Wieder einmal ist Europa knapp einer Katastrophe entkommen. Nicht der «Rechts­populist» Norbert ­Hofer wurde zum Präsidenten der Kaiserschmarrn-Republik gewählt, sondern der Kandidat der ­Grünen, der bürgerlichen Mitte und der städtischen ­Intelligenz: der Ökonom Van der Bellen. Europa nahm den Vorgang zur Kenntnis, Deutschland erwachte wie aus einem Alb-traum. Kaum waren am Wahltag die ersten Hochrechnungen bekannt geworden, die Hofer in Führung zeigten, twitterte die deutsche Grüne Jugend: «Österreich, was bist du für 1 Naziland?» Und: «Wir lassen uns Europa nicht von den Rechten wegnehmen!» Die wichtigste Regel aller politischen Diskurse – «Kein Generalverdacht! Keine kollektiven Herabsetzungen!» – hatte ihre Geltung verloren.

Und als dann das vorläufige Endergebnis feststand, erklärte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, Van der Bellen sei «ein überzeugter Europäer». Aussenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, ganz Europa falle «ein Stein vom Herzen». Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Göring-Eckardt, sprach von einem «Wahlkrimi mit Happy End für die Demokratie». Nur wenige Kommentatoren wiesen darauf hin, dass der Unterschied zwischen dem «good guy» und dem «bad guy» grade einmal 0,6 Prozentpunkte betrug. Gabor Steingart, Herausgeber des Handelsblattes, brachte die Situation auf den Punkt: «Die FPÖ wurde besiegt, aber nicht geschlagen. Österreich erlebt einen Moment der Ruhe, aber es ist die Ruhe vor dem Sturm.» Wie kann man sich die deutschen Reaktionen erklären?

Fühlen sich die Menschen im Altreich immer noch für die Politik in der Ostmark verantwortlich? Können sie den «Anschluss», der vor 78 Jahren stattfand, nicht vergessen? Nein, das ist es nicht. Es ist viel einfacher. Nach einem Sieg von Hofer wären die guten Deutschen ­genötigt gewesen, sich zu überlegen, ob sie noch Ferien am Wolfgangsee machen, Grünen Veltliner trinken und Manner-Waffeln bei Aldi kaufen können. Sie hätten sich ja irgendwie «verhalten» müssen. Nun aber können sie weitermachen wie bisher und sich dabei auf den Kampf gegen die «Islamophobie» im ­eigenen Land konzentrieren.