzte sich der unerhört fleissige und produktive Freiburger in eine monumentale Dissertation über die Schweizer Literatur des 18. Jahrhunderts. Auch trat er in Kontakt mit jungen Intellektuellen, die unter dem Einfluss der antiliberalen Publizisten Charles Maurras und Maurice Barrès standen und gegen die moderne Demokratie und für eine Rückkehr Frankreichs zur Monarchie eintraten.
Sein Studium beschloss er an der Universität Freiburg im Breisgau. 1905 heiratete er die Schwyzer Patriziertochter und Künstlerin Marie-Louise von Reding von Biberegg; drei Kinder entsprossen der Ehe. Schlimm für ihn war, dass sein Vater 1907 das repräsentative Stadthaus in Freiburg an einen Warenhausbesitzer verkaufen musste. Allerdings hatte Gonzague bereits zuvor beschlossen, als Schriftsteller zu arbeiten und, weil es sein musste, auch Geld zu verdienen. 1909 übernahm der erzkatholische Freiburger eine Privatprofessur an der Universität im erzprotestantischen Genf.
Seine Zeitschrift setzte sich eine Emanzipation der welschen Literatur vom übermächtigen Paris zum Ziel.Zusammen mit Gesinnungsfreunden gründete er die Zeitschrift La Voile latine, die sich eine Emanzipation der welschen Literatur vom übermächtigen Paris zum Ziel setzte. In den Augen Reynolds war die Schweiz eine grosse europäische Nation, wobei aber diese Nation nicht auf einer ethnischen oder sprachlichen Einheit, sondern auf der Verbindung zwischen romanischen und germanischen Elementen ruhte. Dieser «Helvetismus» war ein starkes Statement wider den französischen und den deutschen Kulturchauvinismus, der in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die Köpfe vernebelte.›››
Mit Hoffnungen erfüllte ihn Ende 1922 die Machtübernahme Mussolinis.1913 gehörte der an der deutsch-französischen Sprachgrenze heimische Freiburger zu den Gründungsmitgliedern der Neuen Helvetischen Gesellschaft (NHG), die sich die Verständigung zwischen den Schweizer Sprachregionen auf die Fahne schrieb. Als zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein deutsch-welscher Graben aufbrach, versuchte er, vermittelnd zu wirken – ähnlich wie Carl Spitteler, der im Dezember 1914 in einem aufsehenerregenden Vortrag («Unser Schweizer Standpunkt») vor der NHG-Sektion in Zürich zum guten Einvernehmen zwischen Deutschschweizern und Romands aufrief.
Gegen den Sprachengraben
Der Erste Weltkrieg brachte für Reynold einen Karrieresprung: General Ulrich Wille, wohl froh, einen welschen Intellektuellen zur Verfügung zu haben, der nicht virulent antideutsch eingestellt war, beauftragte ihn mit der Leitung des Vortragsdienstes der Schweizer Armee. Und Reynold wurde gleich in den Majorsrang erhoben – Balsam für sein Herz. Zu seinem Leidwesen war nämlich der feingliedrige Aristokrat bei der Aushebung als dienstuntauglich erklärt worden: für den Abkömmling einer Soldatendynastie ein harter Schlag. Nun aber konnte er seinem Vaterland in Uniform dienen. Er tat dies mit ausserordentlichem Einsatz, wobei er sehr innovativ war. So wurden neben Vorträgen auch Diapositive und Filme für die Stärkung der Kampfmoral eingesetzt. Auch mit der akademischen Laufbahn ging’s jetzt voran: 1915 wurde de Reynold zum Professor der französischen Literatur an die Universität Bern berufen.
Vorarlberg im Visier
Nach Ende des Kriegs und den revolutionären Wirren von 1918/19 wandte sich Reynold immer mehr einem autoritären und katholisch geprägten Autoritarismus zu. Er wurde zum Vordenker eines «christlichen Europa», das einen Schutzwall gegen das kommunistische Sowjetreich bilden sollte. Auch mischte sich der junge Professor gern in die Schweizer Politik ein.
Nach der Auflösung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie am Ende des Weltkriegs gehörte er zu den Gründungsmitgliedern eines Komitees, das sich für den Anschluss des österreichischen Landes Vorarlberg an die Schweiz einsetzte. Als die alliierten Siegermächte klargemacht hatten, dass sie eine Änderung der Grenze der neugeschaffenen Republik Österreich nicht akzeptierten, war der Vorarlberger Traum allerdings rasch ausgeträumt. Danach setzte sich Gonzague de Reynold für einen Beitritt der Schweiz zum Völkerbund ein, was im Mai 1920 in einer Volksabstimmung angenommen wurde.
