Es geschah in jenem Jahr, als ich Demi Moore würdigen wollte – ohne die übliche Herablassung einer männlich dominierten Kulturkritik, die sich gerade mal wieder empörte, dass die «schlechteste Schauspielerin der Gegenwart» (New York Times) nicht einfach in der Versenkung verschwand, sondern Geld scheffelte. Ich gebe es offen zu: Über solche Frauen zu schreiben, turnt mich an. Das traf schon auf Madonna und die beiden Hollywoodblondinen Sharon Stone und Pamela Anderson zu, die damals berühmtesten Protagonistinnen einer leiblichen Mobilmachung für eine höhere Sache: Profit. Vielleicht hatte ich diese seltsame Lust, Frauen in inszenierten Interviews starkzuschreiben, meiner feministischen Selbsterziehung zu verdanken. Keine Ahnung. Doch war dieser Instinkt im Fall der schwarzhaarigen Demi Moore wirklich sinnvoll?

Es war das Jahr 1997. Schauplatz: «Four Seasons»-Hotel, Beverly Hills. Pressetermin zum Film «GI Jane». Demi Moore, 34, gehörte mit einer Gage von über zehn Millionen Dollar pro Film zu den bestbezahlten Hollywoodstars der Geschichte – was ihr den Spitznamen «Gimme Moore» («Gib mir mehr») einbrachte. Sieben Journalisten und eine Journalistin sassen an einem langen Tisch in einer Hotelsuite. Als die kurzhaarige Demi Moore in Begleitung einer PR-Beraterin den Raum betrat, drückte sie eine glitzernde Wasserflasche krampfhaft an ihre Brust – wie ein Baby. Noch waren wir am Anfang der Designerflaschen-Verliebtheit, einer Mode, die sich bald über die ganze Welt ausbreiten sollte.

Nie nur weiblich oder sexy

Demi Moore nahm einen Schluck Wasser aus der pink glitzernden Flasche, die an einem goldenen Band um ihren Hals hing, hustete kurz und sagte dann trocken: «Guys! Immer schön ausreichend hydrieren!» Und ich stellte mir sofort vor, wie sich jetzt das heilige Wasser der Marke Crystal Geyser in diesem perfekt durchtrainierten Körper ausbreitete. Demi Moore hatte damals den Begriff «Body» für alle Frauen der Welt neu definiert: ein Körper, geformt aus Ehrgeiz und Marketing.

Zur Erinnerung: 1991 hatte sie sich hochschwanger und nackt für das Magazin Vanity Fair ablichten lassen, was ihr nicht nur Lob, aber mindestens eine Million Dollar einbrachte. Auf ihre Rolle in «GI Jane» hatte sie sich mit täglich zwölfstündigem Krafttraining vorbereitet: Joggen, Seilklettern und Liegestützen (mit einer Hand). Ihr wurde der Schädel kahlrasiert. Sie wollte im Film die erste Frau werden, die das Navy-Seal-Training abschliesst.

Wie damals üblich, herrschte in der Interviewsuite ein Geschlechterungleichgewicht. Das Gelächter war darum gross, als sich Demi Moore plötzlich breitbeinig auf einen Stuhl setzte und mit militärischer Strenge das Startzeichen zum Interview gab: «Come on guys, now give it to me!» Für einen kurzen Augenblick dachte ich, der Star hätte gerade zum «Gruppensex mit Demi» eingeladen. Alle lachten. Das war lange vor oMeToo.

Demi saugte wieder Wasser in ihr Körperinneres, während eine PR-Assistentin die Regeln durchgab. «Jeder kann fünf Fragen stellen. Aber Mrs Moore wird nichts zu ihrer Ehe mit Bruce Willis oder ihren Spenden für die Republikanische Partei sagen, kapiert?» Die Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Der Mensch hinter dem Star ist eh nie zu haben, zumindest nicht für die Allgemeinheit. Egal.

Ich hatte ihren Körper bereits von oben bis unten gescannt. Moore trug ein enganliegendes Kabbala-Yoga-Dress: Leggings, womöglich antibakteriell, antistatisch und atmungsaktiv, mit einem schwarzen, vorne geöffneten Hoodie, der ein schwarzes Sport-Top und nackte, leicht verschwitzte Haut offenbarte – als ob sie während des Interviewmarathons, der an diesem Tag neun Stunden dauern sollte, ihren hardbody zwischendurch von einem Personal Trainer schleifen lassen würde.

Schliesslich stiess der Frauentyp «Demi Moore» damals in eine neue Dimension vor: Sie war zur Ikone des scharf kalkulierenden, weiblichen Hollywoodstars mutiert, die in einem frauenfeindlichen Mainstream-Kino auf gleichen Lohn pochte. Und während sich jetzt vor mir eine weitere Interview-Farce abspielte, erahnte ich bereits die Bedeutung des Starkörpers Demi Moore. Sie wirkte auf viele Zielgruppen: Männer wie Frauen, aber ganz besonders auf die LGBTQ-Community, die damals noch nicht so hiess.

Es lohnt sich, einen Körper zu haben! Der lässt sich verändern, veredeln, umwandeln.

Moore modellierte nämlich nicht nur ihre Bauchmuskeln, sondern auch ein Konzept, das man in der bedrohlich aufziehenden Computerisierung der Lebenswelt schon fast verlorengegangen glaubte: Es lohnt sich, einen Körper zu haben! Der lässt sich verändern, veredeln, umwandeln – aber eben auch eintauschen gegen Geld, Ruhm und Aufmerksamkeit. Noch gab es keine Selfie-Kultur, keinen Insta- und Tiktok-Kosmos. Aber Demi Moore etablierte damals gerade die Blaupause für das mächtigste Rollenmodell der kommenden Gegenkultur: die Influencerin.

