Schlägt man in diesen Tagen eine Zeitung auf, kommt man nicht um Jürg Grossen herum. Der Präsident der Grünliberalen weibelt für das sogenannte Klimaschutzgesetz, über das wir am 18. Juni abstimmen. In einem Inserat des Ja-Komitees lächelt Grossen neben dem Slogan: «Vom Klimaschutz profitiert das Gewerbe.» Das Stichwort «profitieren» trifft den Nagel auf den Kopf. Denn dieses Gesetz ist ein Subventionsgesetz, das bestimmte Unternehmen und Branchen gezielt bevorzugt und andere massiv benachteiligt und auf lange Sicht sogar eliminiert. Gute Nacht, Ölhändler. Guten Morgen, Wärmepumpenverkäufer.

Zu den Profiteuren zählt Jürg Grossen – nicht nur politisch, sondern auch geschäftlich. Er ist an mehreren Firmen beteiligt, die den Klimawandel und die «Energiewende» zum Geschäftsmodell erhoben haben. Ein Beispiel ist die Smart Energy Link AG mit Sitz in Frutigen. Diese bringe «die Energiewende in Ihr Gebäude – mit Solarstrom und einer intelligenten Steuerung zum Eigenverbrauch, die sich für alle lohnt», so die Eigenwerbung. Am meisten dürfte es sich für Grossen lohnen. Er ist Präsident der Smart Energy Link AG.

Geniales Geschäftsmodell

Den Vogel schiesst Grossen mit der Netto-Null.Swiss AG ab, die ebenfalls in seinem Wohnort Frutigen domiziliert ist. Sie macht das Ziel des Klimagesetzes, «netto null» CO2-Ausstoss bis 2050, kurzerhand zum Firmennamen. Das Unternehmen mit einem Stammkapital von 100 000 Franken ist eine Parallelaktion zum Gesetz: Es wurde am 3. Dezember 2021 ins Handelsregister eingetragen – just zu dem Zeitpunkt, als Nationalrat Grossen im Parlament den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative aufgleiste. Wann hat man je einen so entwaffnend ehrlichen Profiteur in der Schweizer Politik gesehen?

Die kongeniale Verschmelzung von Politik und Geschäft, von öffentlichem und eigenem Interesse geht im Fall von Jürg Grossen über Jürg Grossen hinaus. Das Modell «Grossen» schliesst auch seine Frau Annelies Grossen-Rösti ein. «Wir machen Politik im Team», verriet sie der Schweizer Illustrierten. Frau Grossen ist Gemeinderätin in Frutigen. Das politische Teamplay mit ihrem Mann könnte in Zukunft noch enger werden: Sie kandidiert ebenfalls für den Nationalrat, ebenfalls für die Grünliberalen.

Grossen profitiert in Personalunion als Unternehmer, Politiker und Multiverbandsvertreter.Geschäftlich ist die «Gärtnerin» (Selbstbezeichnung) längst ins Grossen-Imperium integriert, unter anderem als Verwaltungsrätin bei der Netto-Null-AG und als «Facility Managerin» bei der Elektroplan AG, bei der ihr Mann in der Geschäftsleitung sitzt. Auch Annelies Grossen hat den Twist raus: Sie will eine «Zukunft, welche die Lösungen für den Klimaschutz endlich umsetzt, welche schon vorhanden sind». Die Schweizer Unternehmen seien «Innovationsweltmeister» und wüssten, wie die Klimaziele zu erreichen seien. Wer hat’s erfunden? Die Grossens.

Neben weiteren Unternehmen wie der Elektroplan Buchs & Grossen AG sichert der GLP-Präsident seinen Einfluss in der Lobby- und Verbandspolitik ab. Auch dort ist er in Branchen tätig, die vom Klima-Hype und von dessen politischer Bewirtschaftung profitieren. Er ist Präsident von Swissolar, dem Schweizerischen Fachverband für Sonnenenergie. Er ist Präsident von Swiss E-Mobility und zugleich Co-Präsident der parlamentarischen Gruppe Elektromobilität. Und er ist Präsident von Smartgridready, einem Verein, der die Umsetzung der «Energiestrategie 2050» mit «intelligenten Stromnetzen» und einem «anerkannten Label» vorantreiben will.

Halten wir fest: Das Geschäftsmodell «Grossen» ist schlicht grossartig. Sein Erfinder warnt als Parteipräsident und Nationalrat in düsteren Farben vor dem globalen Kollaps («Gegen die Klimaerwärmung aber gibt es keine Impfung. Wir haben nur noch wenig Zeit, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Wir müssen jetzt konsequent handeln»), baut als Multiverbandspräsident Druck auf, macht als Parlamentarier die passenden Gesetze und profitiert davon wiederum in Personalunion als Unternehmer, Politiker und Verbandsvertreter.

