Hluboká nad Vltavou

Hinter den Uno-Kulissen letzte Woche in New York hat der ungarische Premierminister Viktor Orbán intensive Gespräche mit China und Brasilien geführt, um in Fortsetzung seiner Sondierungsgespräche vor den Sommerferien einen Friedensgipfel zwischen Selenskyj und Putin, der Ukraine und Russland aufzugleisen. Die Weltwoche konnte mit Orbán über die Details sprechen anlässlich der Geburtstagsfeier von Tschechiens früherem Präsidenten Milos Zeman südlich von Prag.

Kurze Rückblende: Kurz vor den Sommerferien überraschte Viktor Orbán die Welt mit einer vertraulich angesetzten Sondierungsreise nach Kiew, Moskau, Bergkarabach, Peking und Florida. Wir berichteten ausführlich. Der ungarische Premier wollte die blockierten diplomatischen Kanäle zwischen den Kriegsparteien öffnen und herausfinden, wo gemeinsame Perspektiven für die Herbeiführung eines baldigen Waffenstillstands liegen. «Das Sterben muss enden», sagte Orbán der Weltwoche.

Die Gespräche mit Selenskyj und Putin zeigten, wie weit die Sichtweisen auseinanderliegen. Den ukrainischen Präsidenten versuchte Orbán zu überzeugen, dass ihm die Zeit davonlaufe. Doch Selenskyj sah es genau umgekehrt. Er glaubt anscheinend immer noch, ein militärischer Sieg gegen Russland sei möglich und die Zeit spiele für ihn. Russlands Präsident Putin wiederum eröffnete, er sei im Begriff, den Krieg zu gewinnen und Selenskyjs Armee zu zertrümmern, Verhandlungen daher überflüssig.

Diese Blockade versucht Orbán nun durch internationalen Druck aufzubrechen. Am Rande der Uno-Versammlung hat er intensive Gespräche geführt mit China und mit Brasilien. Indien fiel als Friedensermöglicher in dieser Konstellation weg, weil die Inder zu viele Probleme mit China haben. Heikel ist die Beziehung Brasiliens zu Ungarn. Orbán hat sich den Unmut von Präsident Lula zugezogen, als er dessen Vorgänger Bolsonaro nach der Abwahl in der ungarischen Botschaft in Brasília Zuflucht nehmen liess.

Seither, heisst es, sei das Klima zur heutigen brasilianischen Staatsführung gefroren. Gleichwohl scheint es Orbán in New York gelungen zu sein, Präsident Lula zu überzeugen. Allerdings muss Ungarn dezent in den Hintergrund treten. Orbán hat für seine Pläne die Unterstützung von insgesamt fünfzehn Ländern organisiert, den «Freunden des Friedens». Nun wird über den Austragungsort des Friedensgipfels verhandelt. Neben Ungarn, China und Brasilien werden auch Frankreich und die Schweiz teilnehmen.

Aus Brüssel kommen erneut kritische Töne. Die EU-Führung war schon vor den Sommerferien über Orbáns Reisen irritiert. Man warf ihm Kompetenzüberschreitung vor. Er verhandle nicht im Namen der EU. Orbán wiederum, turnusgemäss Präsident des EU-Rats noch für ein paar Monate, stellt sich auf den Standpunkt, er führe Sondierungen, keine Verhandlungen. Das Gemecker aus Brüssel wirkt einigermassen skurril bis zynisch vor dem Hintergrund, dass in der Ukraine laufend Menschen sterben.

Orbán scheint bestimmt, seine Friedensgespräche zum Abschluss zu bringen. Sein Ziel ist es, wie er der Weltwoche sagte, die Europäer wieder in eine aktive Rolle zurückzubringen und bereits vor den US-Wahlen eine Weichenstellung zu bewirken. Da die Verhandlungsbereitschaft in Kiew und Moskau nicht übermässig ausgeprägt ist, soll nun internationaler Druck den Durchbruch zum Waffenstillstand bringen. Das wäre fraglos ein Coup. Andere Politiker haben für Minderes schon Nobelpreise gewonnen.