Es gibt sie, diese Erzählung, dass Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) eigentlich kein EU-Turbo sei.

Liegt es vielleicht daran, dass er im Tessin aufgewachsen ist – wo die halbe Welt gegen die EU ist? Oder daran, dass er mit den Stimmen der SVP Bundesrat wurde und die Linke ihn ständig als Gegner der EU hinzustellen versucht?

Jedenfalls kultivierte die NZZ in ihrer Ausgabe vom Mittwoch erneut dieses Märchen, als sie die Geschichte, über das Zerwürfnis zwischen Staatssekretärin Livia Leu und ihrem Chef Bundesrat Ignazio Cassis relativierte und nebenbei dann auch noch erwähnte, Cassis sei nicht als EU-Turbo bekannt.

Tatsächlich?

Sorry, aber Cassis ist ein EU-Turbo, auch wenn er sich öffentlich nie festlegt und als wankelmütig gilt, weil er sich mehr von Emotionen als von nüchternen Analysen leiten lässt.

Er will mit der EU möglichst schnell neue Verhandlungen führen, auch wenn die Minenfelder bis heute nicht entschärft sind. Und Grundlage dieser neuen Traktationen ist der gescheiterte Rahmenvertrag.

Er hat damals auch seine Partei, die FDP, auf dieses Vertragswerk eingeschworen – anlässlich einer Klausur der FDP in Engelberg. Zwei Cassis-Vertraute, der frühere Parteichef Philipp Müller und der Luzerner Ständerat Damian Müller, trommelten dabei erfolgreich für dieses Abkommen.

Eine fehlte bei dieser «Party» krankheitshalber – die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter. Sie hat den gefährlichen Rahmenvertrag später im Bundesrat versenkt – oder besser gesagt: ihr Staatssekretär Mario Gattiker, indem er auf die Schwachstellen dieses Abkommens hinwies.

Aber man darf weiterhin herumerzählen, Aussenminister Cassis gehe mit der gebotenen kritischen Distanz zu Brüssel an das EU-Dossier heran.