Es ist nur etwas mehr als fünfzehn Jahr her, seit das Uno-Abkommen über den Einsatz von Streubomben in Oslo verabschiedet und inzwischen von 111 Ländern unterzeichnet wurde. Dazu zählt auch die Schweiz. Nur: Die wichtigsten Militärmächte – die USA, Russland und China – fehlen auf der Liste der Signaturstaaten. Und auch die Ukraine oder Weissrussland haben sich bis heute geweigert, das Abkommen zu unterzeichnen.

Im Artikel 21 des Abkommens wird festgehalten: «Jeder Vertragsstaat» – somit auch die Schweiz – «fördert die Normen, die darin niedergelegt sind, und bemüht sich nach besten Kräften, Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen.»

Militär-Chefin Viola Amherd hat als Nationalrätin diesem Abkommen zugestimmt, Ignazio Cassis war anlässlich der Abstimmung abwesend. Dennoch ist diese Abwesenheit keine Ausrede, sich vor einer Kritik an der Ukraine zu drücken, denn die Schweiz hat sich dazu verpflichtet, alles zu unternehmen, den Einsatz von Streumunition zu verhindern.

Die Schweiz hat gemäss der «Armeebotschaft 2017» noch mit den Rüstungsprogrammen 1988, 1991, 1993 und 1999 sogenannte Kanistergeschosse beschafft. Die Munition wurde von der Firma Israel Military lndustries (IMI) entwickelt. Die Schweizerische Munitionsunternehmung AG beziehungsweise Ruag Munition stellte Teile für die 15,5-Zentimeter-Kanistergeschosse her und führte die Endmontage der 12-Zentimeter-Minenwerfer-Kanistergeschosse durch. Letztere wurden nur bei der Schweizer Armee eingeführt.

Nach der Unterzeichnung des Übereinkommens wurden ab 2013 total 202.000 Geschosse mit 11,6 Millionen «Bomblets» im Gesamtgewicht von rund 10.000 Tonnen vernichtet. Sämtliche Artilleriegeschosse wurden bis Mitte 2016 demontiert und die Minenwerfermunition kontrolliert detoniert. Der Munitionshersteller Nammo Buck GmbH hat die Entsorgung der Kanistergeschosse durchgeführt. Die Firma gehört zu den wenigen Unternehmen, welche Streumunition fachgerecht entsorgen können. Die seit 1999 in norwegischem Besitz befindliche Nammo Buck GmbH hatte ihren Sitz in Pinnow (Deutschland) nahe Berlin. Sie gab ihren Standort aber 2008 auf, als sämtliche Vorräte an Streumunition in Europa vernichtet waren.

Nachdem US-Präsident Biden unlängst entschied, der Ukraine solche umstrittene Streumunition zu liefern, haben die ukrainischen Streitkräfte diese nun laut ukrainischen Quellen erstmals eingesetzt, um russische Stellungen zu knacken. Teilweise soll diese auch noch aus Altbeständen aus Sowjetzeiten stammen.

Als Rechtfertigung der Ukrainer dient auch die Behauptung, dass Russland im laufenden Konflikt schon mindestens 24-mal Streumunition eingesetzt habe. Die Munition wird unter anderem aus 155-Millimeter-Artilleriegeschützen abgefeuert und über den Schützen-Gräben zur Explosion gebracht. Dabei setzen die Granaten Hunderte kleiner Bomblets frei, die bei Berührung explodieren, auch noch Wochen oder gar Jahre nach dem Abwurf. So kommt es auch nach Kriegen immer wieder zu Opfern solcher Bomblets-Explosionen.

Vom 11. bis zum 14. September tagen nun die Mitglieder der Signaturstaaten zum elften Mal in Genf, um die Lage zu diskutieren. Dies wäre eine einmalige Gelegenheit, die Abscheu der Schweiz gegenüber dem Einsatz von Streumunition zu manifestieren.

Wenn drei Schweizer Bundesräte Zeit finden, für bedeutungslose Sitzungen an den Uno-Sitz in New York zu fliegen, dann wird sich doch wenigstens einer von ihnen finden lassen, der sich im Sinne des Vertrages gegen den Einsatz solcher Munition durch die Ukraine und Russland ausspricht.

Oder ist es verboten, die USA und die Ukraine für Verbrechen zu kritisieren?