E s ist eine erschreckende Zahl. 33 Prozent der jungen deutschen Männer finden es akzeptabel, wenn im Streit mit der Partnerin gelegentlich Gewalt angewendet wird. Das hat eine bundesweit repräsentative Befragung der Hilfsorganisation Plan International ergeben. Die Reaktionen überschlugen sich, Politiker wurden zum unverzüglichen Handeln aufgefordert. Experten melden aber erhebliche Zweifel an den Ergebnissen an.

Damit kein Missverständnis besteht: Gewalt ist nie akzeptabel, häusliche Gewalt ist ein Problem, das man dringend anpacken muss. Bei der Umfrage mit dem Titel «Spannungsfeld Männlichkeit» wurden tausend Männer und tausend Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren per Online-Umfrage befragt. Sie erhielten dafür eine Vergütung.

Im Interview mit der NZZ bemängelt Ulrich Kohler, Professor für empirische Sozialforschung, die Methodik zur Auswahl der Teilnehmer. Alle waren bei dem Umfragepanel registrierte Nutzer, sie seien darum von Anfang an nicht zufällig, sondern nach einem «Selbstselektionsprozess» ausgewählt worden, daher bestehe ein hohes Risiko der Verzerrung bezüglich der Repräsentativität. Für wichtige Umfrageergebnisse müssten die höchsten Massstäbe gelten: «Das ist hier sicher nicht der Fall gewesen.» Als Video-Creator werde ich selbst häufig für Umfragen angefragt, bin aber – wie die meisten Menschen – bei keinem Panel registriert. Stellen Personen, die an Umfragen teilnehmen, dafür Geld bekommen und die zudem registrierte Nutzer sind, wirklich einen typischen Querschnitt der Bevölkerung dar?

In der FAZ schreibt Michael Hanfeld, bei der Sortierung seien «soziale, familiäre und religiöse» Hintergründe nicht berücksichtigt worden. Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, erklärt in diesem Artikel, dass es den Machern angesichts der Fragestellung, die unzulässige Suggestivstimuli enthalte, offenbar nicht darum gehe, «objektive Informationen über die bundesdeutsche Realität zu erlangen», sondern darum, ein «gewaltdominiertes Rollenbild der ‹Männlichkeit› zu konstruieren, um so Druck auf die öffentliche Meinung und die Politik ausüben zu können». Es gibt aber auch Kritik an dieser Kritik: Viele finden es grenzwertig, die Ergebnisse überhaupt anzuzweifeln; es sei auch schade, dass nun die Methodik ins Licht gerückt werde statt der Ergebnisse.

Was mir aufgefallen ist: In der Einleitung kann man lesen, dass das erklärte Ziel von Plan International eine «nachhaltige Veränderung der Gesellschaft nach einem gendertransformativen Ansatz» ist. Die Studie verlässt also schon vor der Umsetzung die Wissenschaft und betritt politisches Terrain. Kann man eine Befragung so überhaupt völlig neutral und ergebnisoffen durchführen?

Interessant ist auch, dass zwischen «biologischem Geschlecht» und «Gender» unterschieden wird, mit dem Hinweis, dass sich die Studie «ausschliesslich mit den sozialen Aspekten von Männlichkeit» befasse. Dass Dinge wie Risikobereitschaft, Aggression und Konkurrenzgeist soziale und nicht biologische Aspekte von Männlichkeit sein sollen, ist wissenschaftlich alles andere als belegt. Dass das als Prämisse einfach angenommen wird, lässt alle aus der Umfrage gezogenen Schlüsse in einem anderen Licht erscheinen. Weiter erfahren wir, dass «72 Prozent der Frauen nicht der Ansicht sind, dass die Aufgabe des Mannes darin besteht, für die Finanzen der Familie zu sorgen». Dieses Ergebnis erstaunt in Anbetracht vieler anderer Studien, die das Gegenteil besagen, nämlich, dass die meisten Frauen einen Partner bevorzugen der, sobald sie Mutter sind, als Haupternährer der Familie fungiert, damit sie sich um den Nachwuchs kümmern können.

Bei der Problemlösung wird etwas schwammig impliziert: Männer müssen sich «modernisieren». Das hiesse ja, mehr so wie die Frauen werden, also weiblicher. Ich glaube nicht, dass das geschehen wird – und falls doch, zweifle ich, ob das für die Gesellschaft etwas Positives ist. Symbiotische Systeme ergeben sich durch Komplementarität, nicht durch Gleichheit. Ein System funktioniert, wenn sich dessen Bestandteile ergänzen. Wenn alle Teile gleich sind, ist es einfach eine Redundanz der Teile, und redundante Dinge pflegen in der Natur unterzugehen.

Egal, ob die Befragten repräsentativ sind oder nicht, es seien dennoch 300 Leute, die Gewalt okay finden, sagen so manche. Ja, wenn auch nur eine Person ankreuzt, es sei in Ordnung, die Partnerin gelegentlich zu schlagen, ist das eine zu viel. Aber daraus kann man nicht folgern, dass das mehr als ein Drittel der jungen Männer tut. Indem man es als repräsentativ darstellt, deutet man an, dass in unserer Gesellschaft gewaltdominierte Männlichkeit vorherrscht. Und bringt damit viele Männer pauschal in Misskredit.