Scheinbar genügt es nicht mehr, regierungskritische Autoren, Professoren oder Blogger in rechte Ecken zu stellen, sie persönlich zu diskreditieren oder ihre Existenzgrundlage anzugreifen. Immer öfter muss das «schärfste Schwert» des Staates, das Strafrecht, herhalten, und das heisst nicht selten: Wohnungsdurchsuchungen, Ermittlungsverfahren, Prozesse, Schikanen. Hauptsache, man hält die Kritiker etwas beschäftigt. Ein Staat, dem die Legitimation selbst wegschmilzt wie Eis in der Sonne, greift zum Verfolgungswahn aus Verzweiflung. Mit dem Justizapparat gegen Systemkritiker: Das ist das Mittel der Wahl für Autokraten und Diktatoren, um diese zum Schweigen zu bringen.

An Beispielen mangelt es nicht. Der Prozess gegen Professor Bhakdi wegen Volksverhetzung geht (nach Freispruch in erster Instanz) nun doch in eine nächste Runde. Querdenken-Gründer Michael Ballweg sass neun Monate in Untersuchungshaft, bis die Anklage fallengelassen wurde. Der Publizist Paul Brandenburg erlebte eine brutale Hausdurchsuchung. Der in Berlin ansässige amerikanische Autor C. J. Hopkins, der ein Buch über das «neue normale Reich» (gemeint ist Deutschland) geschrieben hat, bekam wegen des Buch-Covers Post von der Staatsanwaltschaft. Dort ist u. a. ein Hakenkreuz abgebildet, wie auf vielen anderen Büchern auch.

Kritik an totalitären Massnahmen wird mit totalitären Mitteln bekämpft. Eifrige Blogger und Twitterer stehen inzwischen für Petitessen mit einem Bein im Gefängnis. Kritik an Regenbogenflaggen an Polizeistationen und öffentlichen Gebäuden genügt schon, um eine Anzeige wegen «Volksverhetzung» zu kassieren, wie es kürzlich Julian Reichelt und Journalistenkollegen des Portals Nius.de passierte. Die Anzeigen schreibt jetzt der Queer-Beauftragte der Berliner Regierung, damit die heilige Doxa der Queerness durch Kritik ja keinen Schaden nimmt. Auf «Volksverhetzung» stehen bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug. Das ist alles nicht mehr lustig.

«Politische Justiz» ist ein selten hässliches Wort, und bildlich vorgestellt, ist es ein hinkender Zentaur. Wenn Politik für das Parteiische steht und Justiz für das Unparteiische, kann nur ein Monster entstehen. Doch in Deutschland ist es leicht, die Justiz politisch zu instrumentalisieren. Die Anklageerhebung erfolgt durch Staatsanwälte, die weisungsgebundene Beamte sind und den Justizministern unterstehen. So lässt sich die Augenbinde der Justitia relativ leicht mal auf das rechte Auge (so in der Weimarer Republik) oder auf das linke Auge (das passiert aktuell) verschieben. Klimakleber werden verschont, Corona-Kritiker werden gejagt.

«Reverses Trolling»

Strafverfolgung ist kein juristischer Automatismus, sondern eben auch eine Frage des politischen Verfolgungseifers. Doch damit verschwimmt irgendwann die Grenze zwischen Rechtsstaat und totalitärer Tugendrepublik. Die strafrechtliche Verfolgung Andersdenkender ist zudem politisch einfältig und eine klassische Verzweiflungstat: Der sogenannte «Streisand-Effekt» sorgt für eine hohe Aufmerksamkeit und Solidarität mit den Betroffenen. Am Ende desavouiert sich der Rechtsstaat so selbst und untergräbt noch das Vertrauen derer, die bisher nicht staatskritisch waren. Eine offensichtlich parteiische Justiz nimmt niemand mehr ernst. Ein Schuss ins Knie mit Ansage.

