«Wir müssen verstehen, dass die Bedrohung die neue Normalität ist», sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, in einem aktuellen Interview.
In einem Gespräch gegenüber dem Spiegel haben sich Breuer und der Nato-Befehlshaber, US-General Christopher Cavoli, zur Aufrüstung der Nato geäussert. Das Interview zeigt zweierlei: den tiefen Einblick in eine Gedankenwelt, in der das Feindbild festsitzt. Und einen Journalismus, der den Namen nicht verdient.
Im Vorspann heisst es: «Im Interview sprechen er und Generalinspekteur Breuer über die russische Bedrohung und sagen, wie schnell sich die Nato wappnen muss.»
Über die «russische Bedrohung» – das steht so im Spiegel, als wäre diese Bedrohung real und journalistische Distanz unangebracht. Keine Distanzierung, keine Perspektivierung. Die Bedrohung durch Russland ist in diesem Gespräch in Stahlbeton gegossen. Und zwar bei den Generälen genauso wie offensichtlich beim Spiegel.
Das Hamburger Magazin merkt an: «Die Ambitionen, zum Beispiel beim Ausbau der Landstreitkräfte oder der Flugabwehr, sind riesig. Das bisherige Ziel, dass alle Staaten 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für das Militär ausgeben sollen, wirkt da nicht mehr ganz zeitgemäss.»
Daraufhin antwortet Breuer: «Sie haben recht: Die Bedrohungslage erfordert höhere Investitionen als die bisherigen 2 Prozent.»
Was hat diese Stelle noch mit Journalismus zu tun? Frage und Antwort könnten so auch direkt von der Nato-Pressestelle kommen. Und so zieht sich das Zusammenspiel der ideologischen Übereinkunft zwischen Vertretern des Militärs und des Journalismus durch das Interview.
Grundsatzkritik? Fehlanzeige. Dafür sagt Cavoli: «Russland ist eine dauerhafte Gefahr für die Allianz und die Sicherheit in ganz Europa, denn Moskau spielt zunehmend mit Playern wie China oder Nordkorea zusammen.»
Dass Putin einmal im Bundestag gestanden und die Hand weit nach Deutschland und Europa ausgestreckt hat? Egal. Stattdessen schiebt Cavoli hinterher: «Die Bedrohung ist sehr ernst.»
Journalismus am Ende. Und die Logik des Militärischen gewinnt immer mehr an Fahrt.
Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Zuletzt von ihm erschienen: «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen. Das Corona-Unrecht und seine Täter», Rubikon.
Tja, wieso halluzinieren diese Leute wohl eine Gefahr herbei, ohne die ihr Job nicht garantiert wäre und sie – horribile dictu! – arbeiten gehen müssten? Warum fürchtet sich ein General einer Armee, die aus personeller und ideeller Kontinuität korrekt "Bundeswehrmacht" heissen müsste, vor "dem Russen"? Weil er sich schon als Rekrut am Wochenende zuhause schlotternd vor denen gefürchtet hat, weil dort 70-90% Sollstärke bestand, im Westen aber nur 30? Und TROTZDEM ist "der Russe" nicht gekommen!
Man wird überhaupt täglich mindestens 2-mal bedroht, wenn man sich die Nachrichten anhört. Vom Klima, von Überschwemmungen, von Bergrutschen, von Verspätungen bei der Bahn, von den Dieselfahrzeugen, vom Terrorismus (gut dass wir nicht Trump heissen), von den (zu hohen) Pensionszahlungen, von Steuererhöhungen, von (übermäßigen) Krankenständen, von Pandemien, von Cyber-Kriminaliität, etc. und jetzt sollen wir uns auch noch von Russland, China, Iran, Saudiarabien, Südafrika, etc. bedroht fühlen.
Sicherlich gibt es eine Bedrohung durch Russland. Doch auch Russland - man sollte es kaum glauben! - wird sich von dieser NATO bedroht fühlen. Als Mitglied der "guten" Seite kann man das vielleicht kaum nachvollziehen - dennoch muss man beiden Seiten gleiche Gefühlslagen zuerkennen. By the way: 587 Stützpunkte haben die USA im Ausland, die Russen haben neun, die VR China plant(!) 5. Diese Fakten sind beileibe keine "Neue Normalität"!