Mit 59 Prozent Ja-Stimmen hat die Schweizer Bevölkerung am 18. Juni 2023 das Klima- und Innovationsgesetz gutgeheissen. Es verlangt, dass alle Unternehmen bis 2050 netto null Emissionen erreichen. Wie sieht der ideale Fahrplan dahin aus?

Ein bewährtes Werkzeug ist die sogenannte Vermeidungskostenkurve. Damit können Unternehmen herausfinden, in welcher Reihenfolge sie Klimaschutzmassnahmen kosteneffizient umsetzen können. Die Kurve bietet eine klare Übersicht über Massnahmen und deren Kosten-Nutzen-Verhältnis. Auf der x-Achse wird die Menge der vermeidbaren Emissionen dargestellt, die y-Achse zeigt die Kosten pro Tonne eingespartem CO2. Jeder Balken repräsentiert eine konkrete Massnahme zur Emissionsreduktion, sortiert nach Kosten.

Um diese Kurve zu erstellen, sind Emissionsreduktionsmassnahmen bezüglich Machbarkeit, Kosten und Reduktionspotenzial zu bewerten. Daraus ergibt sich für jede Firma eine eigene Kostenkurve. Auf Basis dieser Kurve lassen sich drei Prioritäten unterscheiden.

Massnahmen mit negativen Kosten: Diese führen zu Einsparungen, etwa Aufdach-Solaranlagen oder andere bewährte Energieeffizienzsteigerungen. Sie sind zuerst umzusetzen, da sie Emissionen wie Kosten senken. Die Herausforderung liegt meist darin, dass die Investitionskosten höher sind und sich die Massnahmen erst nach Jahren auszahlen. Deshalb braucht es eine Finanzierungsstrategie.

Weiter Massnahmen mit knapp positiven oder leicht negativen Kosten: Deren Wirkung ist oft von der Ausgestaltung abhängig. Es lohnt sich, diese genauer zu analysieren, Fördermöglichkeiten zu berücksichtigen und dann nochmals zu bewerten.

Zuletzt teure Massnahmen wie CO2-Entnahme oder Einsatz synthetischer Treibstoffe. Obwohl diese allein aus Kostensicht derzeit nicht zu priorisieren sind, gibt es dennoch gute Gründe, sie in Angriff zu nehmen.

In praktisch allen Unternehmen entstehen Treibhausgase, die sich unter heutigen Bedingungen nur sehr teuer reduzieren lassen, ausgeprägt bei Zementwerken oder Fluggesellschaften. Deshalb ist es wichtig, die Kostensicht um zusätzliche Kriterien zu ergänzen; denn in vielen Bereichen erhöht sich der CO2-Preis oder es kommen Anforderungen für CO2-arme Lösungen auf. Dadurch werden Klimaschutzmassnahmen, die heute noch teuer sind, in Zukunft wirtschaftlich.

Weiter vernachlässigt die Kostenkurve, dass Klimaschutzmassnahmen die Zahlungsbereitschaft erhöhen und so mehr Einnahmen erbringen können. Beispiel: umweltfreundlichere Lebensmittel, bei denen viele Konsumenten bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen. Bis zu einem gewissen Grad funktioniert das auch bei erneuerbaren Flugtreibstoffen mit Aufpreisen für klimafreundlichere Flüge.

 

Vertrauen schaffen

Der wohl wichtigste Punkt betrifft mögliche neue Marktchancen. Die Kosten von Klimaschutzmassnahmen sinken meist über die Zeit. Solarpanels oder Elektroautos waren einmal sehr teuer; heute erlauben sie Einsparungen – dies dank dem technologischen Lernen. Deshalb macht es Sinn, dass Unternehmen im Bereich der teuren Massnahmen mit Pilotanwendungen beginnen und in technologische Verbesserungen investieren. Fördergelder können die Kosten noch reduzieren. Im Idealfall entwickeln Unternehmen dabei selbst Lösungen, die der ganzen Branche helfen oder sich gar zu neuen Geschäftsfeldern entwickeln.

Die Klimakostenkurve lässt sich zudem auch für die Lieferkettenemissionen erstellen, die bei vielen Schweizer Unternehmen den grössten Anteil des Klima-Fussabdrucks ausmachen. Damit können Unternehmen gezielt mit ihren Lieferanten CO2 reduzieren.

Wenn ein Unternehmen seinen Reduktionsfahrplan erstellt hat, sollte es ihn unbedingt so kommunizieren, dass Investorinnen, Kunden und weitere Anspruchsgruppen ihn verstehen können. Eine gut vermittelte Klimastrategie schafft Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

 

Bastien Girod ist Partner bei Deloitte Schweiz.