Unser Land ist ein Erfolgsmodell. Im Herzen Europas, umgeben von Ländern der EU mit zunehmend grossen Problemen, zeichnet sich die Schweiz aus durch wirtschaftlichen Erfolg, Finanzstabilität, gelebte direkte Demokratie, innere Ruhe und Ordnung, Wohlstand und ­einen hohen Lebensstandard.

Dank einer konsequenten Ausgabenbremse sind unsere Staatsfinanzen unter Kontrolle. Die Wirtschaft ist trotz des starken Schweizer Frankens und enormen Drucks von aussen ­erfolgreich. Nur mit einer garantierten Sicherheit, in einer zunehmend kritischen und explosiver werdenden internationalen Lage, ist das Erfolgsmodell aber auch überlebensfähig. Sicherheit und Schutz vor vielfältigen Bedrohungen sind unverändert die Voraussetzung für Freiheit und wirtschaftlichen Erfolg.

Die nationale Sicherheit zu gewährleisten, ist Aufgabe des Staates. Die Säulen dieser Sicherheit – zusammengeschlossen im sogenannten Sicherheitsverbund der Schweiz – sind der Nachrichtendienst, die Polizei, die Justiz, das Grenzwachtkorps, die Armee, der Bevölkerungsschutz sowie die Blaulichtorganisationen. Wichtige Beiträge zur Sicherheit leisten ebenfalls die ­Aussen- und die Wirtschaftspolitik.

Nur die Armee kann es richten

Diese Säulen der nationalen Sicherheit können nur tragend sein und ihre Traglast auch nachhaltig aushalten, wenn ihnen zielgerichtet und permanent die notwendigen Mittel und Kompetenzen erteilt werden. Dafür verantwortlich ist die Politik auf Stufe Bund und Kantone.

Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Mittel der zivilen Behörden von Kantonen und Städten bei einem Grossereignis, ­einer Katastrophe oder einer länger dauernden Krise nach rund zwei bis drei Tagen an ihre Grenzen gelangen. Die in grosse Not geratenen zivilen Behörden richten dann jeweils ­einen Appell an die Eidgenossenschaft, welche ihre Reserve für Krisenlagen mobilisiert: die Armee. Unsere heutige Armee ist multifunk­tional. Sie ist in kürzester Zeit in der Lage, die sich in schwierigen Situationen befindenden zivilen Behörden tatkräftig subsidiär zu unterstützen. Schweizweit ist und bleibt die Armee das einzige einsetzbare Mittel bei Krisen, Katastrophen und allenfalls bei Konflikten. Sie ist die einzige sicherheitspolitische Reserve der Landesregierung.

Die Schweiz ist ein souveräner Staat. Auf ­ihrem Staatsgebiet ist sie für die Sicherheit am Boden und in der Luft zuständig. Der Luftraum über unserem Land muss daher überwacht, kontrolliert und, im äussersten Fall, auch verteidigt werden können. So will es der Auftrag unserer Armee, wie er in der Bundesverfassung verankert ist. Die Lufthoheit der Schweiz wird administrativ durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt verwaltet. Die praktische Umsetzung der Wahrung der Luft­hoheit ist Sache der Armee. Die Luftwaffe garantiert diese Lufthoheit bei jeder Witterung, rund um die Uhr, Tag und Nacht, 365 ­Tage im Jahr.

Die Wahrung der Lufthoheit ist eine der Hauptaufgaben unserer Luftwaffe. Sie verfügt dazu über die Mittel der Luftraumüberwachung (u. a. Radare), der Fliegerabwehr und der Kampfflugzeuge.

Für die Identifikation von unerlaubt einfliegenden Objekten in unseren Luftraum können ausschliesslich bemannte Flugzeuge eingesetzt werden. Das tägliche Üben dieser Abfang- und Identifikationseinsätze stellt eine der Kernaufgaben unserer Kampfpiloten dar. Für den Einsatz bei Tag und bei Nacht, bei jeder Wetterlage und in grossen Höhen stehen heute 33 Flugzeuge F-18 Hornet zur Verfügung.

Wo bleibt das vorausschauende Denken?