Obwohl sie sich bereits im Film «Striptease» die höchste Gage auszahlen liess, die jemals für eine Schauspielerin ausgehandelt wurde – zehn Millionen Dollar für ein paar Nacktszenen mit Burt Reynolds –, kam doch erst mit der Rolle der Militäranalystin, die unbedingt zur kämpfenden Truppe will, ihr einzigartiger Mehrwert zustande. In «GI Jane» kann nämlich eine immer jugendversessenere Welt Demi Moore dabei zuschauen, wie sie im Training im feucht schimmernden T-Shirt durch den Dreck robbt.

Wahre Kraft der Familienliebe

Ihr Körper ist dabei nie nur weiblich oder sexy, sondern eine Chiffre für die unterschiedlichen Möglichkeiten von Gestaltung, und das heisst eben immer auch: Verwertung. Demi Moore und ihr damaliger Ehepartner, Bruce Willis, galten als das ultimative power couple. Demi unfassbar diszipliniert und geschäftstüchtig. Bruce unfassbar undiszipliniert und trotzdem erfolgreich. Sie hatten drei Töchter. Und sie trennten sich irgendwann. Noch konnten wir nicht ahnen, welche Abgründe Demi Moore offenbaren würde.

Frühjahr 2022. Ich schaue mir das Leben von Demi Moore erstmals auf Instagram an. Wen inszenierte Nähe zu Stars glücklich macht, der kommt hier voll auf seine Kosten. Hier gibt sie in einer herzzerreissenden Videobotschaft bekannt, dass sie in das Haus von ihrem Ex Bruce und dessen Frau Emma Heming-Willis in Brentwood einziehen will. Bruce Willis, 68, wurde mit Demenz diagnostiziert. Er wird nie mehr in einem Hollywoodfilm spielen. Demi Moore sagt, sie sei fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass jeder Tag, den ihr Ex-Mann noch lebe, voller Liebe sei. Sie glaube heute an die Wunder der perfekten Familienidylle.

Auf unzähligen Videos und Fotos, die Demi Moore seither gepostet hat, erkennen wir eine Frau, die scheinbar unschuldig mit ihrem Handy Bilder und Filmchen ihrer Promi-Wirklichkeit schiesst. Dabei sind ihre Postings durchwölkt von unfreiwilligen Reminiszenzen. Zum Beispiel klammert sie sich auf Bildern gerne an einen winzigen Schosshund namens Pilaf. Cuteness als ultimatives Lebensglück! Es ist dabei fast unmöglich, nicht an Moores Ehe mit dem sechzehn Jahre jüngeren Ashton Kutcher zu denken. Und an die Eskapaden, mit denen sie nach der Trennung von Kutcher von sich reden machte. Aber auch an das Kind alkoholkranker Eltern; Moore, die seit ihrem glänzenden Debüt im Filmdrama «St. Elmo’s Fire» (1985) mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte und bereits als Twen Klinikaufenthalte und Therapien absolvierte.

Immer wieder taucht das Niedliche als ästhetische Kategorie in ihren Postings auf. Im Badezimmer erkennen wir im Hintergrund das berühmteste Kätzchen der Konsumkultur, «Hello Kitty». Ich muss dann daran denken, dass Demi Moore ein Baby von Ashton Kutcher verlor, etwa sechs Monate nach Beginn der Schwangerschaft. Sie hatte wieder angefangen zu trinken und gab sich die Schuld für den Verlust. (Moore und Kutcher liessen sich 2013 scheiden.)

Irgendwie wurde es danach noch schlimmer. Während einer Party mit ihrer Tochter Rumer erlitt Moore einen Anfall, nachdem sie synthetisches Cannabis geraucht und Lachgas eingeatmet hatte. Ihr hedonistisches Verhalten entfremdete die drei Töchter, sie mieden ihre Mutter für einige Jahre. Demi fand unter anderem Trost bei einem Schweizer, dem Starkoch Daniel Humm. Bis sie feststellte, dass der nicht ihren Statusansprüchen entspricht. Sie denkt in anderen Kategorien. Schliesslich ist Demi Moore bis heute eine exzellente Geschäftsfrau geblieben. Ihr Vermögen wird auf über 200 Millionen Dollar geschätzt.

Früher als andere Stars in Hollywood hatte sie auch das Internet als Zukunftsmarkt entdeckt. Bei Twitter versammelt sie heute über eine Million Follower. Dort bietet sie Meinungen zu allen wichtigen Themen der Welt an: von Body-Shaming und Rassismus über Homophobie bis zu Klimawandel oder Artensterben. Natürlich offenbarte sie dort auch ihre «neu entflammte Liebe zu Bruce», «die Liebe zu meinen unfassbar coolen Töchtern» und «die Liebe zu meiner grossen Freundin, Emma Heming-Willis».

Seit Bruce Willis’ Demenzdiagnose scheinen alle im Kosmos Demi Moore die wahre Kraft der Familienliebe wiederentdeckt zu haben. Höhepunkt: Vor einer Weile bot sie Einblick in die Feierlichkeiten zum 68. Geburtstag von Bruce. Ihre Postings zeigen eine fröhlich funktionierende Patchworkfamilie, die für den pensionierten Schauspieler «Happy Birthday» singt.

Tage später äusserte sich Tochter Rumer, 34, zur Situation im Haus Willis/Moore. Das klingt dann so: «Wir wachsen ja mit dem Gedanken auf, dass unsere Eltern diese unverrückbaren Götter des Olymps sind. Je älter wir werden, merken wir jedoch, wie sehr sie auch einfach nur Menschen sind. Verletzliche Menschen. Das ist alles.»