Ich fliege etwa einmal im Jahr, maximal. Jeder fortschrittliche Twitter-Nutzer würde diesen Status nutzen, um seine vorzügliche CO2-Bilanz zu unterstreichen (und würde den Teil weglassen, wo er fairerweise sagen müsste, dass Fliegen halt einfach nicht sein Lifestyle ist). Ich fliege nicht wenig, weil ich ein besonders guter Mensch bin, sondern weil ich den Urlaub gerne in der Schweiz verbringe und ausserdem den gesamten Flug-Event für ein beliebtes Instrument halte, um Menschen maximal zu reizen, und ihn darum als nur schwer ertragbar empfinde. Weil ich keinen Psychiater aufsuche, dürfen Sie heute, liebe Leser, stellvertretend einspringen.

Ich stehe also seit einer ganzen Weile in der Warteschlange im Abflugbereich. Die Masse schiebt sich nicht schwerfällig zur Sicherheitskontrolle weiter, sie steht komplett still. Die Weile müsste keine Weile sein, wenn nicht Passagier Luxusstock wäre. Er steckt weiter vorne in kurzen Hosen und überteuerten Birkenstocksandalen (Wetter Basel: Regen, 13 Grad Celsius), und weil er gleichzeitig Facetime mit Mami macht und seinen belanglosen Instagram-Feed mit Katzenbildern durchscrollt, kriegt er auch nach der fünften Aufforderung nicht mit, dass er beim Sicherheits-Check aufschliessen sollte. Man möchte ihn liebend gerne packen, in die Gepäckwanne setzen und eigenhändig durch den engen Scanner schieben.

Smartgeräte, gepaart mit ihren Besitzern, sind eine Form der Nötigung und für die Erde nur Ballast.

Auch in einer anderen Schlange sieht’s nicht besser aus. Da grübelt eine Passagierin mit Gelnägeln, Kind und aufs Smartphone gerichtetem Blick eingehend darüber, ob sie morgen die All-inclusive-Bootstour mit Party-DJ um die Insel machen oder doch lieber auf dem Hippie-Markt bei einer lokalen Künstlerin gehäkelte Babyschuhe kaufen soll – und merkt nicht, dass sie den Boarding-Pass nicht bereithat, als sie danach gefragt wird. Vielleicht stehen bunte Marathonnägel ja für die klassische Überkompensation von zu wenig Sonne-Strand-und-Dance-Feeling. Man weiss es nicht.

Und dann gibt es noch die vollbepackte Grossfamilie aus dem Aargau, die das Pech hat, den Ursprung der nächsten Riesenschlange zu verantworten, da sie schon in der Pole-Position bei der ersten Durchgangskontrolle alles Mögliche nicht bereithält, dafür aber Smartphones und Paddelzeugs. Soviel ich weiss, gibt es keinen Grund, sämtliches auf dem Planeten verfügbares Paddel-Equipment auf eine sehr kleine spanische Insel mitzunehmen.

Es existieren sicher jede Menge Studien über Aufmerksamkeit, wo sie hingeht und was Smartphones damit zu tun haben. Mir egal. Besser, man würde sich einmal ernsthaft überlegen, vor dem Flug sämtliche Smartgeräte einzusammeln, denn gepaart mit ihren Besitzern sind sie eigentlich eine Form der Nötigung – und darum für die Erde nur unnötiger Ballast. Ich bin übrigens nicht wütend, wirklich nicht. Ich möchte einfach gerne die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass es, hält man sich an einem Flughafen auf, keine schlechte Idee ist, wenigstens während fünf Sekunden zu realisieren, was gerade um einen herum passiert. Und dass Menschen, die die Aufmerksamkeitsspanne von fünf Sekunden nicht besitzen, weil diese sich in so viele kleine, irrelevante Bruchstücke aufteilt aufgrund all der Dinge, die sie in diesem Moment tun, aber nicht tun müssten, so dass für die Dinge, die sie tun müssten, keine Aufmerksamkeit mehr übrigbleibt, also dass diese Menschen per Eignungstest zum Flug abgelehnt werden dürfen.

Wer mir leidtut, ist das Flughafenpersonal. Es muss diese Situation Tag für Tag höflich lächelnd ertragen, und sollte es sich je zu einer einzigen sarkastischen Bemerkung verleiten lassen, findet sich unter den Passagieren garantiert einer, der alles filmt und empört darüber tweetet. Und was tun Leute – wie Luxusstock, der bestimmt jede Viertelstunde irgendwohin reist, nur weil die Billiglinie das billig anbietet, und der jetzt in einer anderen Schlange durch Miau-Miau scrollt –, wenn sie nach der siebzehnten Aufforderung vom Personal in die Realität zurückgeholt werden, als Erstes? Sie beschweren sich über ebenjenes.

Moment kurz, ich verstehe gerade nicht, warum mich ringsum alle so feindselig anstarren. Oh! Während des Notierens obiger Zustände in mein Smartphone ist mir völlig entgangen, dass ich längst hätte aufschliessen sollen. Und blöder Mist, wo habe ich jetzt meinen Boarding-Pass?