Zunächst einmal: Vom Bankgeschäft verstehe ich nichts. Die Banken aber, vor allem die Schweizer Banken, haben meine fast uneingeschränkte Bewunderung. Ich bin ein absoluter Bankenbefürworter. Seinerzeit, als unsere Politiker schon einknickten, habe ich in deutschen Talkshows den Schweizer Finanzplatz verteidigt und das Bankkundengeheimnis. Ich schämte mich für unsere Politiker und Diplomaten, die sich im Ausland für unsere Banken entschuldigt haben. Als alle auf die UBS losgingen, legte ich mich grimmig für die Bank ins Zeug, nicht, dass es etwas genützt hätte.

Der Untergang der Credit Suisse (CS) war für mich ein Horror, ein schwarzer Moment in der langen Geschichte unseres Landes. Romantisch, wie ich bin, sehe ich darin heute noch das tieftraurige Ende einer grossen Tradition. An jener seltsamen Pressekonferenz mit Finanzministerin Karin Keller-Sutter, die vor allem englisch sprach, und dieser komischen Professorin an der Spitze der Finanzmarktaufsicht wurde ein glorreiches Stück Schweiz beerdigt, in den Abgrund gewirtschaftet von einer ganzen Reihe unfähiger Manager, die sich dabei auch noch eine goldene Nase verdient haben.

Ich masse mir nicht an, das Geschäftsgebaren einer Grossbank wirklich beurteilen zu können. Aber mir war immer schon schleierhaft, wie man im mitleidlosen Wettbewerb der Finanzindustrie überleben kann, wenn man das Führungspersonal vor allem nach progressiven «Woke»-Kriterien auswählt, nach Geschlechterquoten führt anstatt nach Leistung und die Kommandobrücke mit Leuten bevölkert, die vor lauter Klima-, Diversity-, Gender- und Image-Risiken, die sie da beaufsichtigen, die Finanzrisiken ihrer Firma offenkundig aus den Augen verlieren.

Der Niedergang der «Kreditanstalt», wie ich sie immer häufiger nannte, spiegelte für mich deshalb am Schluss den Niedergang des sie tragenden gesellschaftlichen und politischen Milieus. Der plötzliche Tod der ruhmvollen Grossbank war im Grunde das Grounding des alten Zürichbergs, des Freisinns, der «Gnomen von der Bahnhofstrasse», dieses zähen, fast ledrigen calvinistischen Menschenschlags, der mit einem Ethos sturer, freudlos wirkender Pflichterfüllung, im grauen Anzug, seine Kunden glücklich machte, indem er nur an sie dachte und zuletzt an sich.

Es wäre ein Jammer, würde auch die letzte Grossbank an der Sonne ihrer hochgesteckten Ziele verglühen.

Vielleicht war das immer schon Mythenbildung, Projektion, die kindliche Ehrfurcht des Agglomerationsbewohners aus einer Maurerfamilie, der den Berufsstand des «Bänklers» auf empirisch unzulässige Art und Weise überhöhte, aber ich bin eben noch aufgewachsen im Geist des Respekts, als man vor dem Polizisten, dem Lehrer und dem Bankangestellten eine fast angeboren wirkende Achtung verspürte. Deshalb werde ich auch heute nicht einstimmen in den Urschrei all jener, die jetzt die aus dem CS-Crash hervorgegangene Gross-UBS als «Monster» verteufeln.

Ganz im Gegenteil: Ich wünsche der Crew um Sergio Ermotti und Colm Kelleher allen erdenklichen Erfolg, und ich hoffe inbrünstig, dass die Politik diese Bank in Ruhe lässt, denn aus eigener Anschauung weiss ich, dass es im Bundeshaus von Politikern nur so wimmelt, die zwar ebenso wenig vom Finanzgeschäft verstehen wie ich, die sich aber umso berufener fühlen, eine Grossbank fernzusteuern; je weniger man weiss, desto geringer die Hemmungen. Möge die UBS ihren fürsorglich lauernden Wohltätern keinen Anlass zur gutgemeinten Einmischung bieten.

Das und nur das ist der Grund, warum ich etwas erschrocken bin, als ich in der NZZ kürzlich das grosse, vor Selbstbewusstsein und Welteroberungsdrang nur so strotzende Interview mit «Ermottis wichtigstem Mann» gelesen habe. Iqbal Khan gilt als Superstar der UBS, Chef der globalen Vermögensverwaltung, unermüdlicher Wachstumstreiber, davor rasant aufstrebender Führungsoffizier beim verblichenen Konkurrenten Credit Suisse. Im Gespräch mit den ihn ehrfürchtig befragenden Journalisten liefert der Topmanager Einblick in seine stratosphärischen Ziele.

Da scheint die Erinnerung an frühere Grossbanken-Bruchlandungen weitgehend verflogen. Mit dem unbezweifelbaren Erfolgsvertrauen eines Selfmademans formuliert er seine Wachstumsambitionen. In den USA wolle man «stark investieren» und «zu den führenden Anbietern» aufschliessen. Die UBS könne ein «Gegengewicht» zum «Oligopol der US-Banken» schaffen. Bereits heute «mischen wir vorne mit», doch 6000 Berater weltweit schürfen nach immer noch mehr «sehr wohlhabenden Kunden». Khan wolle «die Wall Street erobern», jubelt bereits die NZZ.

Amerika, wir kommen. Wieder. Ob diesmal alles gutgeht? Khan ist jung, erst 47 Jahre alt. Aufgewachsen in Karatschi, legte er in der Schweiz eine fantastische Bilderbuchkarriere hin. Alles an ihm wirkt makellos, unangreifbar, von keiner Schwäche angekränkelt, und vielleicht ist es gerade diese chromstahlglänzende, gebieterische Perfektion, die ein gewisses Unbehagen auslöst, die äusserlich bescheiden auftretende Allüre kugelsicherer Unfehlbarkeit. Haben so nicht auch all die Investmentbanker gesprochen, ehe sie ins Elend der Finanzkrise stürzten?

Zu Recht wird man mir entgegenhalten, ich hätte keine Ahnung. Investmentbanking und Vermögensverwaltung seien zweierlei, unter keinem Titel zu vergleichen. Nichts werde, nichts könne schiefgehen auf dem Steigflug ins Nirwana des Erfolgs. Ich hoffe es. Es wäre ein Jammer, würde auch die letzte Schweizer Grossbank an der Sonne ihrer hochgesteckten Ziele verglühen. Die USA sind ein gefährliches Pflaster, und die Wall Street ist der goldene Friedhof unserer Finanzindustrie. Wir wünschen der UBS alle Weisheit und Kraft, den tödlichen Versuchungen zu trotzen.

 

Magie des Geldes: Seite 49–57