Im Jahr 2017 porträtierte das Schweizer Fernsehen einen Landwirt aus Appenzell Innerrhoden als Vorbild der Nachhaltigkeit. Seit zwanzig Jahren, lange vor Tesla und Co., fährt Toni Fritsche aus Schlatt ein elektrisch betriebenes Auto. Mehrere seiner Fahrzeuge und Geräte hat er in Eigenbauweise ebenfalls elektrifiziert. Den benötigten Strom produziert er mit einer Solaranlage. Beheizt wird der Hof mit Biogas aus Kuhmist. Grilliert wird auf einem ausgedienten Parabolspiegel – mit der Kraft der Sonne.

Rund fünf Minuten lang zeigte SRF Fritsche als leuchtendes Beispiel. Er erfüllt seit Jahren, wonach die ganze Welt ruft: klimafreundliche Nachhaltigkeit ohne fossile Energie. Zum Verhängnis wird ihm nun, dass er auch bei der Tierhaltung auf seinen eigenen Weg setzt. Die kantonalen Behörden haben gegen ihn ein Tierhalteverbot ausgesprochen.

Was macht Toni Fritsche falsch mit seinen Tieren? Ein Augenschein auf dem Hof gibt darauf keine Antwort. Fünf Kühe und drei Kälber grasen auf seinem grosszügig bemessenen Land. Sie wirken satt und zufrieden. «Sie sind gesund», sagt Fritsche, der seit bald vierzig Jahren Kühe hält. Das ergaben auch die Kontrollen der kantonalen Behörden. Gleichzeitig stellten sie fest, dass die Kühe einen zu tiefen Gehalt an Selen und Kupfer aufweisen. Jedenfalls nach den festgelegten Grenzwerten.

Für Fritsche hingegen ist es das Ergebnis von dem, was er eine «wildtierähnliche Haltung» nennt. Dazu gehört, dass die Kühe wann immer möglich an der frischen Luft sind, auch nachts. Er stellt klar: «Wenn das Wetter umschlägt, können sie in den Stall.» Damit könnten die Behörden leben. Was sie bemängeln: Den Tieren wird ausschliesslich Raufutter gegeben. Ihre Nahrung sind Gras, Heu und Stroh. Alles, was natürlich wächst.

 

Selenspritzen für die Tiere

Das ist zwar üblich, doch kommt in der konventionellen Haltung noch mehr dazu: Futtermais beispielsweise oder Kraftfutter, ein proteinreicher Getreidemix. Aber das belastet aus Fritsches Sicht die Kühe. Deshalb verzichtet er auf solche Zugaben. Er hält sich stattdessen an altes Wissen. «Mein Grossvater besass kein einziges Säckchen Mineralstoff», sagt er schulterzuckend, «warum sollte das heute nötig sein?» Stattdessen mischt der Landwirt beispielsweise heruntergeschnittenes Laub ins Futter und stellt fest: Die Kühe mögen es und gedeihen prächtig. Sie brachten auch stets gesunde Kälber zur Welt. Jedenfalls bis angeordnet wurde, er müsse seinen Tieren Selen und Kupfer spritzen, um die verordneten Grenzwerte zu erreichen. Danach, so Fritsche, habe er erstmals die Geburt von nicht lebensfähigem Nachwuchs erlebt.

Seit 1995 produziert der Appenzeller biologisch. Zu keinem Zeitpunkt setzte er auf Leistung. Seine Kühe würden aufgrund ihrer Haltung vielleicht einen Drittel so viel Milch geben wie andere. «Ich habe vor allem Grasland, ich hätte auch Platz für viel mehr Kühe», sagt Toni Fritsche, «aber ich habe mich selbst entschieden zu reduzieren.» Ihm gehe es nicht um einen möglichst hohen Ertrag. Den Tieren müsse es gutgehen, sie sollen gesund bleiben.

Das Tierhalteverbot ist für den Innerrhoder eine existenzielle Bedrohung. Noch trennen ihn rund zwei Jahre von der Pensionierung. Es gehe ihm aber nicht um sein Schicksal, sondern um grundsätzliche Fragen. Fritsche ist überzeugt, dass die moderne Tierhaltung der falsche Weg ist. «Die Tiere werden vermenschlicht, der Mechanismus der Natur wird zerstört.»

Doch Ende Jahr ist mit der Tierhaltung Schluss. Vom Vorzeige-Landwirt bis zum behördlich verordneten Tierhalteverbot: Es ist ein kurzer Weg.