Viele halten den bekanntesten Berg Hollywoods für das Matterhorn. Die Inspiration zum markanten Spitz im Firmenzeichen der Paramount-Studios hat aber womöglich einen anderen Ursprung. Genau weiss man es nicht. Sicher ist: Die Gipfelkönigin heisst Shari Redstone, 70, Mehrheitsaktionärin von Paramount. Sie wird entscheiden, in welche Hände einer der geschichtsträchtigsten Vermögenswerte Hollywoods fällt. Eine Bieterschlacht um Paramount liefern sich derzeit David Ellison, Sohn von Oracle-Gründer Larry Ellison mit seiner Produktionsfirma Skydance, und die Private-Equity-Firma Apollo zusammen mit Sony Pictures. Es geht um Milliarden, einen symbolischen Richtungsentscheid und ein wertvolles Stück Land.

 

Als seine Gesundheit nachliess

Paramount, 1912 gegründet, ist das letzte grosse Filmstudio, das sich tatsächlich in Hollywood befindet: Eingepfercht zwischen der Gower Street, dem Santa Monica Boulevard, der Van Ness Avenue und der Melrose Avenue, grenzt es auch an den Hollywood Forever Cemetery. Hier liegen viele Filmgrössen begraben. Gleich nebenan wurden auch grosse Filme gemacht: «Sunset Boulevard», «The Godfather», «Chinatown», «Titanic» sind alles Paramount-Produktionen. Der letzte Hit des Studios hiess «Top Gun: Maverick» (2022).

Es geht um Milliarden, einen symbolischen Richtungsentscheid und ein wertvolles Stück Land.

Kontrolliert wird der amerikanische Medienriese, zu dem unter anderem auch der Fernsehsender CBS gehört, von der Holding National Amusements (NAI). Deren Präsidentin heisst Shari Redstone. Sie ist die Enkelin von Michael Redstone, der die Firma 1936 in Boston gegründet hatte. Sein Sohn Sumner erweiterte den Betrieb mit drei Drive-in-Cinemas ab den fünfziger Jahren zu einer landesumspannenden Kette. NAI besitzt heute noch über 1500 Kinos. Shari stiess spät dazu. Das Verhältnis zu ihrem Vater war zu angespannt, um für die Nachfolge der Firmenleitung in Frage zu kommen. Erst als seine Gesundheit nachliess, kamen sie sich näher. Sie übernahm die Pflege bis zu seinem Tod mit 97 – und vor knapp vier Jahren die Geschäfte ihres Vaters.

Shari Redstone geriet mitten in einen Sturm: Netflix, Covid-Pandemie und Streiks in Hollywood dominierten das Tagesgeschäft. Wie es der Zeitgeist verlangte, rief auch sie einen Streaming-Dienst ins Leben. Mit der Lancierung von Paramount+ vor zwei Jahren habe das Unternehmen Milliarden von Dollar verloren, und die Aktien seien seit ihrem Amtsantritt um 50 Prozent gefallen, schreibt die Financial Times. Ende April kam es zum Bruch mit dem langjährigen CEO und Redstone-Vertrauten Bob Bakish. Sie liebäugelte damit, Paramount in einer komplizierten Transaktion David Ellisons Skydance zu verkaufen, Bakish trieb die Verhandlungen mit dem Private-Equity-Unternehmen Apollo und dem japanischen Unterhaltungskonzern Sony voran. Bakish musste gehen.

Es ist ein Kampf zwischen Bankern und Kreativen. Die Filmwelt zöge einen Deal mit Ellison vor, berichten die Medien. Der 41-jährige Milliardärssohn, der mit 27 die Firma Skydance gegründet hatte, ist ein Filmfreak und hat ein Händchen für gute Unterhaltung. Er brachte die «Top Gun»-Fortsetzung auf die Leinwand, ist bei der «Mission: Impossible»-Reihe an Bord, gilt aber auch als innovativer Geist, was neue Techniken und Vertriebsformen betrifft. James Cameron («Titanic», «Terminator», «Avatar») ist ein Freund des Hauses. Beim zweistufigen Übernahmeangebot von Skydance würde Redstone sofort zwei Milliarden Dollar erhalten. Paramount-Investoren bevorzugen, wie es heisst, aber die einfachere Apollo-Sony-Lösung, da die Aktionäre besser wegkämen. Das Gebot liegt bei 26 Milliarden Dollar. Ein solcher Deal hätte wiederum zur Folge, dass das Paramount-Gelände in Hollywood nicht mehr für die Filmerei zur Verfügung stehen, sondern bald umgenutzt oder verkauft werden könnte. Analysten schätzen den Wert des Grundstücks auf über 1,5 Milliarden Dollar.

 

Goldesel der Studios

Der Verlust von 26,3 Hektar Hollywood-Land wäre kein Drama. Er steht vielmehr sinnbildlich für das langsame Schrumpfen des herkömmlichen Geschäfts. Viele Branchenkenner aus der Finanzwelt sind der Meinung, dass von den fünf grossen Hollywoodstudios, Paramount, Warner, Disney, Universal und Sony, bald nur noch drei übrigbleiben werden. Die Goldesel der Studios waren lange Zeit die hauseigenen Pay-TV-Stationen, cable genannt. Die von Netflix ausgelöste Streaming-Revolution sog das Publikum weg vom Fernsehen. Die Studios reagierten und gaben Milliarden für eigene Streaming-Kanäle wie Paramount+, Disney+ et cetera aus, doch konnten sie den Rückgang der klassischen TV-Einnahmen bisher nicht ausgleichen. Banker vergleichen die Situation mit einem «schmelzenden Eiswürfel».

Shari Redstone, in deren Händen Paramount zu zerrinnen droht, möchte auf jeden Fall verhindern, dass das Traditionsunternehmen nach der Veräusserung verscherbelt wird. Wer weiss, vielleicht verzichtet die Juristin doch noch auf einen Verkauf des Familiensilbers und verwaltet das Erbe ihres Vaters selber weiter – von nun an einfach mit etwas mehr Fortune.