Mit Hoffnungen erfüllte ihn Ende 1922 die Machtübernahme des italienischen Duce Benito Mussolini. Mit der neuen faschistischen Führung in Italien unterhielt er lange Zeit enge und gute Beziehungen. Sechs Mal wurde er vom Duce in Privataudienz empfangen.
Aus Bern vertrieben
Neben seiner Lehrtätigkeit und seinem politischen Engagement entwickelte Reynold auch eine grosse publizistische Aktivität. Er verfasste Festspiele, schrieb Bücher in grosser Zahl. So veröffentlichte er 1929 ein Buch über die Schweizer Demokratie, in dem er einmal mehr eine Breitseite gegen den freisinnig und protestantisch dominierten Bundesstaat abfeuerte. Für liberale Kreise war aber jetzt der Zapfen ab. Vor allem aus Berner Lehrerkreisen und Studentenverbindungen wurde der Freiburger Aristokrat unter Beschuss genommen. In der Presse, aber auch im Berner Kantonsparlament hiess es, Reynold sei nicht mehr zumutbar. Schliesslich reichte der Angefeindete seinen Rücktritt ein. Zuvor hatte aber die Universität Freiburg einen auf ihn zugeschnittenen Lehrstuhl geschaffen, so dass Reynold prompt auf den Füssen landete.
Etters Souffleur?
In den 1930er Jahren wurde der umtriebige Netzwerker zu einem europaweit gefeierten Wortführer eines christlichen Ständestaats. Er suchte eine Alternative sowohl zum Liberalismus als auch zum Sozialismus, gleichsam einen dritten Weg, der einen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit möglich machte. Als Vertreter dieses katholischen Korporatismus ging er aber, nach einer Phase der Annäherung, zum atheistischen und staatsgläubigen Faschismus eines Mussolini auf Distanz. Mit dem portugiesischen Diktator António de Oliveira Salazar dagegen stand er in engem und freundschaftlichem Kontakt.
Die Hauptgefahr für Europa sah er nach wie vor im sowjetischen Kommunismus.Auch zu Bundesrat Philipp Etter, der ab 1934 das eidgenössische Innendepartement leitete, unterhielt Reynold enge Beziehungen. Etter machte aus seiner Bewunderung für den Freiburger Denker kein Hehl. Man sagt, dass die im Dezember 1938 von Etter veröffentlichte Bundesratsbotschaft («Kulturbotschaft»), die als Gründungsurkunde der «Geistigen Landesverteidigung» gilt, weitgehend von Reynold inspiriert war. Dies ist allerdings fraglich. Wie der Historiker Thomas Zaugg in seiner monumentalen Etter-Biografie nachgewiesen hat, unterschied sich Etters Konzeption, in der die Demokratie der Urschweizer Kantone zum Kern des Schweizer Staatsverständnisses gemacht wurde, fundamental von der reynoldschen Denkweise: Hier wird diese Rolle vor allem den städtischen Orten der alten Eidgenossenschaft zugesprochen. Der Freiburger Professor war von der «Kulturbotschaft» offenbar alles andere als begeistert.
Das Fanal von 1940
Reynold sah sich jetzt immer mehr in einer historischen Rolle. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs forderte er eine autoritäre Erneuerung der Schweiz unter der Führung eines eidgenössischen Landammanns, wobei er dieses Amt Bundesrat Etter oder auch sich selbst zusprechen wollte. Im Sommer 1940, nach der Okkupation Frankreichs durch Hitlers Wehrmacht, erklärte er, die Schweiz müsse sich an das neue, von Nazideutschland dominierte Europa anpassen. Für den antichristlichen Nationalsozialismus hatte er keine Sympathie, aber er sah die Hauptgefahr für Europa nach wie vor im sowjetischen Kommunismus. In einigen Stellungnahmen ging er so weit, Hitler eine positive Rolle in der Abwehr des Kommunismus zuzuschreiben. Später hat er dies als «imprudences» (Unvorsichtigkeiten) bezeichnet. Ab 1941 äusserte er sich nicht mehr zum politischen Geschehen. Auch in der Schweizer Kulturpolitik und der Stiftung Pro Helvetia spielte er kaum mehr eine Rolle.
Nobelpreis?
