Walentin Falin (1926–2018) – In gewisser Weise war er ein Vorreiter von Michael ­Gorbatschow: ein Sowjetfunktionär, der nicht wie ein anthrazitfarben gekleideter Sprechroboter auftrat, sondern wie ein Mensch aus Fleisch und Blut, der sich ungezwungen bewegen, frei reden und sogar ab und zu mal lachen konnte.

Mit diesen Eigenschaften, und nicht zuletzt mit seinen Deutschkenntnissen, gelang es Falin, die Westdeutschen zu begeistern – so wie später der Perestroika-Mann im Kreml. Von 1971 bis 1978 vertrat der ­Karrierediplomat die Sowjetunion als ­Botschafter in Bonn. Es waren Jahre des Umbruchs, in denen Bundeskanzler Willy Brandt seine Ostpolitik vorantrieb.

Falin erwies sich als williger und kompetenter Verhandlungspartner. Schon nach seiner Ausbildung an der Diplomatenakademie Anfang der fünfziger Jahre gelangte er an die Sowjetische Kontrollkommission in Berlin. Bis ins hohe Alter sollte er mit der für Russland stets schwierigen deutschen Frage verbunden sein: vom Moskauer Vertrag bis hin zur Wiedervereinigung 1989.

Einige Jahre zuvor hatte ihn Gor­-ba­tschow aus der politischen Verbannung als engen Berater in den Kreml zurückgeholt. Vermutlich, weil sich ein Stiefsohn in den Westen abgesetzt hatte und wegen seiner unbequemen Meinungen, war ­Falin aus der internationalen Abteilung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei entfernt worden. Die kommenden Jahre hatte er beruflich zunächst bei der Regierungszeitung Iswestija, dann als Chef der Nachrichtenagentur Nowosti überwintert.

Viel ist darüber gerätselt worden, ob ­Falin über sein Interesse hinaus ein Freund Deutschlands und der Deutschen gewesen ist. Nicht wenige bezweifelten dies, denn als Halbwüchsiger durchlebte er den ­Terror der mehr als zwei Jahre dauernden Belagerung seiner Heimatstadt Leningrad durch deutsche Truppen – eines der ­grössten Verbrechen des Zweiten Welt­krieges. Dabei verlor Falin Familienmitglieder. Mit 27 der 27 Millionen sowjetischen Kriegsopfer sei er verwandt gewesen, merkte er später einmal bitter an.