Es klang alles so fantastisch. Eine kostengünstige Nahrungsquelle, die Vitamin A liefert und so rund um den Globus unzählige Kinder vor schweren Einschränkungen oder gar dem Tod rettet: Was will man mehr?

Schaffen sollte dieses Wunder der sogenannte Golden Rice. Reis, der mit Betacarotin versetzt wird und seinen Namen der gelborangen Farbe verdankt. Der menschliche Körper kann das Pigment Betacarotin in Vitamin A umwandeln. Der Mangel an diesem führt laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr bei rund einer halben Million Kindern zur Erblindung. Etwa jedes zweite betroffene Kind stirbt innerhalb der folgenden zwölf Monate. Unicef geht sogar davon aus, dass der Mangel an Vitamin A für bis zu zwei Millionen Todesopfer jährlich verantwortlich ist.

Die Idee, ein Grundnahrungsmittel mit Vitamin A zu versetzen, war die Grundlage für die Arbeit am Golden Rice. Zu verdanken war der Durchbruch einer internationalen Zusammenarbeit unter Forschern. Die Federführung lag bei der ETH Zürich mit Professor Ingo -Potrykus und der Universität Freiburg (Deutschland). Es war zudem ein Schulbuchbeispiel dafür, wie eine Kooperation aus Wissenschaft und Wirtschaft Früchte tragen kann. Mehrere Unternehmen stellten im Entwicklungsverfahren patentierte Verfahren zum Nulltarif zur -Verfügung. 

Die Vitaminbombe in Reisform gibt es schon seit rund zwanzig Jahren. Ihre Wirksamkeit ist unbestritten. In Ländern, wo ein oder zwei Schalen Reis oft die gesamte Tagesversorgung sind, liefert Golden Rice die dringend benötigte Zufuhr an Vitamin A. Dennoch kämpfte das Produkt, das eigentlich ein Selbstläufer sein müsste, von Anfang an um Anerkennung. Denn was so logisch wie wirkungsvoll klingt, hat eine wesentliche Schwachstelle: Der Prozess vom konventionellen zum goldenen Reis lässt sich nur mit Gentechnologie umsetzen. 

Deshalb rückte er schon bald ins Visier der Gentech-Gegner, allen voran Greenpeace. Die Umweltorganisation führt einen erbitterten Krieg gegen den goldenen Reis. Der Druck wirkt, und seither herrscht ein globaler Wildwuchs. In einzelnen Ländern wie Australien, Neuseeland, USA und Kanada ist der Golden Rice als Nahrungsmittel zwar zugelassen, der Anbau aber noch nicht. Auf den Philippinen durfte er seit 2021 unbeschränkt kommerziell angebaut werden. Im vergangenen April -folgte aber die Kehrtwende: Der Vitaminlieferant kann nicht mehr angepflanzt werden. 

 

Zwischenstation einer Hexenjagd

Grundlage für das Verbot war das sogenannte Vorsorgeprinzip. Es besagt, dass Risiken im Bereich Umwelt und Gesundheit grundsätzlich verhindert werden sollen. Erlaubt ist nur, was nachweislich für alle Ewigkeit keine schädlichen Auswirkungen hat. Die Verfechter des goldenen Reises müssten also ihre Unschuld beweisen – obschon es keine Hinweise auf eine Schuld beziehungsweise negative Folgen des Konsums gibt.

Es ist die Zwischenstation einer regelrechten Hexenjagd. Seit Jahren führt Greenpeace jedes erdenkliche Argument gegen den Gentech-Reis ins Feld. Zunächst hiess es, er werde aufgrund seiner Farbe in vielen Kulturen nicht -akzeptiert. Dann kam die Behauptung, er werde traditionelle Reissorten «verunreinigen». Ein -weiteres Argument: Mangelernährung sei ein generelles Problem in vielen Regionen der Welt, und der goldene Reis behebe dieses nicht. Er verleite sogar zu «einer noch einseitigeren Ernährungsweise», so Greenpeace. Dazu -kommen Einwände wie der, dass man den Golden Rice richtig lagern und kochen müsse, damit sich das Betacarotin nicht abbaue. 

Das Problem der Kritiker: Die Zufuhr von lebenswichtigem Vitamin A durch Golden Rice können sie nicht ernsthaft dementieren. Stattdessen führen sie unablässig alternative Lösungswege auf. Der Verein Schweizer Allianz Gentechfrei listet sie auf: Ernährung mit Muttermilch, Anbau von regionalem Gemüse, Fischhaltung in Reisfeldern, Verteilung von Vitamin-A-Präparaten. Das alles wäre schon längst möglich, scheint sich aber nicht ausreichend durchgesetzt zu haben. Ansonsten wären Erblindung und Tod durch Vitamin A längst Vergangenheit.