Nach dem Zweiten Weltkrieg war seine Aktivzeit ohnehin abgelaufen. 1951 liess er sich an der Universität Freiburg pensionieren. Er mischte sich nur noch gelegentlich ins öffentliche Geschehen ein. So unterstützte er die Vereinigung Pro Freiburg, die gegen die Verschandelung seiner Heimatstadt auf die Barrikaden ging, und zeigte Sympathie für die beginnende Umweltbewegung. Auch die jurassische Unabhängigkeitsbewegung fand bei ihm Verständnis. Zudem beteiligte er sich an der Gründung eines Institut fribourgeois, das mit einer Sprachencharta versuchte, die Spannungen zwischen der welschen Mehrheit im Kanton Freiburg und den Deutschfreiburgern abzubauen.
Reynolds Prestige blieb gross. 1955 bekam er den Grossen Preis der Schillerstiftung. Mehrere Male schlug ein Komitee den Freiburger Publizisten gar für den Nobelpreis für Literatur vor, ein letztes Mal im Jahr 1957; der Preis ging aber an den Franzosen Albert Camus. In den sechziger Jahren, nach Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils, machte Reynold ein letztes Mal von sich reden, und zwar als Westschweizer Wortführer der Bewegung «Una Voce», die sich weltweit für die Beibehaltung der lateinischen Messe starkmachte. Der Deutschschweizer Repräsentant der Bewegung war übrigens ein gewisser James Schwarzenbach, der zum Katholizismus konvertierte Abkömmling einer renommierten Zürcher Familie. Schwarzenbach sollte kurz darauf als Vater der ersten «Überfremdungsinitiative» schweizweit bekannt werden. Doch dies erlebte Reynold nicht mehr. Er verstarb im April 1970 in seiner Heimatstadt Freiburg.
Nachleben
Was ist von Reynold geblieben? In seinen letzten Lebensjahren und in den ersten Jahren nach seinem Tod wurde er von den 1968ern als «unheimlicher Patriot» und Vertreter einer «reaktionären Avantgarde» angesehen, wobei die Klügeren ihm immerhin zugutehielten, dass er nicht ins faschistische Fahrwasser geraten war. Eine kritische, aber differenzierte Dissertation des Luzerner Geschichtsprofessors Aram Mattioli machte diese Sicht einem breiteren Publikum bekannt.
Reynolds Prestige blieb gross. 1955 bekam er den Grossen Preis der Schillerstiftung.Seither meldeten sich aber auch Autoren zu Wort, die Reynold vor allem positiv sehen. Zu Beginn der 2000er Jahre würdigte der in Murten lebende Historiker Paul König seinen Lehrer Reynold als einen bedeutenden Theoretiker der europäischen Idee. Und in den letzten Jahren erwachte vor allem in der Westschweizer Neuen Rechten das Interesse an Reynold als politischem Denker.
Bedauerlicherweise aber hat der «politische» Reynold den Blick auf den Schriftsteller und den Literaturwissenschaftler weitgehend verstellt. Man sollte den Mann deswegen nicht bemitleiden, denn sein politischer Ehrgeiz und seine Freude an der Provokation sind dafür mitverantwortlich. Aber es wäre zu wünschen, dass sein dichterisches Werk und vor allem seine anregenden und elegant formulierten Bücher zur eidgenössischen Geschichte, die einst in vielen bürgerlichen Schweizer Stuben zu finden waren, wieder aus den Buchantiquariaten geholt werden.
Weiterführende Lektüre:
Als Einstieg ins Reynold-Werk bietet sich an: Freiburger Bilder, eine Auswahl aus seinen Werken, Deutschfreiburgische Arbeitsgemeinschaft 1966
Eine Kurzdarstellung seines Lebens findet man unter dem Eintrag «Gonzague de Reynold» im HLS (Historischen Lexikon der Schweiz)
Pflichtlektüre ist nach wie die kritische Gonzague-Darstellung des Luzerner Geschichtsprofessors Mattioli (Aram), Demokratie und totalitäre Diktatur. Gonzague de Reynold und die Tradition der autoritären Rechten in der Schweiz, Zürich 1994
Lesenswert ist nach wie vor auch die erste Gonzague-Biografie des Walliser Schriftstellers Maurice Zermatten, Gonzague de Reynold, Genf 1980
Ein positives Reynold-Bild in: König (Paul), Der europäische Gedanke, 2006
Zum Verhältnis zwischen Reynold und Bundesrat Etter lese man: Zaugg (Thomas), Bundesrat Philipp Etter (1891-1977), Eine politische Biografie, 2020
Gonzague de R. habe ich auch in meiner Liste zu lesender Bücher. Ein wohltuender Gegensatz zu unserer formlosen, geschichts- und traditionsabholden Zeit.
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