Beste im Kanton Zürich im Jahr 2019, Schweizer Meisterin 2020 und schliesslich Weltmeisterin 2022. Die Vita von Juliana Thöny liest sich eindrücklich. Als Konditorin-Confiseurin ist die 23-jährige Aargauerin auf internationalem Parkett konkurrenzlos. Besonders hoch einzustufen ist ihr Titel bei den Berufsweltmeisterschaften, hat doch die Schweiz in ihrer Disziplin, «Pâtisserie and Confectionery», neunzehn Jahre lang nicht mehr gewonnen. «Der Erfolg war darum für mich sehr überraschend, ich hätte nie damit gerechnet», sagt sie bescheiden. «Und es war mir eine grosse Ehre, die Schweiz zu vertreten.» Dabei ist es nicht so, dass Juliana Thöny schon als kleines Mädchen gewusst hätte, dass sie überhaupt in ihrem heutigen Beruf Fuss fassen würde.

London, Gstaad, Las Vegas

Nach der obligatorischen Schulzeit stand die junge Frau wie so viele andere ohne ganz klare Vorstellung vor dem Entscheid, welche Lehrstelle sie antreten wollte. «Für mich war nur wichtig, dass ich etwas Kreatives und Gestalterisches machen konnte», erklärt Juliana Thöny, die in Oberlunkhofen aufgewachsen ist. Deshalb hat sie etliche Schnupperlehren absolviert, unter anderen war sie zweimal bei der Confiserie Sprüngli, die ihr bekanntes Hauptgeschäft am Zürcher Paradeplatz hat und in Dietikon produziert. «Plötzlich hat es da bei mir klick gemacht, und ich spürte, dass ich meine berufliche Bestimmung gefunden hatte.»

Während der dreijährigen Lehre stellte sich bald heraus, dass sich Thöny nicht getäuscht hatte. Sie fand dermassen Gefallen an ihrem Beruf, dass sich ihre Leistungen auch auf die Resultate niederschlugen: Im Jahr 2019 schloss sie die Lehre zur Konditorin-Confiseurin im Kanton Zürich als Beste ihres Jahrgangs ab. «Damit qualifizierte ich mich für die Teilnahme an den Schweizer Meisterschaften 2020, den Swiss Skills», sagt sie. Zuvor hatte Thöny noch ein sechsmonatiges Praktikum in London angetreten, und zwar in der Pastry-Abteilung des «Mosimann’s Club», des Restaurants des Schweizer Kochs Anton Mosimann. «Das war eine coole und lehrreiche, aber auch sehr strenge Zeit», sagt sie. Der Ausbruch von Corona Anfang 2020 beendete das England-Abenteuer vorzeitig.

Trotz den Corona-Massnahmen, welche die Gastronomie besonders hart trafen, konnte Thöny in der Sommersaison in Gstaad im Fünfsternehaus «The Alpina» arbeiten, wo sie Dessertteller exakt und mit viel Liebe zum Detail anrichtete. «In der anschliessenden Zwischensaison habe ich mich dann auf die Swiss Skills vorbereitet, die wegen der Pandemie nicht wie üblich in Bern, sondern in der Richemont-Fachschule für Bäckerei, Konditorei und Confiserie in Luzern stattfanden.» Als Trainingsort durfte sie die Lehrlingsbackstube von Sprüngli benutzen. An den dreitägigen Schweizer Meisterschaften überzeugten Juliana Thönys Torten, Pralinen und Patisserie-Kreationen die Jury so, dass ihr der Sieg nicht zu nehmen war.

Nach der Wintersaison abermals in Gstaad und der Sommersaison 2021 in der Confiserie «Al Porto» in Tenero, wo sie ohne Italienischkenntnisse anfing, trat Thöny im August bei Richemont in Luzern eine 50-Prozent-Stelle an. In der restlichen Zeit trainierte sie zusammen mit ihren Coaches für die Weltmeisterschaften, die World Skills, die zufällig wieder bei Richemont stattfanden. «Zur Vorbereitung verbrachte ich zehn Wochen in Las Vegas in der Pastry Academy by Amaury Guichon», führt sie aus. Auch in Belfort, Zofingen und Wettingen besuchte sie spezialisierte Betriebe.

Konkurrenz aus fünfzehn Ländern

Mitte Oktober dieses Jahres schlug dann ihre grosse Stunde. Als Mitglied des 37-köpfigen Nationalteams setzte sie sich gegen die ausländische Konkurrenz aus fünfzehn Ländern durch und holte eine von fünf Goldmedaillen für die Schweiz. «Vierzehn Stunden lang, verteilt auf zwei Tage, mussten wir verschiedene Kreationen sowie ein grosses Schaustück aus Schokolade herstellen und Überraschungsaufgaben lösen», beschreibt sie den Wettkampf. «Der Zeitdruck war enorm gross und die Konkurrenz stark.» Wichtig sei eine gute Arbeitsorganisation gewesen.

Darüber, was die Zukunft für sie bereithalten soll, hat sich Thöny noch nicht den Kopf zerbrochen. Vorderhand ist sie froh, dass sie jetzt wieder normal arbeiten und mehr Zeit mit der Familie und mit Freunden sowie in der Natur verbringen und einfach den Kopf auslüften kann. Denn: «In der Zeit vor den World Skills war die Backstube mein Zuhause, wo ich fast Tag und Nacht trainiert habe.»

 

Silvan Hotz, 48, waltet seit 2016 als Präsident des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes. Über Juliana Thöny sagt er: «Unsere neue Weltmeisterin in der Konditorei-Confiserie ist eine der Zukunftshoffnungen in unserer Branche – und davon hat es einige. Sie vereint Präzision, Kreativität und Fachwissen in einem. Sie verfügt über eine hohe Sozialkompetenz und arbeitet fokussiert auf ein Ziel hin. An den diesjährigen World Skills in der Richemont-Fachschule hat sie grosse Nervenstärke bewiesen. Sie überzeugt zudem mit ihrem sympathischen und kompetenten Auftreten.»