«Avenir Suisse will eine gewisse Art von Politik als ‹richtige Denkweise› rechtfertigen.» Heinrich Stauffacher

Denken in die falsche Richtung

Nr. 30/31 – «Ich sterbe, also bin ich»; Roger Köppel über den Think-Tank Avenir Suisse

Wer hats erfunden, das Denken? Ganz gewiss nicht Avenir Suisse – es täuscht, wenn der Zusatz «Denkfabrik» dies suggerieren sollte. Diese «Denkfabrik» ist nicht für originäres Denken geschaffen, sondern um eine gewisse Art von Politik als «richtige Denkweise» darzustellen resp. zu rechtfertigen. Politik ist im Vergleich zum Naturgesetzlichen ein abartiges Denkverhalten, indem Menschen ihre «besondere» Intelligenz zu Lasten anderer missbrauchen: Seit der Erfindung von Feudalherrschafts-Systemen wird das gemeine Volk glauben gemacht, Politik sei überlegenes Denken (!), und das legitimiere zur Machtausübung. Um es zu zementieren, wurden Zivilgesetze erlassen, womit nicht nur das absolut geltende Naturgesetz verletzt wird, sondern auch das unbestreitbar höchste Menschenrecht. Trotzdem werden auf dieser Grundlage die Gesellschaftssysteme heute noch politisch betrieben, was nicht von hoher Kultur aufgeklärter Völker zeugt. Indem Avenir Suisse das Polit-Feudalherrschafts-Prinzip bis nach Brüssel und darüber hinaus fortschreibt, denkt sie «in falscher Richtung in die Zukunft» – die Zukunft muss in die entgegengesetzte Richtung entwickelt werden. Warum? Nachdem sämtliche kleinen und grossen Krisen und Kriege letztlich durch Machtpolitik verursacht wurden (und die Menschheit insgesamt nie weitergebracht haben), muss man sich vom Dummen verabschieden und es durch ein intelligentes System ersetzen. Heinrich Stauffacher, Sool

Unauffälliger Jesuitenzögling

Nr. 28 – «Drei Karrieren»; René Lüchinger über Walter Bosch

«Jesuitenzöglinge haben eine andere Art zu denken», sagt Bosch. Das Kollegium St. Michael in Freiburg wurde zwar von Jesuiten gegründet, war beim Besuch von Walter Bosch jedoch längst kein Jesuitenkolleg mehr. Die Schweizerische Bundesverfassung von 1848 verbot in ihrem Artikel 58 nach einem Ausweisungsbefehl der Tagsatzung gegen 250 Ordensangehörige jegliche Aufnahme von Jesuiten in der Schweiz. Dieses sogenannte Jesuitenverbot wurde erst im Jahre 1973 nach einer Volksabstimmung aufgehoben. Diejenigen Eltern, die ihren aus der Schweiz stammenden Kindern eine Erziehung mit jesuitischer Prägung angedeihen lassen wollten, entsandten sie in das Kolleg Stella Matutina nach Feldkirch in Vorarlberg oder später auch in das ebenso grenznahe gleichnamige Jesuitenkolleg in St. Blasien im Schwarzwald. Als langjähriger Präsident der Alumni-Organisation der in der Schweiz ansässigen Jesuitenschüler ist mir der scheinbar jesuitisch geschulte «Andersdenker» Walter Bosch unter den zahlreichen ebenfalls bekannten Schweizer Namen von ehemaligen Jesuitenzöglingen daher auch nie aufgefallen. Philipp Dreier, Zürich

Das dumme Volk begreift seine Elite nicht

Nr. 30/31 – «Europapolitisches Denkverbot»; Christoph Mörgeli über die EU-Diskussion

Das merkwürdige Geschwätz mit den «EU-Denkverboten» treibt viele um. Was ist dagegen einzuwenden, wenn alle über die Zukunft unseres Landes sorgfältig nachdenken? Wer soll solche Gedankengänge tabuisiert oder gar verboten haben? Die immer wieder gleiche EU-Schallplatte vom «autonomen Nachvollzug», «nicht mitbestimmen zu können», «isoliert» und «unter Druck zu sein», «keine hohen Steuern zahlen zu dürfen» usw. geht einem mit der Zeit derart auf den Geist, dass es wirklich einen Christoph Mörgeli brauchte, der in einer elegant und intelligent verfassten Kolumne eine wohltuende Klarstellung vornimmt. Das «dumme Volk» begreift seine Eliten einfach nicht. Deshalb – die Methode ist schon uralt – werden von ihr Sachen behauptet, die kein Mensch je gesagt oder gewollt hat, damit man sich in der Öffentlichkeit heftig über diesen aufgeblasenen Popanz entrüsten kann.
Max Mürset, Dübendorf

Drückt sich vor der Verantwortung

Nr. 30/31 – «Die Schweiz ist ein Vorbild»; Roger Köppel im Gespräch mit Edmund Stoiber

