Der Präsident der deutschen Bundesanwaltskammer Ulrich Wessels hat sich mit dem Text «In unserer DNA: Rechtsstaat» an die Mitglieder gewendet. Wir dokumentieren seinen Appell, Haltung gegen rechts zu zeigen, im Wortlaut.

 

Es war ein starkes Statement für unseren Rechtsstaat und gegen Rassismus, das die BRAK gemeinsam mit vielen anderen juristischen Verbänden Mitte Januar abgegeben hat. Kurz zuvor war durch die Recherchen des Medienhauses Correctiv ein geheimer «Masterplan» von Rechtsextremisten zur massenhaften Vertreibung von Menschen aus Deutschland bekannt geworden.

Dagegen stellten sich die juristischen Verbände ganz entschieden: «Die massenhafte Deportation von Menschen aus Deutschland darf nie wieder Realität werden!», heisst es in der gemeinsamen Erklärung von BRAK, DAV, Juristinnenbund, Richterbund, Bundesverband der juristischen Fachschaften und vielen anderen juristischen Verbänden. Und dass die gesetzliche Legitimation solcher Phantasien mit allen juristischen und politischen Mitteln verhindert werden muss.

Auch der Bundesjustizminister hat die gemeinsame Verbände-Erklärung ausdrücklich begrüsst. Beim Neujahrsempfang seines Hauses hat er das mehr als deutlich gemacht. Hinter das Statement der Verbände stellen sich auch viele Anwältinnen und Anwälte, das wissen wir aus den zahlreichen unterstützenden Reaktionen, die nicht nur die BRAK erreichten, und aus dem breiten positiven Echo in den Medien. Vereinzelt gab es auch negative Reaktionen – doch das Risiko, sich bei einzelnen unbeliebt zu machen, muss man eingehen, wenn derartige verfassungswidrige Bestrebungen öffentlich werden. Denn dann ist der Rechtsstaat mit allen seinen Institutionen gefordert, dem entschieden entgegenzutreten, und dazu gehört eben auch die Anwaltschaft.

Die Enthüllungen von Correctiv lösten grosse Empörung aus. «Nie wieder ist jetzt!» Seit Wochen demonstrieren unter diesem Slogan in vielen deutschen Städten tausende Menschen gegen die perfiden Vertreibungspläne, gegen Rassismus und für unseren Rechtsstaat.

In diesem Jahr stehen eine ganze Reihe von Wahlen in den Ländern und zum europäischen Parlament an. Angesichts der aktuellen Wahlprognosen ist zu befürchten, dass antidemokratische Kräfte weiter erstarken und dass sie den Versuch unternehmen könnten, mit wenigen gesetzgeberischen Handgriffen unseren Rechtsstaat auszuhöhlen. Wir leben zwar in einer stabilen Demokratie. Aber damit das auch so bleibt, müssen wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und dürfen uns nicht darauf ausruhen, seit nunmehr 75 Jahren eine Verfassung zu haben, die Demokratie und Rechtsstaat garantiert. Deshalb sind die aktuellen Überlegungen zu begrüssen, das Bundesverfassungsgericht besser gegen einfachgesetzliche Aushöhlungsversuche zu schützen. Das ist wichtig, doch dabei darf man nicht stehenbleiben, sondern muss auch an anderen Stellen, vor allem in der Länderjustiz und den Landesparlamenten prüfen, wie unsere parlamentarische Demokratie und unser Rechtsstaat gegen eine Aushöhlung von innen geschützt werden können.

Den Rechtsstaat gegen antidemokratische und rassistische Bestrebungen absichern zu wollen, ist keineswegs nur eine allgemeinpolitische Haltung, die gerade angesichts der vielen Demonstrationen irgendwie im Trend ist. Und es ist keine Frage von Parteipolitik. Es ist viel mehr!

Den demokratischen Rechtsstaat zu wahren und zu verteidigen, ist in unserer DNA als Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte. Nicht umsonst haben wir alle bei unserer Zulassung geschworen (oder weniger religiös: gelobt), die verfassungsmässige Ordnung zu wahren. Und nicht umsonst sind wir als unabhängige Organe der Rechtspflege darauf verpflichtet, den Bürgerinnen und Bürgern «Zugang zum Recht» zu verschaffen, ihnen also die Möglichkeiten nutzbar zu machen, die unser Rechtsstaat bietet, um private Ansprüche durchzusetzen oder staatliches Handeln gerichtlich kontrollieren zu lassen.

Dass die Anwaltschaft nicht schweigen kann, wenn der Rechtsstaat auch nur im Ansatz gefährdet ist, ist also vollkommen selbstverständlich. Extremisten und Antidemokraten dürfen unseren Rechtsstaat nicht in Gefahr bringen.

Lassen Sie uns gemeinsam wachsam sein. Denn der Rechtsstaat ist in unserer DNA!