Man kann die Eskalationsstufen gegen Kritiker inzwischen leicht nachzeichnen. Erst erfolgt die Verbannung aus der Debatte. Selbst Nobelpreisträger (Kary Mullis, Luc Montagnier) wurden während der Pandemie zu sonderlichen Aussätzigen erklärt. Dann geht es gegen den Ruf der Person, besonders beliebt ist das Etikett «Antisemit», siehe den Fall Sucharit Bhakdi. Nach der Rufzerstörung geht es an den Entzug des Arbeitsplatzes und die Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz, siehe Ulrike Guérot. Das Strafrecht soll schliesslich den Sack zumachen und den Kritiker zum Verbrecher machen. Was kommt als Nächstes: Nacht-und-Nebel-Aktionen? Sippenhaft? Geheimgefängnisse? Julian Assange sitzt seit Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in London für die Veröffentlichung von unangenehmen Wahrheiten. Die Exempel sind statuiert. Die Tendenzen sind überdeutlich. Wer die Zeichen der Zeit nicht lesen will, muss sie wohl erst am eigenen Leib spüren, um sie zu verstehen.

Immer wieder ist es der Paragraf 130 StGB («Volksverhetzung»), der gegen Kritiker in Stellung gebracht wird. Die Vorschrift schützt bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten vor beleidigender Hetze, die in Gewalt umschlagen kann. Wer sich noch an die massiv ausgrenzende Impfnötigung erinnern kann, flankiert von Beleidigungen gegen Ungeimpfte, der weiss spätestens jetzt: Volksverhetzung kann man auch anders verstehen, nämlich im politischen Sinne. Staat und Medien betreiben bei zahlreichen Themen ihr eigenes Volksverhetzungsbusiness, egal, ob es gegen alte weisse Männer, Pazifisten, Anthroposophen, Klimakritiker, Transkritiker oder Corona-Kritiker geht.

Staat und Medien betreiben bei zahlreichen Themen ihr eigenes Volksverhetzungsbusiness.Ich nenne das «reverses Trolling». Man provoziert Kritik, um sie dann umso stärker zu bekämpfen. Die Justiz wird missbraucht, um Stempel aufzudrücken; sie wird zum Wurmfortsatz einer medialen Hinrichtungsmaschinerie. Nur zu!, will man den willfährigen Staatsanwälten zurufen. Leistet euren Bärendienst für die Demokratie gerne schnell ab, mit dem Judaslohn in der Tasche. Je eher die Welt das hässliche Gesicht des Diktatorischen hinter der woken Gutmenschenfassade sieht, desto besser.

Muster in seltsam kruder Zeit

Das Verbot der Volksverhetzung schützt unter anderem den «öffentlichen Frieden». Allein was darunter zu verstehen ist, weiss selbst in der Rechtswissenschaft niemand genau. Die Vorschrift selbst hat bereits ein Legitimationsproblem, weshalb immer wieder auch die Abschaffung der Norm gefordert wird. Aus der preussischen Historie der Vorschrift lässt sich ablesen, dass damit auch eine Art Erwartung des Bürgers in den Staat erfüllt werden soll, dass dieser sich zur Wehr setzt und so das Gefühl von Sicherheit und Identifikation vermittelt. Das ist Vagheit von der Sorte, dass dahinter ein «Nichts» steht, denn um Rechtssicherheit geht es im Recht überall. Der Volksverhetzungsparagraf ist leicht als Staatsschutzdelikt im Mantel des Minderheitenschutzes zu missbrauchen. Das ideale Einfallstor, um gegen Kritiker und Dissidenten vorzugehen. Die angeblichen Schützer des Meinungsklimas vergiften es zuerst selbst, um sich am Ende als Klimaschützer zu präsentieren.

Kommt Ihnen bekannt vor?

Das scheint irgendwie so ein Muster zu sein in dieser seltsam kruden Zeit.

Milosz Matuschek ist Jurist und Herausgeber von www.freischwebende-intelligenz.org. Zuletzt veröffentlichte er den Spiegel-Bestseller «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» (Fifty-Fifty, 2022).