Jeder Schweizer hat eine Produktpalette. Damit sind diejenigen Produkte gemeint, die man regelmässig kauft, weil sie einem im Lauf der Jahre wichtig geworden sind. Es geht nicht um Grundnahrungsmittel oder Dinge wie Toilettenpapier, Waschmittel und so weiter: Es geht um Produkte, die man benötigt, um das Gefühl zu haben, dass alles so ist wie immer. Die Produktpalette begleitet uns durch unser ganzes Leben, und sie entwickelt sich mit uns.

Als ich jung war, umfasste meine Palette nur wenige Produkte, Olma-Bratwürste, Coca-Cola, Nussgipfel zum Beispiel. Doch im Zuge meines Reifungsprozesses kamen immer mehr Produkte hinzu, die Palette wuchs parallel zur Vervollkommnung meines Charakters. Es gab auch Lebensabschnittsprodukte, die nur in einer bestimmten Phase wichtig waren. Als ich zum Beispiel Vater wurde, kaufte ich kistenweise Château Margaux, um mir das Geschrei des Babys schönzutrinken. Als die Kinder älter wurden, verschwand Château Margaux von meiner Produktpalette und wurde durch Kaviar ersetzt, da ich geerbt hatte. Als mir das Geld ausging, weil ich es mit dem Kaviar übertrieben hatte, begann ich Zweifel-Chips zu kaufen und Kägi fret. Diese Produkte waren keine Novitäten, sie hatten schon zu meiner allerersten Palette gehört, die sich im Alter von etwa acht Jahren herausgebildet hatte. Insgesamt jedoch nahm die Zahl der Produkte über die Jahre kontinuierlich zu, und heute, in einem Alter, in dem ich mich als präsenilen Tausendsassa bezeichnen würde, umfasst sie stolze 38 Produkte. Die meisten sind unscheinbar: geschnittene Champignons in der Dose, ungeschnittenes Coca-Cola in der Dose, Rauchmandeln, Oliven Chalkidiki, Feldschlösschen 0 %, Campari 25 %, Magnum Almond Mini, San Pellegrino ​– ganz langweilig, wie meine Fingernägel, aber ohne die würde ich mich auch nicht vollständig fühlen. Jeder, wie gesagt, hat seine ganz persönliche Produktpalette. Aber manche – und jetzt komme ich zum Punkt – können sich diese Produkte einfach jederzeit kaufen. Andere hingegen müssen auf Aktionen warten. So wie ich. Ich habe 38 Lieblingsprodukte, aber ich habe auch ein begrenztes Budget – das ist eine toxische Mischung, durch die ich in die Aktionsfalle geraten bin.

Ich wäre blöd, wenn ich nicht 64 Dosen kaufen würde, dann habe ich doch Vorrat! «Aktionsfalle», sagte mein Freund Bruno, als ich ihm davon erzählte, «klingt nach Sendung ‹Kassensturz›.» — «Weil man beim Sparen mehr ausgibt, als man hat», sagte ich. Und das läuft so: Ich gehe in den Supermarkt, will eigentlich nur ein 6er-Pack San Pellegrino und eine Dose geschnittene Champignons kaufen. Doch San Pellegrino hat Aktion! 40 Prozent Rabatt auf jedes 6er-Pack! Ich kann so viel sparen, wenn ich zehn 6er-Packs kaufe! Also gebe ich mehr aus, als ich wollte, weil ich sparen kann. Doch das Leben geht weiter: Am nächsten Tag will ich nur eine Dose Feldschlösschen alkoholfrei kaufen. Aber Feldschlösschen alkoholfrei ist um 33 Prozent verbilligt, wenn man mindestens zwölf Dosen kauft! Ich wäre blöd, wenn ich nicht 64 Dosen kaufen würde, dann habe ich doch Vorrat! «Am übernächsten Tag», sagte ich zu Bruno, «sind die Oliven Chalkidiki verbilligt, und schon bald droht die grosse Wochenend-Aktion mit 50 Prozent Rabatt auf Cola in der Dose.» Man spart permanent, ohne je einen Effekt auf dem Konto zu sehen. Im Gegenteil schmilzt der Kontostand, weil immer dann, wenn zum Beispiel der Vorrat an verbilligt gekauftem San Pellegrino zur Neige geht, ein neues Sonderangebot dazu führt, dass man wieder viel Geld für einen Kofferraum voll San Pellegrino ausgibt. «Wenn man 38 Lieblingsprodukte hat, aber wenig Geld», sagte ich zu Bruno, «macht man wegen der vielen Aktionen dauernd Grosseinkäufe. Man spart zwar beim einzelnen Produkt, aber auf alle Produkte gerechnet, lebt man auf Pump.» — «Ist das mathematisch gesichert?», fragte Bruno, und ich sagte: «Sicher sind nur der Tod und die Aktionen.»