Die Welt retten und damit die eigene Tasche füllen? Grossen hat dies zur Perfektion getrieben, auch wenn er gegenüber der Weltwoche tiefstapelt: «Ich habe kein geniales Geschäftsmodell entwickelt, vielmehr lebe ich meine Überzeugungen hin zu mehr Nachhaltigkeit als Unternehmer konsequent – und zwar schon lange bevor ich in die Politik eingestiegen bin.» Alle Firmen, bei denen er direkt oder indirekt beteiligt ist, seien «auch in Zukunft gut ausgelastet. Wir sind nicht auf politische Unterstützung angewiesen.» Sind die Steuermilliarden also überflüssig?

Energiemehrkosten von 5000 Franken

Die Neue Zürcher Zeitung hat unlängst vor einem «Klimakommunismus» gewarnt. Das ist durchaus berechtigt angesichts der planwirtschaftlichen Anwandlungen in Bundesbern. Ebenso gut könnte man aber auch von «Klimakapitalisten» sprechen, und Jürg Grossen wäre ihre Galionsfigur. Nichts gegen profitable Unternehmen, nichts gegen smarte Profitoptimierer. Doch hier geht es um Staatseingriffe, um Subventionswirtschaft für boomende Branchen, die ohnehin kaum liefern können, was die Nachfrage verlangt. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) bezeichnet den Milliardengeldsegen denn auch als «Kern» des Klimaschutzgesetzes.

Die zu verteilenden Summen machen den Appetit von Grossen & Co. verständlich: Insgesamt sollen in den nächsten Jahren 3,2 Milliarden Franken umverteilt werden. Zwei Milliarden sind für den Ersatz von Öl- oder Gasheizungen vorgesehen. Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) gehören die Hausbesitzer darum zu den Hauptprofiteuren der Vorlage. Dumm nur, dass der Hauseigentümerverband (HEV) dies anders sieht. Er lehnt den faktischen Sanierungszwang ab. Auch würden viele Eigentümer auf erheblichen Kosten sitzenbleiben, und die Mieten würden steigen. Weitere 1,2 Milliarden Franken will das Gesetz in Unternehmen pumpen, die «in klimafreundliche Technologien investieren».

Damit sind die finanziellen Dimensionen allerdings bei weitem nicht ausgelotet. Die Strategieberatungsgruppe Boston Consulting rechnet mit gegen 400 Milliarden Franken für den angestrebten Totalumbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Teuer wird es gemäss einer ETH-Studie auch für die Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen im Extremfall einen Anstieg der jährlichen Energiekosten von heute 3000 auf 9600 Franken berappen – pro Person.

Umgekehrt zählen Branchen wie die Gebäude- und Elektrotechnik zu den Gewinnern. Neben den Herstellern und Installateuren von Solaranlagen und Wärmepumpen macht die Finanz und Wirtschaft «Profiteure der Energiewende aus der zweiten Reihe» aus, beispielsweise Versicherungen. Als umtriebige Akteure im Speckgürtel der Klimapolitik fallen insbesondere Staatsbetriebe wie die Bernischen Kraftwerke (BKW), die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) oder die Industriellen Werke Basel (IWB) auf. Sie betreiben eine aggressive Expansionspolitik, kaufen reihenweise Unternehmen im Bereich Fotovoltaik oder Elektroinstallation und profitieren mehrfach: Sie können mit Steuergeld im Rücken auf Subventionsjagd gehen und private Konkurrenten vom Markt drängen.

Wo es so viel zu holen gibt, sind die parlamentarischen Türöffner nicht weit. Auf Augenhöhe mit Jürg Grossen agiert Peter Schilliger, FDP-Nationalrat und «Unternehmer Gebäudetechnik». Mit der Herzog Haustechnik AG und weiteren Firmen ist der ehemalige Zentralpräsident und heutige Beirat des Gebäudetechnik-Verbands Suissetec eine Schlüsselfigur der Branche. Er engagiert sich im Ja-Komitee des Klimagesetzes, das als indirekter Gegenvorschlag die zentralen Forderungen der links-grünen Gletscherinitiative übernimmt. Bedenken, damit das freisinnige Gedankengut zu verraten, wischt Schilliger weg. «Als Liberaler hat man nicht nur Freude, wenn Gesetze an Subventionen gekoppelt sind», sagte er bei einem Kampagnenauftritt. In diesem Fall sei das aber berechtigt. Wie sehr das süsse Gift des Staatsgelds die Sinne vernebelt, zeigt die Tatsache, dass der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) Stimmfreigabe beschlossen hat. Der Wirtschaftsdachverband Econonomiesuisse steht sogar «klar» hinter der auf links-grünem Mist gewachsenen Vorlage.