Die allgemeine Weltlage, auch die Lage in Europa, hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Niemand weiss, welche Einflüsse die katastrophale Wirtschafts- und Finanzsituation vieler europäischer Staaten und die ­damit verbundene soziale Unrast auf die Sicherheitslage haben werden. Unkontrollierte Migration, organisierte Kriminalität, Islamismus mit dem globalisierten Terrorismus, Gewaltextremismus von rechts und von links ­sowie Proliferation von Massenvernichtungswaffen, der Cyberkrieg und weitere Bedrohungsfaktoren können in kürzester Frist unangenehme, schwer zu kontrollierende und staatenübergreifende Szenarien hervorrufen. Regierungen können rasch an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten stos­sen. Die Kontrolle über die Ereignisse kann ­ihnen leicht aus den Händen gleiten. Das Undenkbare zu denken und das Unerwartete zu erwarten – das wäre angesagt. Ein Land, in welchem die eigene Regierung nie den Krisenfall übt und das das langfristige, vorausschauende sicherheitspolitische Denken nur vom Hörensagen kennt, geht besonders grosse Risiken ein.

Luftraum ohne Kontrolle

In einer komplexen, länger dauernden Krise müsste auch die Lufthoheit garantiert werden können. Die Schweiz hätte also dauernd, rund um die Uhr, mindestens vier Kampfflugzeuge F-18 in ihrem Luftraum; zwei im Westen und zwei im Osten des Landes.

Nach rund zwei Wochen wären die 33 F-18 am Boden. Sie müssten, aufgrund der vielen Flugstunden und der Abnützung, gewartet, überholt und eventuell repariert werden. In dieser Situation bliebe unser Luftraum ohne aktiven Schutz und ohne Kontrolle. Die Luftraumüberwachung könnte wohl Eindringlinge feststellen. Es wäre ihr aber nicht möglich, diese positiv zu identifizieren, zum Verlassen unseres Luftraumes oder zur Landung zu zwingen. Der Schweizer Luftraum stünde somit jedermann zur Verfügung. Unser Land würde seine internationale Verpflichtung als souveräner Staat nicht mehr erfüllen können.

Unsere Luftwaffe hat grosse Lücken in den eigenen Beständen. Der den heutigen Erfordernissen nicht mehr angepasste Tiger F-5 muss möglichst rasch ausser Betrieb genommen und durch ein neues, modernes Kampfflugzeug ersetzt werden. Rund 22 neue Flugzeuge sollen einen Teil der noch vorhandenen 55 Tiger ersetzen. Von hier stammt der Begriff «Tiger-Teilersatz/TTE».

Im Auftrag des Bundesrates haben Spezialisten des Departements für Verteidigung, Be­völkerungsschutz und Sport (VBS) – Testpiloten, Ingenieure, Einkäufer, Stabsoffiziere und andere – verschiedene Lösungsvarianten ­geprüft. Diese Arbeit ist über Jahre, in der üblichen professionellen, kompetenten, zuverlässigen und unbestechlichen helvetischen Art und Weise erfolgt. Aufgrund der aktuellen finanziellen Lage des Bundes hat der Bundesrat im Dezember 2011 entschieden, 22 Kampfflugzeuge des Typs JAS-39 Gripen E aus Schweden zu beschaffen. Das Flugzeug erfüllt die gestellten Anforderungen und ist die preisgünstigste ­Lösung. Es fliegt heute in der Variante C/D in der schwedischen Luftwaffe wie auch in Ungarn, Tschechien, Südafrika und Thailand. Der Gripen ist einmotorig – was nicht zuletzt neben einer günstigeren Anschaffung – auch in Wartung und Unterhalt grosse Vorteile bringt.

Mit dem JAS-39 Gripen könnte nicht nur die Luftverteidigung, sondern auch die Sparte Aufklärung und Bekämpfung von Zielen am Boden abgedeckt werden. Somit wäre unsere Luftwaffe, nach der Ausmusterung der Hun­ter und der Mirage-Aufklärer, wieder in der Lage, ihren Auftrag im Frieden sowie im Spannungs- und im Konfliktfall aktiv und umfassend sicherzustellen.

Bundesrat auf GSoA-Kurs

Nach der erfolgten Evaluation und nach dem Entscheid des Bundesrates haben sich, wie zu erwarten war, sofort Gegner der Typenwahl und der Beschaffung bemerkbar gemacht. Die Verlierer der Evaluation, darunter insbeson­dere der Hersteller aus Frankreich, haben offenbar Medien, PR-Agenturen und einzelne Politiker mobilisiert, um gegen den Entscheid Sturm zu laufen.

Die Sozialdemokratische Partei (SP) hat in ihrem Parteiprogramm von 2010 die Abschaffung der Schweizer Armee festgelegt. Die Luftwaffe ist ein wesentlicher Teil dieser Armee. Mit der SP wird also bei der Beschaffung des TTE nicht zu rechnen sein. Die Grünen werden das Vorhaben, aus ideologischen Gründen, auch nicht unterstützen wollen.

Es bleiben daher in erster Linie die bürgerlichen Parteien: SVP, CVP, FDP und BDP. Leider gibt es bei diesen bezüglich TTE immer noch keinen Konsens und keinen Schulterschluss.

