Geht es nach Verteidigungsministerin Viola Amherd, soll die Schweiz enger mit dem westlichen Verteidigungsbündnis zusammenspannen. Geliebäugelt wird in Bern mit Übungen, die unter Artikel 5 des Nato-Vertrags fallen. Dieser besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen ein Bündnismitglied als Angriff gegen alle angesehen wird. Bisher haben Schweizer Militärs als Beobachter an solchen Übungen teilgenommen. Doch Nato-affine Kräfte im Bundesrat und Verteidigungsdepartement (VBS) geht das zu wenig weit.

 

Vorstoss als Zäsur

In der Politik regt sich nun Widerstand. Eine Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (SiK-N) hat letzte Woche einer Motion zugestimmt, die genau das verhindern will. Sie verlangt, dass der Bundesrat die rechtlichen Grundlagen anpasst, um die Teilnahme an solchen Übungen zu verbieten. Angestossen hat sie Fabian Molina. «Es ist das erste Mal, dass Parlamentarier Amherd klarmachen, wo die Grenzen der Kooperation mit der Nato verlaufen», so der SP-Nationalrat.

Üben mit der Nato sei neutralitätspolitisch äusserst heikel. «Neutralität bedeutet Bündnisfreiheit. Übungen mit dem westlichen Militärbündnis haben hier keinen Platz», so Molina, der den Vorstoss als eine Zäsur erachtet. Dieser war auch eine Antwort auf den kürzlich veröffentlichten Bericht «Verteidigungsfähigkeit und Kooperation» des Bundesrats, in dem einer stärker an der Nato orientierten Verteidigungspolitik das Wort geredet wird.

«Übungen mit dem westlichen Militärbündnis haben hier keinen Platz», so Molina.Gegen die Motion waren die Mitte und die FDP. SP, Grüne und SVP stimmten dafür. «Es ist wichtig, dass wir gegenüber Amherd, die sich zusehends als Nato-Turbo entpuppt, ein Signal aussenden konnten», sagt auch SVP-Nationalrat Mauro Tuena. «Wenn wir der Verteidigungsministerin keine Grenzen setzen, kämpfen Schweizer Soldaten schon bald einmal Seite an Seite mit der Nato.» Jetzt reiche es. Die Schweiz müsse wieder ihre eigene Armee stärken und sich nicht mehr und mehr der Nato unterordnen.

 

Auf einem Auge blind

Dass sich SVP-Politiker hinter Molinas Motion stellen, mag auf den ersten Blick überraschen. Haben doch gerade Politiker der Volkspartei den SP-Mann wiederholt scharf kritisiert. Sie werfen ihm unter anderem vor, die Armee zu schwächen und mit seinem ständigen Pochen auf Sanktionen gegenüber Russland der Neutralität und somit auch der Glaubwürdigkeit der Schweiz zu schaden. Besonders im Ukraine-Krieg, so Molinas Kritiker, sei der SP-Politiker auf einem Auge blind. Während er pausenlos Wladimir Putin verurteilt und ein härteres Vorgehen gegen Russland fordert, nimmt man von demselben Molina wenig bis gar keine Kritik gegenüber Wolodymyr Selenskyj wahr.

Wirtschaftskrieg gegen Russland zu führen und sich gleichzeitig die Neutralität auf die Fahnen zu scheiben: Für Molina ist das kein Widerspruch. «Kluge Sanktionen sind gerade für neutrale Staaten ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung der regelbasierten Weltordnung.» Die Neutralität betrachtet der SP-Nationalrat als ein blosses «militärisches Konzept», das der Schweiz verbiete, an Kriegen teilzunehmen. Entsprechend kritisch steht er auch der von SVP-Kreisen mitgetragenen Neutralitätsinitiative gegenüber, die die Neutralität umfassender interpretiert und Sanktionsmassnahmen verbieten will. «Die Neutralitätsinitiative ist eigentlich eine aussenpolitische Kastrationsinitiative.» Sie würde der Schweiz jeden aussenpolitischen Handlungsspielraum nehmen, so Molina.

Der SP-Nationalrat beobachtet bei der rechten Partei keine strikte Neutralitätslinie. «Die Neutralität variiert bei der SVP von Konflikt zu Konflikt, je nach Interessenlage. Im Ukraine-Krieg pocht die Partei stark darauf, dass die Schweiz sogar fundamentales Völkerrecht ignoriert. Umgekehrt nehmen es rechte Politiker im Israel-Palästina-Konflikt wiederum nicht so streng mit der Neutralität.» Hier stelle er eine undifferenzierte Parteinahme zugunsten Israels fest. So führe die SVP eine regelrechte Kampagne gegen das Uno-Hilfswerk UNRWA.

Was entgegneten SVP-Politiker hierauf? «Beim Krieg im Gaza handelt es sich um einen landesinternen Konflikt. Das Neutralitätsrecht ist hier in keiner Weise verletzt, wenn wir Israel […] unterstützen», sagt SVP-Ständerat Werner Salzmann, der die Kritik nicht nachvollziehen kann. Für die desaströse Situation im Nahen Osten sieht er die Hamas in der Verantwortung, die am 7. Oktober 2023 Massaker an den Israelis begangen hat. Auch verweist er darauf, dass längst nicht nur die SVP für ein Hamas-Verbot gewesen sei.