Lukrative Interventionen

Eine schillernde Rolle spielt Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Das hat nicht nur damit zu tun, dass der einst stramm konservative Katholik vom Ägerisee in letzter Zeit scharf nach links zieht. Der Germanist und ehemalige Schulleiter Pfister ist Präsident von Cemsuisse, dem Verband der Schweizerischen Cementindustrie. Diese hat ein starkes Geschäftsinteresse am Bau von tonnenschweren Sockeln für Windräder und generell an Neubauten. Sie profitiert, wie kaum eine andere Branche, von der Zuwanderung und der damit einhergehenden Zubetonierung der Schweiz. Könnte für sie auch das Schielen auf Subventionen für die CO2-Speicherung interessant sein? Immerhin macht dafür sogar das Abstimmungsbüchlein des Bundes Reklame («das CO2 wird in Beton eingelagert, der im Bau eingesetzt wird»). Pfister dementiert scharf, ein Klimaprofiteur zu sein. Aber auch er spricht vom «breiten Einsatz neuer Technologien», die der Bund ja fördern will. Eine «entsprechende Planungssicherheit bezüglich Speicherung und Transport von abgeschiedenem CO2» sei für die Zementindustrie «sehr wichtig». Fakt ist: Pfister ist neben Grossen, Petra Gössi (FDP) und Nadine Masshardt (SP) auf den Inseraten abgebildet, die behaupten, vom Klimaschutz «profitiere» das Gewerbe.

Wo es so viel zu holen gibt, sind die parlamentarischen Türöffner nicht weit.Auch auf links-grüner Seite steht der staatlich gelenkte Klimakapitalismus hoch im Kurs, selbst bei einem Genossen wie Roger Nordmann, der sich als «Berufspolitiker» bezeichnet. Das hindert den Ex-Präsidenten von Swissolar nicht daran, die Interessen der Firma Planair sowie der Groupe E im freiburgischen Granges-Paccot zu vertreten, die ganz dick ins Geschäft mit der Klimapolitik eingestiegen ist. Das Unternehmen mit 2500 Mitarbeitern, das aus der Fusion der Freiburger Elektrizitätswerke (FEW) mit der Electricité neuchâteloise SA (Ensa) hervorging, will «seinen Beitrag zur Energiewende leisten» und hat nach eigenen Angaben «die grösste ans Netz angeschlossene Photovoltaikkapazität». Der Hunger nach dem subventionsgetriebenen Ausbau der Sonnenenergie ist damit nicht gestillt: «Bis zum Jahr 2035 wollen wir weitere 35 000 Photovoltaikanlagen aufbauen.» Ausserdem setzt die Groupe E stark auf Elektromobilität. Die ursprüngliche Aufgabe der regionalen Stromversorgung rückt demgegenüber in den Hintergrund.

«Politik der Chancen»

Ein Händchen für geschäftsfördernde Staatsinterventionen hat Eric Nussbaumer (ebenfalls SP). «Ich engagiere mich konsequent für Investitionen in die Zukunft: Erneuerbare Energien und gesteigerte Energieeffizienz schaffen nachhaltig Tausende neue Arbeitsplätze», verkündet er. Seine Interessenbindungen führen zur ADEV Energiegenossenschaft in Liestal, zum Wärmeverbund Lehenmatt Birs AG in Basel («Werden Sie Teil der Wärmezukunft») und zur Willy Gysin AG («Wir bauen für Sie eine schlüsselfertige Solarstromanlage auf Ihr Dach»). In Bern sorgt Nussbaumer dafür, dass die entsprechenden Bundesgelder fliessen. Auch mehrere Parlamentarierinnen aus dem links-grünen Spektrum dürfen sich rühmen, den Ausgang der Welt aus der angeblichen Klimahölle mit geschickter Klientelpolitik zu vergolden.

Die Grüne Franziska Ryser («Für Klimaschutz und Gleichstellung») ist Präsidentin der Konferenz der Gebäudetechnik-Verbände (KGTV). Autoschreck Gabriela Suter lobbyiert an führenden Stellen für Swisscleantech, Swissolar sowie die «Netzwerkorganisation» Eco.ch, die «Akteure aus Politik und Gesellschaft mit Aktivistinnen und Aktivisten» verbindet. Das ist der Stoff, aus dem politische Erfolgsgeschichten wie die Umwandlung der extremen linken Gletscherinitiative in mehrheitsfähige, wenn auch im Effekt praktisch identische Bundesgesetze gewoben sind.

Am schlausten macht es aber vielleicht doch die GLP («Die Politik der Grünliberalen ist eine Politik der Chancen»). Die Zürcher Nationalrätin Barbara Schaffner («Fossile Energien für Dinosaurier, erneuerbare für uns») ist aktiv bei der ADEV Energiegenossenschaft GmbH, bei der ADEV Solarstrom AG, bei Biomasse Suisse, bei der Schweizer Velo-Allianz Cycla und bei der Unternehmerinitiative Neue Energie Zürich. Wie sagt doch ihr Präsident Jürg Grossen: «Ein gesundes Klima ist die Voraussetzung für eine gesunde Bevölkerung und eine gesunde Natur. Davon profitieren wir alle: die Natur, die Wirtschaft und vor allem auch wir Schweizerinnen und Schweizer.» Manche profitieren einfach noch ein bisschen mehr. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Wirkung von netto null auf das Klima so gut wie null ist, weil die Schweiz nur einen Tausendstel zum weltweiten CO2-Ausstoss beiträgt und die Emissionen sowieso weiter reduziert. Hauptsache, die Milliarden fliessen. Hauptsache, die Kasse klingelt.