Edmund Stoiber nimmt Angela Merkel in Schutz, weil sie zwei Politiker von derselben Sorte sind, das heisst machtbesessen, selbstherrlich und opportunistisch. Stoibers ausgeglichener Haushalt ist auch nur mit Zahlentricks zustande gekommen. Wenn es um das eigene Versagen geht, schickt er Sündenböcke vor und drückt sich, genauso wie Merkel, vor der Verantwortung. Der BSE-Skandal, die Immobilienspekulationen der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) und die verheerenden Geschäfte der Bayerischen Landesbank sind nur einige Beispiele. Zuletzt hat Stoiber aus Rachsucht und Bosheit Bayern ausgerechnet den Sozialisten Horst Seehofer als Ministerpräsidenten beschert und damit der CSU ein Nachwuchs- und Glaubwürdigkeitsproblem. Zum Thema Kündigungsschutz: Hier hat ausgerechnet Seehofer bei den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass dieses Thema gar nicht angesprochen wird. Weiterhin ist der Fall, dass qualifizierte junge Leute aus Deutschland abwandern, längst eingetreten. Ich gehöre auch dazu. Frank Lang, Muttenz

Die Schweiz war so unfrei wie nie zuvor

Nr. 30/31 – «Die Idee der Freiheit»; Markus Somm über die Schweiz

Die Lektüre des Artikels erinnerte mich an meine hehren patriotischen Gefühle im Geschichtsunterricht während meiner Primarschulzeit (19401946). Die Heldentaten der alten Eidgenossen sollten uns damals im Widerstand gegen die braune Flut bestärken. Als Pfadfinder sangen wir mit Inbrunst: «Mein Blut ist jung, stark meine Hand und dein mein Herz, oh Vaterland.» Inzwischen bilden die Erzfeinde von damals starke Partner der EU. Heute freue ich mich über eine in vieler Hinsicht weltoffene Schweiz. Im Artikel vermisse ich eine differenzierte Betrachtung über die Freiheit der Schweizer. Es gab Zeiten ruhmloser Unfreiheit in unserer Geschichte. Einer meiner Urururgrossväter (Vinzenz Rüttimann, 17691844) war Vollziehungsrat der Helvetischen Republik und später Mitglied der Tagsatzung. Seine über 100 Briefe von 1801 aus Bern an seine Frau Anna Maria Meyer von Schauensee in Luzern geben ein jämmerliches Bild dieses heillos zerstrittenen Parlamentes. Die Herren Senatoren waren unfähig, sich auf eine helvetische Verfassung zu einigen. Es brauchte den Despoten Napoleon Bonaparte, der den Eidgenossen eine neue, erstaunlich vernünftige Verfassung aufzwang. Die Schweiz war damals so unfrei wie nie zuvor. Auf heute übertragen: Wir und die Damen und Herren in Bern sollten uns bald über unser Verhältnis zu Europa klarwerden, bevor die Brüsseler Technokraten den Weg weisen. Stephan Schubiger-Wyss, Zürich

In diesem Beitrag ist von den «Rütli-Verschwörern» zu lesen, die vor allem die Freiheit wollten. Ganz abgesehen davon, dass der Rütlischwur ins Reich der Sagen gehört, ist dem entgegenzuhalten, dass Freiheit im Mittelalter keineswegs ein grundsätzlich erwünschter Idealzustand war. Es konnte weder im Interesse eines Einzelnen noch einer Gemeinschaft liegen, auf jeglichen Schutz zu verzichten, bloss um sich frei zu fühlen. Dementsprechend betonen die beiden Bundesbriefe von 1291 und 1315 mit Nachdruck die Gültigkeit der Herrschafts- und Dienstverhältnisse. Und die weitverbreitete Vorstellung, mit diesen eidgenössischen Bünden sei in der Innerschweiz die persönliche Freiheit eingekehrt, ermangelt jeglicher Grundlage. An den damals bestehenden Herrschaftsrechten, die sich in den Händen von Klöstern oder einheimischen Herren befanden, änderten die Briefe nichts. Diese bezweckten keineswegs einen revolutio- nären Umsturz, sondern die Erhaltung der bestehenden Ordnung und der dazugehörenden, althergebrachten Abhängigkeits- und Untertanenverhältnisse. Freiheitliches Denken und Handeln ist in der Innerschweiz somit zuerst im Widerstand gegen die eigene Oberschicht und deren Machtmissbrauch zu fassen. Franz Müller, Schmerikon

Projekte in Millionenhöhe

Nr. 30/31 – «Wer hats erfunden?»; Kurt W. Zimmermann über Excel

Beim Beitrag über Excel vermisse ich die Nennung des Erfinders Dan Bricklin, der bereits 1979 das Programm Visicalc für den Apple II entwickelte, um seine case studies nicht von Hand berechnen zu müssen. Das Produkt wurde so erfolgreich, dass Kunden ein Visicalc im Geschäft verlangten und den Apple II als Zusatz mitnahmen. Inzwischen ist Excel zum Kernelement für alle PEMsters (Powerpoint, Excel, Mail) avanciert. Excel ist das Kernstück der «Shadow-IT», die in vielen Unternehmen die wirkliche IT schon längst hinter sich gelassen hat. Das Reporting auf GL-Ebene selbst bei grossen Unternehmen basiert auf Excel-Programmen. Ein renommierter Konzern verwaltet damit Projekte in Millionenhöhe. Es gibt kaum ein Werkzeug, mit dem man mit so wenig Ausbildung so rasch Werkzeuge erstellen kann, die ausser dem Autor niemand mehr versteht. Reinhold Thurner, Küsnacht