Was ist hier falsch? Alles, richtig. Alles ist falsch an diesem Bild aus dem Ressort Irrtümer der Evolution. Die abgebrochene Riesin ist zu gross, um wahr zu sein, die Männer sind zu klein und zu unansehnlich. Dieses Bild ist pure Irreführung, ist eine Momentaufnahme vom Illusionistengipfel in Cannes, und am Ende des roten Teppichs wartet die Wirklichkeit, stehen wir, die Weight Watchers und Couch-Surfer.

Verwirrender aber ist dies: Dieses Bild gibt Krisensignale. Die Saumlänge des Trauerfähnchens von Eva Herzigova hat sich in dünne Luft zurückgezogen. Und diesen Dresscode kennt jeder Soziologe: Geht’s der Wirtschaft schlecht, werden die Kleider kürzer. Rezessions-Chic, sagt der Fachmann dazu. Und die Fachfrau wiegt wissend den Kopf.

Ob Frau Herzigova das gewusst hat, als sie bei Dolce und Gabbana auf Einkaufstour ging? Wahrscheinlich nicht, und es wäre unfair, es ihr anzulasten, wenn Goldman Sachs wieder in die Miesen rutscht. Das tschechische Model griff zwar durchaus aus strategischen Gründen zu dieser Nichtigkeit Stoff, doch nicht aus globalökonomischen, sondern aus privatwirtschaftlichen Erwägungen: Sie wollte ihr bestes Stück unverhüllt lassen. Die zwei besten Stücke sogar, ihre Beine.

Frauenbeine sind das Filetstück jeder Frau, ob wir uns das eingestehen oder nicht. Und auch wenn wir grundsätzlich darauf pochen, dass der Mensch ein Ganzes sei, Frauen werden vorzugsweise tranchiert wahrgenommen, gemessen am Bein, gewogen an der Brust, taxiert im Gesicht. Am Anfang von Frau Herzigovas Coming-out, wir erinnern uns, stand ihr Gesicht zum gemachten Busen, sie trat auf dem Times Square zum ersten Mal in Erscheinung als «Miss Wonderbra» . . . Und was das Bein betrifft: Ob die feministische Erlösung des Frauenbeins vom einst züchtig verhüllten Körperteil zum verführerischen Glanzstück für unser persönliches Fortkommen eine Verbesserung bedeutet, muss jede für sich entscheiden.

Für Eva Herzigova hat sich die Befreiung des Beines in jeder Hinsicht gelohnt. Ihre Erfolgsgarderobe lassen die Referenz-Stelzen wie attische Trophäen aufleuchten. Wer als Frau standhaft bleibt, an diesem Vorbild innerlich nicht scheitert, wird auf etwas Drittes eifersüchtig sein: Die tschechische Herkulin muss sich nicht entscheiden, ob sie beruflich ernst genommen werden – oder sexy sein will. In ihrem glücklichen Fall geht beides, Hand in Hand, um es so und nicht anders zu sagen.