Weltwoche: Sie waren 35 Jahre lang in der Politik aktiv, standen immer im Rampenlicht – und gingen mit 63 in Pension. Wie erlebten Sie diesen Lebenseinschnitt?

Monika Weber: Das Leben ging natürlich weiter, langweilig wurde es mir nie. Ich habe verschiedene freiwillige Tätigkeiten übernommen, so die Präsidien der Winterhilfe Schweiz und der Stiftung Zürcher Kinder- und Jugendheime. Zudem gründete ich die Jeanne-Hersch-Gesellschaft (JHG), die sich mit dieser grossen Schweizer Philosophin, Pädagogin und Schriftstellerin beschäftigt, und bin bis heute deren Präsidentin. Zu Herschs 100. Geburtstag habe ich ein Buch mit zwanzig Vorträgen von ihr herausgegeben. Mit siebzig bin ich aber, mit Ausnahme des Präsidiums der JHG, überall zurückgetreten.

Weltwoche: Womit haben Sie sich in den letzten fünfzehn Jahren hauptsächlich beschäftigt?

Weber: Da waren die freiwilligen Einsätze, dann all die Themen rund um die demokratische Staatsform – sie beschäftigen mich sehr. Und natürlich habe ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis gepflegt. Gespräche mit ihnen bedeuten mir viel. Wichtig war und ist mir auch immer, dass ich ein bisschen Sport treibe. Und da war bis vor sechs Jahren auch meine liebe Mutter, die bei mir wohnte, bis sie leider gestorben ist.

Weltwoche: Sie waren Kantons-, National-, Stände- und Stadträtin in Zürich. Welches Amt hat Ihnen am besten gefallen?

Weber: Ich war in allen Ämtern sehr glücklich und habe mich immer voller Freude engagiert. Ich finde, es ist eine grosse Ehre, sich für die Allgemeinheit einsetzen zu dürfen.

Weltwoche: Was hätten Sie rückblickend anders gemacht?

Weber: Ist das nicht ein bisschen eine freche Frage? Spass beiseite: Es gibt sicher Dinge, die ich heute nicht mehr gleich wie damals anpacken würde. Aber eigentlich bin ich mit meinem Einsatz zufrieden.

Weltwoche: Sie gehörten während Ihrer ganzen Karriere dem LdU an und politisierten nach dessen Auflösung 1999 als Parteilose weiter. Warum kam es mit dem LdU so weit? Wäre er heute nicht wieder eine zeitgemässe Kraft?

Weber: Ich denke, jede Partei hat ihre Zeit, ihre Hochs und Tiefs. Ich bin nach der Auflösung des LdU parteilos geblieben. Viele Gedanken von Gottlieb Duttweiler, dem Gründer des Landesrings und natürlich der Migros, sind auch heute noch topaktuell und sind für mich bis heute entscheidend: Der Stärkere ist für den Schwächeren da. Freiwilligkeit ist der Preis der Freiheit.

Weltwoche: Sie setzten sich auch immer für Frauenanliegen und -förderung ein. Wie beurteilen Sie die heutige Situation?

Weber: Die Situation hat sich gegenüber 1971, als das Frauenstimmrecht beschlossen wurde, in wichtigen Fragen sehr positiv entwickelt. Aber die Welt ist nie perfekt! Es gibt immer noch etwas zu tun.

Weltwoche: Die demokratische Bildung war Ihnen stets ein grosses Anliegen. Warum erachten Sie diese als derart wichtig?

Weber: Um unsere schweizerische Demokratie richtig gern zu haben, muss man verstehen und wissen, wie sie funktioniert. Das ist sehr wichtig. Und dass viele Menschen in unserem Land etwas von ihr wissen müssen oder müssten, ist von staatstragender Bedeutung.

Weltwoche: Im nächsten Jahr werden Sie achtzig Jahre alt. Welche Pläne haben Sie noch?

Weber: Ich bin sehr dankbar, wenn ich mich weiterhin für Demokratiefragen interessieren und entsprechende Vorträge (online oder live) hören darf. Ich werde Bücher lesen und vor allem mit Menschen gute Gespräche geniessen. Und ich setze mich weiterhin dafür ein, dass das Werk von Jeanne Hersch ins Netz gestellt werden kann. Auch freue ich mich, wenn ich mich noch lange sportlich bewegen kann.

 

 

Monika Weber, Jahrgang 1943, studierte Philosophie und Politologie. Zwischen 1987 und 1998 war sie Zürcher Ständerätin (LdU), von 1998 bis 2006 Stadträtin (parteilos). Jahrelang arbeitete sie zudem in einer Spitzenposition bei der Migros.