Immer wieder fahren deutsche Politiker in die Welt ­hinaus, um sich zu informieren: wie der öffentliche Nahverkehr in Japan funk­tioniert, wie der soziale Wohnungsbau in Brasilien gefördert wird und wie es den ethnischen Minderheiten im ehemaligen Jugoslawien geht. Zurück in der Heimat, geben sie ­ihre Erkenntnisse zum Besten und präsentieren sich als Experten auf dem jeweiligen Gebiet.

Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, zum Beispiel gilt als Fachfrau für die Türkei. Sie mache «seit zwanzig Jahren Türkei-Politik», bekannte sie vor fünf Jahren in einem ­Interview mit Spiegel-TV. Die Türkei sei für sie «zweite Heimat», sie liebe «die Menschen in der ­Türkei», sie selbst könne «gute Börek machen». Und: «Die Türkei ist meine Freundin.»

Jetzt hat Roth ihre Freundin besucht, um sich die Proteste gegen die Politik der Regierung Erdogan aus der Nähe anzusehen. Leider hat das deutsche Auswärtige Amt es versäumt, die Türken darüber zu informieren, dass eine wichtige deutsche Politikerin in ihr Land kommt, weswegen sowohl die Proteste gegen die Regierung wie die Polizeiaktionen gegen die Demonstranten einfach weitergingen. Und so geriet Roth zwischen die Fronten und musste ärztlich behandelt werden, nachdem sie eine Ladung Tränengas abbekommen hatte. Es traf sie ganz unerwartet, berichtete sie anschlies­send in einem Interview mit Zeit online, denn sie war nur auf dem Weg zu einem Konzert, und «da herrschte eine friedliche, fröhliche Abendstimmung, ein bisschen wie auf einem Festival», bis die Polizei dem fröhlichen Treiben ein Ende machte und mit Gasgranaten in die Menge schoss. Jemand habe ihr eine Gasmaske angeboten, was sie dankend ablehnte: «Ich habe ein Taschentuch, das reicht doch.» Gleich darauf sei ihr klar geworden, «was für eine Fehleinschätzung!» das gewesen sei.

Nicht die erste und die einzige, die der ­Türkei-Expertin, die seit inzwischen 25 Jahren Türkei-Politik «macht», unterlaufen ist. Und ganz gewiss nicht die letzte. Jetzt will Frau Roth «Unterstützung für diese neuen zivil­gesellschaftlichen Akteure . . . organisieren», über «den PEN-Club und die Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und der Türkei». Nun wird’s eng für Erdogan.