Der Zürcher Tausendsassa, der in den 1990er Jahren mit dem Swiss Inline Cup eine kleine Sportrevolution schaffte und später als Erfinder, Querdenker und Gestalter die Kulturbranche aufmischte, steht vor seinem neusten Wurf: einer gewaltigen Bronzestatue, die eine Verschmelzung von Schildkröten und Menschen zeigt. 400 Kilogramm Bronze – die Verkörperung einer Vision.

 

Ehrfurcht und Bewunderung

Der Beobachter staunt ziemlich ratlos. Altherr, der sein Werk unbescheiden «Masterpiece» nennt, stellt das Weinglas zur Seite und liefert die Erklärung: «Ich will mit dieser Statue provozieren – und quasi die Urfrage stellen. Lief die Evolution vielleicht falsch? Warum haben die Menschen fünf Finger – und keinen Schildkrötenkopf?» Denn schliesslich sei es dieses seit 250 Millionen Jahren auf der Erde lebende Tier, das in vielen Kulturkreisen für mythologische Tiefe steht – und für Qualitäten wie Kraft, Ausdauer, Geduld und Langlebigkeit: «Blinzelt einem eine Schildkröte ins Gesicht, löst sie damit unweigerlich eine leise Ehrfurcht und Bewunderung aus.»

Das seit 250 Millionen Jahren auf der Erde lebende Tier steht für Kraft, Ausdauer, Geduld und Langlebigkeit.

Altherr, 74, redet mit wachem Blick und grosser Überzeugungskraft. Und er spricht aus eigener Erfahrung. In seinem Einfamilienhaus hoch über dem Zürichsee beherbergt er eine Aldabra-Schildkrötenfamilie – mit zwei ausgewachsenen Aldabras als Hauptattraktion. Wobei er das Wort «Attraktion» als unangebracht empfindet: «Ich sehe die Schildkröten weder als Ausstellungsobjekte noch als Haustiere. Deshalb gebe ich ihnen auch keine Namen. Ich halte sie, weil ich möglichst viel über ihre Denkweise herausfinden will.» Rund 45 Jahre sind die beiden Tiere alt – über zwei Jahrzehnte jünger als Altherr. Und sie werden ihn wohl deutlich überleben: «Aldabra-Schildkröten werden bis zu 150 Jahre alt.»

Die Szenerie in Altherrs Haus wirkt leicht skurril. Vor dem Fenster öffnet sich der magistrale Blick über den Zürichsee, im Wohnzimmer, das gleichzeitig als Atelier fungiert, stehen Bilder und Skulpturen in allen Farben und Formen vermeintlich wild durcheinander – und im Dachgarten strecken die gewaltigen Schildkröten ihre langen Hälse den Grashalmen entgegen.

 

Frage nach dem Sinn

Doch zurück zu Altherrs Motivation für seine Ausstellung, die seit Ende Januar zu bestaunen ist: Wussten Sie, dass Schildkröten in gewissen Weltgegenden ein beliebtes Nahrungsmittel sind? Besonders seltene Exemplare werden für mehrere zehntausend Dollar gehandelt. Auch diese Problematik thematisiert der Universalkünstler in seinem Schaffen. Das Gemälde «I Don’t Want to Be a Soup» konfrontiert den Betrachter mit dem über 3000 Jahre alten chinesischen Glauben, nach dem alles Gute, das die Schildkröte verkörpert, beim Verspeisen in den Menschen gelangt.

Dafür hat Altherr keinerlei Verständnis. Stattdessen spricht er von einem «unwiderstehlichen Charme, der diese stillen Überlebenskünstler umgibt». Dies soll ab diesem Jahr für die Öffentlichkeit in der grossen Roadshow «Die Welt ohne uns» erlebbar werden – angefangen hat sie Ende Januar im Perry-Center in Oftringen. Es ist die Verwirklichung eines langersehnten Traums, der Altherr durch die ganze Schweiz und wenn möglich bis nach China bringen soll. So will er zum Artenschutz beitragen und die Menschen für unsere Umwelt sensibilisieren. Vor allem aber will er den Besuchern die Sinnfrage stellen: «Bevor die Menschheit auf den Mars fliegt, soll sie über sich selber nachdenken.»

artconi-roadshow.com