Die Klimapolitik war lange dominiert von den «Klimapanikern» und den «Klimaleugnern». Erstere sahen im Klimawandel die grösste Bedrohung der Menschheit. Letztere meinten entweder, es gebe gar keine Klimaerwärmung, oder sie sei nicht menschengemacht. Ab etwa 2024 aber wurde eine dritte Gruppe wichtig, die «Klimarealisten». Sie nahmen die wissenschaftliche Literatur und die amtlichen Zahlen zu Ausmass und möglichen Schäden des Klimawandels wirklich ernst: Weder negierten sie die Ergebnisse, noch bauschten sie sie auf. Vielmehr ordneten sie sie vernünftig ein. So glaubte dann die grosse Mehrheit der Bevölkerung bald dreierlei:

– Erstens: Die tatsächliche Erwärmung – immer verglichen mit dem «offiziellen» Vergleichsniveau der vorindustriellen Zeit von etwa 1840 bis 1870 – war mit ungefähr 1,2 Grad Celsius weltweit und 2,2 Grad in der Schweiz im Vergleich zur Limite der internationalen Klimaabkommen (1,5 bis 2 Grad) schon dramatisch. Aber genau das zeigte die Absurdität der Weltklimaziele. Denn im Vergleich mit all den anderen Veränderungen war die Erwärmung kaum relevant. Die Schweiz von 2030 war völlig anders als jene von 1870. Aber nicht wegen der Erwärmung, sondern wegen der technologischen Entwicklung, die grösste wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen gebracht hatte.

– Zweitens: Trotz der Erwärmung und ihren möglichen Folgen wie Veränderung der Niederschläge und Windstärken haben die Schäden durch Hitze und Naturereignisse seit 1840 bis 2030 stark und stetig abgenommen, egal, ob sie mit der absoluten Zahl von Todesopfern oder irgendwie monetarisiert gemessen werden. Denn für die Schäden zählt weniger das rohe Klima, sondern vielmehr wie die Menschen darauf reagieren und sich daran anpassen. Ansonsten würden die Menschen nicht in allen Kontinenten und Ländern der Welt leben, obwohl dort mittlere Jahresdurchschnittstemperaturen von unter 0 Grad bis über 30 Grad und Schwankungen über die Tages- und Jahreszeiten von 20 Grad und mehr herrschen. Und genauso können die Menschen nur dank ihrer enormen Anpassungsfähigkeit vorzugsweise dorthin in die Ferien, wo es wärmer als zu Hause ist. Auch all diese Anpassung gelingt heute dank der technologischen Entwicklung weit besser und billiger als früher.

– Drittens: Die technologische Entwicklung wird sich ganz allgemein eher beschleunigen als verlangsamen. Zudem ist sie gegenüber dem Problemdruck endogen: Problemlösungen werden vor allem dann entwickelt, wenn deren Anbieter von den Betroffenen für ihre Leistung entschädigt werden. Deshalb entwickelten sich die Lösungen für den Schutz vor Klimarisiken und für die Anpassungen an Klimaveränderungen viel schneller als realistische Ansätze zur weltweiten Reduktion der Emissionen.

Der neue Klimarealismus ab 2024 hat die Wahrnehmung des Klimawandels völlig verändert. Bald schwand die Angst, dass in der Schweiz dereinst ein mediterranes Klima herrschen würde. Vielmehr wurde anerkannt, dass das mediterrane Klima die Lebenserwartung (bei Kontrolle aller anderen Einflussfaktoren) um etwa drei Jahre erhöht. Und immer mehr Menschen waren dankbar, dass es dank der Klimaerwärmung um über 2 Grad wärmer als 1840 bis 1870 war. Immer öfter wurden deshalb Vertreter einer harten Klimapolitik gefragt, ob sie denn möchten, dass es wieder 2 Grad kälter sein sollte. Wenn sie bejahten, wurden sie als «eiskalte Schwindler» gesehen, und wenn sie verneinten, als «Klimakonservative». Denn sie wollten keine Erwärmung und keine Abkühlung, sondern dass es genau so bleiben sollte, wie es damals gerade war.

 

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der UniversitätFribourg und Forschungsdirektor des Crema.