Nach den Regionalwahlen in der autonomen Region Kastilien-León am vergangenen Sonntag ist damit zu rechnen, dass die rechte Vox-Partei zum ersten Mal in eine Regionalregierung eintreten wird. Die Partei, die sich als patriotisch und traditionalistisch versteht, von den Mainstream-Medien aber als rechtsextrem oder faschistisch bezeichnet wird, kam bei den Regionalwahlen, die als Generalprobe für die spanischen Parlamentswahlen im nächsten Jahr angesehen wurden, auf den dritten Platz.

Gegen Multikulturalismus

Der Stimmenanteil von Vox stieg von 5,5 auf 17,6 Prozent, im Regionalparlament errang die Partei 13 Sitze – hinter der konservativen Volkspartei (PP), die 31,4 Prozent und 31 Sitze gewann, und der sozialistischen Partei (PS), die auf 30,1 Prozent und 28 Sitze kam.

Die Volkspartei, die in Kastilien und León seit 2019 in einer Koalition mit den liberalen Ciudadanos regierte, hatte vorgezogene Wahlen angesetzt, weil sie sich gute Chancen ausrechnete, die absolute Mehrheit erringen zu können. Doch nun wird die PP, die diesen grossen, aber dünn besiedelten Landesteil im Nordwesten Spaniens (grösser als Belgien und die Niederlande zusammen) stets regiert hat, höchstwahrscheinlich eine Koalition mit Vox eingehen müssen. Bislang hat Vox regionale Regierungen meist unterstützt, doch nun dürfte die Partei fordern, als Preis für diese Unterstützung an der Regierung beteiligt zu werden.

Für Pablo Casado, den PP-Vorsitzenden, der stets bemüht war, zu Vox auf Distanz zu gehen, ist das Wahlergebnis ein Dilemma. Aber ohne Vox verfügt die Volkspartei im Regionalparlament von Kastilien-León über keine eigene Mehrheit. Und so setzt sich der erstaunliche Aufstieg der Vox-Partei fort, die 2018 ihren ersten Wahlerfolg feierte, als sie im Regionalparlament von Andalusien 12 Sitze errang.

Abascal ist einer der wenigen Spanier, der wegen zahlloser Todesdrohungen eine Waffe tragen darf.

Santiago Abascal, der 45-jährige Parteivorsitzende, schrieb nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses auf seiner Facebook-Seite mit 500 000 Followern: «Ganz einfach danke! Lang lebe das altehrwürdige Kastilien! Lang lebe León! Es lebe Spanien!»

Bei den letzten spanischen Parlamentswahlen 2019 gewann Vox 15,1 Prozent der Stimmen und einen Drittel der Sitze. In Umfragen kommt die Partei regelmässig auf 17 Prozent, hinter den Sozialisten von Ministerpräsident Sánchez (26 Prozent) und der Volkspartei (25 Prozent).

Abascal, geboren in Bilbao im Baskenland, ist einer der wenigen Spanier, der wegen der zahllosen gegen ihn gerichteten Todesdrohungen eine Waffe zur Selbstverteidigung tragen darf. Er hat zwei Kinder mit seiner ersten Frau, Ana Belén Sánchez, und zwei mit seiner zweiten, der 36-jährigen Social-Media-Influencerin Lidia Bedman-Lapeña, mit der er seit 2018 verheiratet ist. Er ist begeisterter Ornithologe.

Seine Eltern waren Anhänger von General Franco und anschliessend Mitglieder der Volkspartei, genau wie er selbst. Doch 2013 beschloss er, angewidert von der Hinwendung der Partei zu jenem Kulturmarxismus, der in vielen konservativen Parteien in Europa um sich griff, seine eigene Partei zu gründen.

Das Kernprogramm von Vox gleicht demjenigen anderer nationalpopulistischer Parteien in Europa, die sich gegen illegale Einwanderung, Multikulturalismus und Identitätspolitik wenden. Abascal kritisiert vehement radikal-feministische Forderungen, die er als Feminazismus bezeichnet. Unnötig der Hinweis, dass er auch ein Klimawandelskeptiker ist. Die Parole von Vox, «Spanier zuerst», gleicht der Parole «Italiener zuerst» von Matteo Salvinis Lega, und das Eintreten für eine «Reconquista» in Spanien durch die Spanier erinnert an das Projekt von Eric Zemmour in Frankreich, ja sogar an den Namen seiner Partei – «Reconquête».

Gegen die Separatisten

Auch die strikte Ablehnung einer Unabhängigkeit für Katalonien, die von den meisten Spaniern nicht befürwortet wird, kommt bei vielen Wählern gut an, ebenso die Weigerung von Vox, die katalanischen Separatisten mit Samthandschuhen anzufassen.

Pablo Iglesias, der ehemalige Chef der linkspopulistischen Partei Podemos, twitterte nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Sonntag: «Das ist Weimar!» Unsinn. Abascal ist nicht Hitler und Vox nicht die NSDAP. Abascal und die Wähler von Vox sind Demokraten. Wird Iglesias also wegen Volksverhetzung oder Hassrede angeklagt, wird Twitter ihm das Konto sperren? Schön wär’s.

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork