Die linke Politikerin Sahra Wagenknecht hat an der Bundespressekonferenz die Gründung einer neuen Partei verkündet: «Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit». Gleichzeitig mit ihr verkündeten neun weitere Politiker von der Linken, die Partei zu verlassen. Wir dokumentieren die Austrittserklärung im Wortlaut.
Liebe Mitglieder der Partei Die Linke,
wir haben uns entschieden, Die Linke zu verlassen und eine neue Partei aufzubauen. Dieser Schritt ist uns nicht leichtgefallen. Denn Die Linke war jahre- oder sogar jahrzehntelang unser politisches Zuhause. Hier haben wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter kennengelernt, von denen viele zu Weggefährten und einige zu Freunden wurden. Mit ihnen gemeinsam haben wir Abende und Wochenenden bei Parteiveranstaltungen verbracht und in Wahlkämpfen Sonderschichten eingelegt. All dies hinter uns zu lassen, fällt uns schwer – politisch wie persönlich. Hätte es einen besseren Weg gegeben, wir wären ihn gerne gegangen. Weil wir uns mit vielen von Euch verbunden fühlen, möchten wir unsere Entscheidung begründen.
Die Konflikte der letzten Jahre wurden um den politischen Kurs der Linken geführt. Immer wieder haben wir argumentiert, dass falsche Schwerpunkte und die fehlende Konzentration auf soziale Gerechtigkeit und Frieden das Profil der Partei verwässern. Immer wieder haben wir angemahnt, dass die Fokussierung auf urbane, junge, aktivistische Milieus unsere traditionellen Wähler vertreibt. Immer wieder haben wir versucht, den Niedergang der Partei durch eine Änderung des politischen Kurses aufzuhalten. Damit hatten wir keinen Erfolg – und im Ergebnis hatte die Partei bei den Wählerinnen und Wählern immer weniger Erfolg.
Die Geschichte der Linken seit der Europawahl 2019 ist die Geschichte eines politischen Scheiterns. Die jeweiligen Parteiführungen und die sie stützendenden Funktionäre auf Landesebene waren entschlossen, dieses Scheitern auf keinen Fall kritisch zu diskutieren. Es wurde weder eigene Verantwortung dafür übernommen, noch wurden inhaltliche Konsequenzen daraus gezogen. Vielmehr wurden diejenigen, die dem Kurs der Parteiführung kritisch gegenüberstanden, als Schuldige für die Ergebnisse ausgemacht und immer weiter ausgegrenzt.
Wir sehen vor diesem Hintergrund für unsere Positionen keinen Platz mehr in der Partei. Als Beispiel sei an den «Aufstand für den Frieden» vom Februar 2023 erinnert. Es war die grösste Friedenskundgebung der letzten knapp zwanzig Jahre. Zehntausende versammelten sich vor dem Brandenburger Tor. Obwohl und gerade weil etwa die Hälfte der Bevölkerung den militärischen Kurs der Regierung ablehnt, hat sich das gesamte politische Establishment des Landes gegen die Kundgebung gewehrt und sie diffamiert. Statt uns in dieser Auseinandersetzung zu unterstützen, stand die Parteiführung der Linken Schulter an Schulter mit den anderen Parteien: Sie hat den Initiatoren der Kundgebung vorgeworfen, «rechtsoffen» zu sein, und war so Stichwortgeber für Vorwürfe gegen uns.
Die politischen Räume für uns in der Partei wurden so klein, dass wir mit geradem Rücken nicht mehr reinpassen. Aus unseren Landesverbänden wissen wir: So geht es vielen Mitgliedern der Linken. Auch für sie wollen wir mit der neuen Partei eine neue politische Heimat schaffen.
Dies tun wir aus innerer Überzeugung, denn eine Partei ist kein Selbstzweck. Was uns antreibt: Wir wollen die politische Entwicklung nicht länger hinnehmen. Die sozial verheerende Politik der Ampel kostet grosse Teile der Bevölkerung Einkommen und Lebensqualität. Die deutsche Aussenpolitik munitioniert Kriege, statt sich um Friedenslösungen zu bemühen. International eskalieren Konflikte, die sich abzeichnende Blockbildung ist eine Bedrohung für den Weltfrieden und wird massive ökonomische Verwerfungen mit sich bringen.
Gleichzeitig wird Widerspruch gegen diese politische Entwicklung in der öffentlichen Diskussion immer häufiger sanktioniert und an den Pranger gestellt. Aber Demokratie braucht Meinungsvielfalt und offene Debatten. Die Unfähigkeit der Regierung, mit den Krisen unserer Zeit umzugehen, und die Verengung des akzeptierten Meinungskorridors haben die AfD nach oben gespült. Viele Menschen wissen schlicht nicht mehr, wie sie anders ihren Protest artikulieren sollen.
Die Linke tritt in dieser Situation nicht mehr als klar erkennbare Opposition auf, sondern als weichgespülte «Ja, aber …»-Partei. Sie ist mit diesem Kurs unter die Wahrnehmungsgrenze der Bevölkerung gesunken. Aktuell spricht alles dafür, dass sie im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein wird, während die AfD in Umfragen bei über 20 Prozent steht. Wir haben die Verantwortung, den Kampf um die Ausrichtung der Politik und um die Zukunft unseres Landes wieder ernsthaft zu führen. Dafür wollen wir eine neue politische Kraft aufbauen, eine demokratische Stimme für soziale Gerechtigkeit, Frieden, Vernunft und Freiheit.
Wir gehen ohne Groll und ohne Nachtreten gegen unsere alte Partei. Der Konflikt ist für uns abgeschlossen. Wir wissen: Einige von Euch haben diesen Schritt herbeigesehnt, andere werden enttäuscht sein und wieder andere werden nun abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Euch allen sagen wir: Wir möchten uns wie Erwachsene trennen. Ein Rosenkrieg würde uns allen schaden. Die Partei Die Linke ist nicht unser politischer Gegner. Den vielen unter Euch, mit denen wir lange Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet haben, sagen wir auch: Wir sind bereit für Gespräche und würden uns freuen, Euch zu einem geeigneten Zeitpunkt in unserer Partei begrüssen zu können.
Unterzeichnet haben:
Sahra Wagenknecht, Amira Mohamed Ali, Christian Leye, Lukas Schön, Jonas Christopher Höpken, Fadime Asci, Ali Al-Dailami, Sevim Dagdelen, John Lucas Dittrich, Klaus Ernst, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Amid Rabieh, Jessica Tatti, Alexander Ulrich, Sabine Zimmermann
In der DDR hatten die alle einen geraden Rücken; weil: die Stasi hat die Rücken immer (auf) gerichtet. Freundschaft!
Bald werden die Wähler - hoffentlich- merken, dass Sarah Wagenknecht bei aller Intelligenz und Attraktivität immer noch nicht nur äußerlich sondern auch innerlich tiefrot ist. In ihren Büchern und Statements analysiert sie messerscharf, aber die daraus abgeleiteten Konsequenzen des Handelns tragen sozialistische Züge. Insofern ist sie keine Alternative zur AfD, allenfalls, im Bereich Migration und Außenpolitik, gibt es Überschneidungen.
Wenn nun Wagenknecht genügend Stimmen bei der AFD abzieht, die Grünen besser abschneiden als die SPD Trümmertruppe und die FDP rausfliegt, dann freut sich am Ende nur unser Kinderbuchautor als neuer Kanzler.