 

«Zeichen von Armut»

Vor allem bei Greenpeace ist offensichtlich, dass es mehr um die Durchsetzung politischer Ziele als um die Bekämpfung der Kindersterblichkeit geht. Gentechnik helfe nicht gegen -Mangel- und Unterernährung, heisst es dort. Diese seien «ein Zeichen von Armut», und gegen diese helfe nur der «politische Willen, das Problem ernsthaft zu lösen und die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen». Mit diesem Argument wird ein erwiesen wirksamer Vitamin-A-Lieferant verhindert und gleichzeitig zu einem Ausbau der Entwicklungshilfe -aufgerufen.

Damit steht Greenpeace auch der -lokalen Wirtschaft im Weg. Bauern vor Ort -können ihren eigenen Reis mit dem Golden Rice -kreuzen, kultivieren und verkaufen. Das -Saatgut dafür erhalten Kleinbauern kostenlos. Doch den Umweltaktivisten war wohl auch die Beteiligung von Konzernen wie Syngenta ein Dorn im Auge. Sie behaupteten, die Landwirtschaft in armen Ländern werde damit von -diesen -abhängig. 

2016 unterzeichneten rund 150 Nobelpreisträger eine Erklärung, in der Greenpeace aufgefordert wurde, den Widerstand gegen Golden Rice einzustellen. Denn allen gutgemeinten Tipps der Gegner von Gentechnologie zum Trotz blieb der Vitamin-A-Mangel ein globales Problem – und ist es bis heute.

Besonders bizarre Züge nahm die Gegenkampagne in Corona-Zeiten an. Greenpeace und andere Organisationen kritisierten, der gentechnisch veränderte Reis schade lokalen Bauern zusätzlich in einer Zeit, in der sie ohnehin unter Druck stünden. Allerdings ist nachgewiesen, dass Vitamin A massgeblich zur Entwicklung eines funktionierenden Immunsystems beiträgt. Genau das, was während der Sars-CoV-2-Epidemie als wichtig eingestuft wurde. Auch die Tatsache, dass dank Gentechnologie weit weniger Pestizide eingesetzt werden müssen zum Vorteil der Umwelt, -spielte mit einem Mal keine Rolle mehr.

 

Wertvolle Zeit vertan

Der Widerruf der Zulassung auf den Philippinen ist ein schwerer Rückschlag für den Golden Rice. 2021 waren dessen Verfechter überzeugt, die Zulassung beweise die Unbedenklichkeit des Produkts. Schon damals war allerdings klar, dass Jahre vergehen, bis der Reis so breit verfügbar ist, dass er im täglichen Ernährungsprogramm der Allgemeinheit landet. Nun ist dieses Ziel erst recht in weite Ferne gerückt.

Der Ist-Zustand kann niemanden befriedigen. Hier die Forscher, die aufgrund unbewiesener Bedenken mit ihrer Entwicklung nicht durchdringen. Dort Greenpeace und andere Umweltorganisationen, die den Golden Rice bekämpfen und Alternativen propagieren, die schlicht nicht verfügbar sind beziehungsweise den Weg in die betroffenen Länder nicht finden. 

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Gentechnologie, ein Verbund von Gentech-Gegnern, schrieb schon vor zehn Jahren, der Golden Rice habe «entgegen den Prognosen keine schnellen Lösungen» gebracht. Demgegenüber hätten sich andere Vitamin-A-Programme «in der Praxis bewährt». Da bleibt die Frage, warum sich dieser angebliche Erfolg der Alternativen nicht in den Sterbezahlen widerspiegelt. Und weshalb es des Teufels sein soll, wenn ein anderer Lieferant des wichtigen Vitamins ebenfalls zum Kampf gegen den Tod beiträgt.

Was als Lebensretter gedacht war, wird zum Opfer von politischen Machtspielen. Der deutsche Agrarwissenschaftler Matin Quaim befürchtet, dass Tausende von Kindern unnötigerweise sterben werden, weil ihnen der Zugang zu einer Vitamin-A-Quelle verwehrt bleibt. Und das, obschon der goldene Reis nie kommerzielle Ziele hatte. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Verbot in den Philippinen früher oder später wieder fällt. Bis dann vergeht allerdings kostbare Zeit.