Der Bundesrat übernimmt ausserdem immer mehr die Rolle der Gruppe für eine Schweiz ­ohne Armee (GsoA). Er steuert unsere Landesverteidigung seit Jahren über die Finanzen und Sparübungen anstatt über die real existierenden Bedrohungen und Bedürfnisse. In den ­letzten zwanzig Jahren hat der Bundesrat bei der Armee jedes Jahr zwischen 46 und 273 ­Mil­lionen Franken gespart. Dies immer zugunsten der anderen sechs Departemente. Die ­finanziellen Beschlüsse für die Landesverteidigung erfolgten meist, ohne dass die Regierung vorher eine echte Beurteilung der ­Lage vorgenommen hätte. Neuerdings spielt der Bundesrat sogar die Beschaffung des Tiger-Teilersatzes gegen die echten und dringenden Bedürfnisse der Erdstreitkräfte (des Heeres) aus.

Bürgerliche Abweichler

Der bürgerliche Teil des Parlamentes (welcher in den Räten immer noch die Mehrheit hat) steht nun in der Pflicht. Er muss darauf beharren, dass der Parlamentsbeschluss vom Herbst 2011 (Armee mit 100 000 Angehörigen, fünf Milliarden Franken jährlich für die Armee inklusive der Beschaffung des Tiger-Teilersatzes) vom Bundesrat respektiert und umgesetzt wird. Die Abweichler und Heckenschützen in der Partei von Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) wie auch im Präsidium der FDP müssen endlich ihre eigenen Interessen aufgeben und den Typenentscheid des Bundesrates unterstützen. Die Parlamentarier sollen sich für die Sicherheit unseres Landes engagieren, die Beschaffung des TTE fordern und fördern. Unsere Lufthoheit soll wieder nachhaltig und glaubwürdig garantiert werden können.

Der Bundesrat wird dem Parlament mit der Rüstungsbotschaft 2012 auch die Beschaf-fung des TTE vorschlagen. Das Parlament wird sich also ab Frühling 2013 dazu äussern müssen. Es liegt dann am Chef VBS, an den verantwortlichen Staatsdienern, an den Spezialisten und an den unabhängigen Medien, die Sachlage klar darzustellen. Dem Bürger und der Bürgerin sollen Sinn und Zweck der ­Lufthoheit nochmals überzeugend und verständlich erklärt werden. Dabei soll das Stimmvolk ein­geladen werden, das Handeln seiner ­politischen Vertreter kritisch zu verfolgen und mit Einflussnahme zu begleiten. Die überzeugten und engagierten Volksvertreter sollen den bürgerlichen Schulterschluss suchen, als Multiplikatoren wirken und sich klar und ­unzweideutig öffentlich für die TTE-­Beschaffung einsetzen.

Die Evaluation für den TTE ist in jeder Beziehung korrekt durchgeführt worden. Dies bestätigte auch der Vorsitzende der Unterkommission der Sicherheitspolitischen ­Kommission (SIK) des Nationalrats, Thomas Hurter (SVP).

Die Zeit zwischen der Bestellung und der Auslieferung der Gripen E soll durch die leihweise Abgabe einer Staffel Gripen C/D der schwedischen Luftwaffe überbrückt werden. Dies ist ein Schachzug des VBS-Chefs. Somit können unsere Piloten auf ein aktuelles, modernes und allwettertaugliches Kampfflugzeug umgeschult und rechtzeitig auf den moderneren Nachfolger Gripen E vorbereitet werden. Die Wahrung der Lufthoheit kann damit rasch und effizient verstärkt werden.

Der schwedische Reichstag entscheidet im Dezember 2012 über eine grössere Beschaf-fung von JAS-39-Gripen-E-Kampfflugzeugen für die eigene Luftwaffe. Der zu erwartende positive Entscheid ist die Voraussetzung für eine Vertragsunterzeichnung zwischen den beiden Ländern zur Beschaffung der 22 Flugzeuge für die Schweizer Luftwaffe.

Der Typenentscheid des Bundesrates liegt vor. Er ist zweckmässig. Der Luftraum soll in jeder kritischen Lage, auch über Wochen, durch die vorhandenen und die neuen Mittel (eben den Tiger-Teilersatz) kontrolliert und, notfalls, auch verteidigt werden können.Das letzte Wort in der Gripen-Beschaffung wird das Stimmvolk an der Urne haben, voraussichtlich im Frühjahr 2014.

Peter Regli, dipl. Ing. ETH Zürich, ist Divisionär a. D.
und ehemaliger Kampfpilot der Luftwaffe.