 

Schleichender Ausbau

Unabhängig davon, wie man zu Salzmann oder Molina steht: Auffallend ist, dass sie und mit ihnen grosse Teile ihrer jeweiligen Partei eine eindimensionale Sicht auf die genannten Konflikte an den Tag legen. Der Ukraine-Krieg hat acht Jahre vor dem 24. Februar 2022 begonnen, der Nahost-Konflikt nicht am 7. Oktober 2023. Mit den einseitigen Verurteilungen einer Kriegspartei wird man der Komplexität der Konflikte wohl kaum gerecht. Einig ist sich Salzmann mit Molina jedoch hinsichtlich der Nato-Übungen: «Meines Erachtens ist es nicht nötig, dass wir gemeinsame Truppenübungen mit der Nato machen, um den Verteidigungsfall Schweiz zu üben.»

Sollte Molinas Nato-Motion im Parlament auf Anklang stossen, dürfte sich auch Salzmann demnächst mit ihr befassen. Er ist Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats. Scharfe Kritiker einer Nato-Annäherung findet man in dieser Kommission aber weniger. Mitte und FDP verfügen dort über eine Mehrheit. «Die Armee ist auf eine enge Kooperation mit der Nato angewiesen, ein Verteidigungsbündnis notabene», sagt etwa Marianne Binder-Keller. «Ohne sie könnte die Schweiz nicht geschützt werden», Laut der Mitte-Ständerätin spricht nichts gegen Nato-Übungen, inklusive solcher, in denen der Bündnisfall simuliert wird.

Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der SiK-S gibt Salzmann Molinas Motion wenig Chancen. Dass nun im Parlament aber immerhin über zentrale Aspekte der Schweizer Aussen- und Verteidigungspolitik debattiert wird, ist auch Salzmann zu verdanken. Der erwähnte Bericht «Verteidigungsfähigkeit und Kooperation» des Bundesrats, der Molinas Motion vorausging, ist durch den Berner SVP-Ständerat und seinen Urner FDP-Kollegen Josef Dittli (FDP) angestossen worden. Dittli forderte die Regierung auf, darzulegen, wie die Schweiz noch enger mit der Nato kooperieren könnte. Salzmann wollte vom Bundesrat in Erfahrung bringen, wie die Regierung die Verteidigungsfähigkeit der Armee vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs zu stärken beabsichtige.

In Bern wird den Kritikern einer Nato-Annäherung weiterhin ein rauer Wind entgegenwehen.Aus neutralitätspolitischer Sicht ist der bundesrätliche Bericht problematisch. Die Stossrichtung könnte deutlicher nicht sein: Die Zusammenarbeit mit der Nato, die seit 1996 mit der Partnerschaft für den Frieden besteht und seither schleichend ausgebaut worden ist, soll in Zukunft noch intensiviert werden. Neben den gemeinsamen Übungen mit der Nato, die laut Bundesrat «gesamte Bandbreite der Fähigkeiten» umfassen, plant Bern, auch mehr VBS-Vertreter in die Nato-Hauptquartiere zu entsenden.

Offiziere vor Ort hat das VBS bisher unter anderem bei Allied Command Operations in Mons (Belgien), Allied Command Transformation in Norfolk (USA) sowie an der Nato-Schule in Oberammergau (Deutschland). Derzeit werden weitere Entsendungen geprüft, so zum Beispiel an das Nato Defense College in Rom (Italien). Auch am Military Engineering Centre of Excellence in Ingolstadt (Deutschland) will sich die Schweiz in Zukunft beteiligen. Zudem visiert das VBS an, am Nato Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence in Tallinn die Anzahl an Mitarbeitern aufzustocken.

Es geht ans Eingemachte

Klar dürfte sein: Unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen in Bern wird den Kritikern einer Nato-Annäherung weiterhin ein rauer Wind entgegenwehen. Das Positive ist, dass nun grundsätzliche Fragen hinsichtlich der künftigen Schweizer Sicherheits- und Aussenpolitik das Parlament erreicht haben. In der Vergangenheit sind Legislative und Öffentlichkeit bei diesem Thema oftmals aussen vor geblieben. Dabei geht es hier ans Eingemachte. Gesägt wird gerade an denjenigen Säulen, auf denen der Schweizer Staat aufgebaut ist.

Die 3 Top-Kommentare zu "Molina bremst Amherd aus"
  • Stefan Christen

    Es ist sehr positiv, wenn sich ein breiter Widerstand gegen jede Form der Zusammenarbeit mit der NATO bildet. Es gibt aktuell keine gefährlicheres und aggressiveres Militärbündnis weltweit. Jeder der da mit dabei ist, lädt grosse Schuld auf sich und es wird ihm später, - wenn die ganze Wahrheit ans Licht kommt - sehr leid tun.

  • fmj

    Es ist an der Zeit, dass man diese Dame merken lässt, dass sie hochgradig ersetzlich ist! Sie fällt in letzter Zeit durch Aktionen und Äusserungen auf, die in einem normalen Arbeitsverhältnis zur umgehenden Kündigung führen. Nur der Filz stützt si.

  • Eliza Chr.

    Schon einmal habe ich es gesagt: Das erste Mal hat der eingebürgerte Molina das Hirn eingeschaltet und sich FÜR statt gegen die Schweiz ausgesprochen. Das heisst jedoch nicht, dass ich sein sonstiges Handeln gegen die Schweiz akzeptiere und jetzt in ein Loblied ausbreche, denn als Parlamentarier mit dem abglegten Eid hat er sich NUR FÜR die Schweiz auszusprechen, etwas was viele 'vergessen'!