Kaum sind Sie Präsidentin des Filmfestivals von Locarno, wird auf Sie geschossen. Medien finden das von der weltberühmten Fotografin Annie Leibovitz gestaltete Plakat für das 77. Filmfestival völlig daneben. Qualitativ zweifelhaft.

«Eine banale Fotoshop-Kreation», wird moniert. Es zeigt einen lebenden Leoparden vor einer wolkenverhangenen Landschaft am Lago Maggiore. Das sei nicht die Leibovitz, die man kenne, sagt zum Beispiel der Fotograf Oliviero Toscani.

Dem kann ich nur beistimmen. So etwas Banales hätte auch künstliche Intelligenz entwerfen können. Wobei diese vielleicht einen sonnigeren Hintergrund gewählt hätte, da doch der Leopard in der angeblichen «Sonnenstube» Tessin steht.

Mich stört das Wetter auf dem Plakat mehr als die ganze Gestaltung. Sollen wir denn an unsere verregneten Ferien im Tessin erinnert werden? Oder an eine verregnete Zukunft? Doch zu Ihrer Entlastung muss ich beifügen: Ich habe mir frühere Plakate angesehen und bin zum Schluss gekommen, dass ich da auch einiges gerne gespült hätte. Nun, es ist alles Geschmackssache. Und vermutlich ist die Leibovitz, die Sie als grosszügige Mäzenin mal vor der Pleite gerettet haben und deshalb gut vermitteln konnten, gar nie ins Tessin gekommen. Oder sie hat den Auftrag an eine Assistentin weitergegeben.

Wie dem auch sei, ich denke, Sie könnten noch regelmässig mit Polemiken konfrontiert werden, diesen Sommer. Denn irgendwie ist es seltsam, dass der umtriebige Festivalpräsident Marco Solari, der sich jeden Tag ein Bein ausriss für «sein» Festival, von einer Milliardärin abgelöst wurde, die vorwiegend in Arles lebt oder in irgendwelchen Grossstädten und schon die erste Generalversammlung Anfang Mai «aus Termingründen» geschwänzt hat.

Das zeigt doch, dass Sie diesen Job nicht ernst nehmen. Oder nicht begriffen haben. Und zugunsten Ihres Seelenfriedens besser darauf verzichtet hätten.

 

Mit freundlichen Grüssen
Peter Rothenbühler